dramen

Dienstag, 12. Juni 2007

puddingfrau und lumpenkind

Fäden geschmolzenen Käses hängen mir aus dem Mund. „Möchten sie eine Zeitung kaufen?“ fragt mich der blasse, pummelige Junge und hält mir zerfledderte Blätter unter die Nase. Im trüben Licht der Laterne kann ich „Gratisausgabe“ entziffern. „Nein“ schmatze ich „Möchtest du ein Stück Pizza?“ Er nickt und setzt sich neben mich auf die Bank.

„Ziemlich spät“ stelle ich kauend fest und reiche ihm die Hälfte des Teigfladens. Tonno mit extra Ananas. Spezialanfertigung vom Pizzamann meines Vertrauens. Hastig schlingt er die Mahlzeit hinunter, dann steht er auf, wühlt in den Taschen seiner Jean, die ihm um mindestens zwei Nummern zu groß ist, zieht ein zerknülltes Päckchen Zigaretten hervor und steckt sich eine an. „Wie alt bist du?“ frage ich ihn. „Vierzehn“ sagt er trotzig. „Gut gehalten, ich hätte dich auf höchstens elf geschätzt“ entgegne ich.

Wir mustern uns. „Monika“ sag ich und strecke ihm meine fettige, mehlige Hand entgegen, ziehe sie kurz zurück, um mir die Reste von den Fingern zu lecken, mich mit der Serviette abzutrocknen. „Rene“ antwortet er und schüttelt meine nunmehr saubere Hand. Seine Bewegungen sind ungelenk wie die eines Kindes, aber die Art und Weise wie er seine Zigarette hält, ist bereits beeindruckend lässig.

Die letzte Straßenbahn rattert ums Eck. „Gute Nacht Rene!“. Er folgt mir.

Nachts wirken die Straßenbahngarnituren noch verwahrloster als tagsüber. Unser Abteil ist leer, nur ein paar Glasflaschen rollen klirrend am Boden, als sich die Bahn in Bewegung setzt. „Was machst du jetzt?“ fragt er mich und ich höre, was er nicht ausspricht. „Junger Mann, die Frage lautet wohl eher, was du jetzt machst? Um ein Uhr morgens durch die Stadt zu laufen und Leute um Geld anschnorren ist ein ziemlich dämlicher Plan. Hast du denn kein Zuhause?“ Ich bemühe mich oberlehrerhaft zu klingen, dabei stelle mir vor, ich würde Brille tragen und hätte mein Haar streng nach hinten gekämmt. „Vielleicht schlafe ich bei einem Freund.“ sagt der Junge kleinlaut. „Weiß der von seinem Glück?“ frage ich. „Warum fährst du nicht heim?“

Nun wirkt er noch jünger als er vermutlich ist und erzählt wirre Geschichten von seinem Vater und der toten Mutter. Das wenige, das ich glaube, macht mich traurig genug. Ich muss an der nächsten Haltestelle raus. „Na gut“ beantworte ich seine stille Bitte „dieses eine Mal. Nur heute. Das muss dir klar sein! Einmal und nie wieder!“

Er hat etwas hündisches an sich, als er hinter mir hertrottet. Die Wohnanlage ist modern, viel zu nobel, als dass ich es mir wirklich leisten könnte, hier zu leben. Meine Vermieterin kann es sich auch nicht leisten, deshalb teilen wir uns die Wohnung. An den Wochenenden ist sie meist am Land, die Katze nimmt sie mit. Zumindest fließend Wasser und Strom haben wir, alles andere ist Baustelle. Ich weiß nicht ob sie es jemals schaffen wird, sich wirklich häuslich einzurichten, meine Tage hier sind gezählt, ich werde fortgehen, nur gesagt hab ich ihr das noch nicht. Ich zeige Rene mein Zimmer. Ich erzähle ihm von der Katze, die nur auf das Wort „Fisch“ hört.

„Ich geb dir ein paar frische Sachen zum Anziehen, aber vorher solltest du baden gehen“ schlage ich ihm vor. „Du stinkst.“ Ich lasse ihm ein Schaumbad ein, lege ihm saubere Kleidung und ein Handtuch hin, dann lass ich ihn allein. Ich würde gerne Musik hören, aber Grete hat nur Kassetten mit klassischer Musik. Davon werde ich nervös. Ich höre Rene plantschen. Seine ausgetreten, alten Schuhe kann ich bis in die Küche rieche, also besprühe ich sie mit Deo. Größe 42, die können nicht ihm gehören, genausowenig wie die überlange Hose und der Pullover in dem er fast verloren geht.

„Kann ich kurz ins Bad, deine Sachen holen, die müssen dringend gewaschen werden“ ruf ich ihm zu, er öffnet mir die Tür, trägt bereits mein T-Shirt und die Boxershort. Wir haben keine eigene Waschmaschine, aber es gibt einen Waschsalon im Hof, dort kann ich auch nachts meine Wäsche waschen. Er möchte mitgehen. Ich leihe ihm meinen Mantel und eine Haube, wegen der nassen Haare, mir nehm ich ein Bier mit.

Während seine dreckigen Socken, die Jean und der ausgeleierte Pullover ihre Runden drehen, hocken wir auf den beiden übrigen Maschinen. „Was machst du sonst so, wenn du nicht grad von daheim abhaust?“ frage ich ihn und öffne mein Getränk. „Wie sieht`s aus mit Schule?“. „Ich gehe nicht mehr zur Schule“ „Natürlich, mit elf ist man ja schon praktisch erwachsen und braucht dort nicht mehr hinzugehen.“ erwidere ich spöttisch. Er wird zornig:“Ich bin vierzehn, hab ich doch gesagt.“ „Und ich bin hundert“ Ich grinse.

Eine zeitlang sitzen wir schweigend da, lassen die Beine baumeln, ich trinke Bier. „Hast du einen Freund?“ fragt er mich unvermittelt. „Nein“, sage ich der Einfachheit halber, mir ist nicht danach Definitionen zu suchen, komplexe Sachverhalte zu erklären. „Und du, hast du eine Freundin?“. Natürlich lügt er mich an. Sex hätte er auch schon gehabt, erzählt er. „Echt? Sex hatte ich noch nie.“ Diesmal bin ich es, die lügt. Sein erstaunter Blick belustigt mich. „Aber“ stammelt er „du bist doch schon alt.“ „Naja, hundert bin ich in Wirklichkeit nicht, erst zwanzig, zwanzig ist noch nicht alt.“ Aus Kinderaugen starrt er mich an. „Weißt du, ich hab doch noch nie Sex gehabt“ murmelt er. „Es gibt wichtigeres im Leben“ Die altkluge Rolle fängt an mir zu gefallen. „Zum Beispiel, ob du noch Hunger hast?“ Rene nickt zaghaft. Er wirkt müde.

Ich packe die feuchte Wäsche in einen Sack und wir gehen wieder nach oben. Nachdem ich die Sachen zum Trocknen aufgehängt habe, inspiziere ich den Kühlschrank. „Brot oder Pudding? Mehr hab ich leider nicht hier.“ „Pudding“ murmelt Rene, der nun am Balkon sitzt. Also rühre ich Puddingpulver mir etwas Zucker und kalter Milch an, erhitze die restliche Milch, die sonst nur die Katze trinkt, im Topf. Wenige Minuten später steht dampfende Vanillecreme am Tisch. „Magst du etwas Himbeersirup dazu?“ Rene nickt wieder und schaufelt Pudding in sich hinein.

In der Zwischenzeit durchstöbere ich oberflächlich Gretes Zimmer, irgendwo muss sie eine Menge Kinderbücher lagern, falls ihre Patenkinder zu Besuch kommen. Ich finde nur „Wo geht’s hier nach Panama“ von Janosch. Das mochte ich früher selber gerne.

Rene wankt vor Müdigkeit als ich ihm die Gästematratze vorbereite. Er kuschelt sich an das geblümte Kissen und lauscht mit kindlicher Hingabe der Geschichte, die ich ihm vorlese. Bereits nach drei Seiten ist er eingeschlafen.

Er träumt unruhig, dreht und wendet sich, schlägt um sich, einmal ruft er „Mama“. Ich finde noch lange keinen Schlaf.

Am späten Vormittag muss ich zur Arbeit, Rene nehme ich bis zur letzten Haltestelle mit. Dort wo wir uns gestern getroffen haben. „Nochmal kannst du nicht bei mir bleiben, aber wenn du mal in Schwierigkeiten steckst, ruf mich an.“ Zumindest das kann ich ihm anbieten. Er schenkt mir zum Abschied ein Feuerzeug, das aussieht wie eine Pistole.

Ich erzähle meiner Arbeitskollegin von der vergangenen Nacht. Sie schreit mich an. Ob ich komplett den Verstand verloren hätte. „Die können dich wegen Verführung Minderjähriger drankriegen“ brüllt sie. „Dass du dich überhaupt mit solchem Gesindel abgibst. Aus dem wird doch nie was.“
„Natürlich nicht. Weil solchen Kindern keiner eine Chance gibt. Aber vielleicht hat er nun wenigstens eine schöne Erinnerung.“ Die Kollegin zetert und schimpft und ist den Rest der Woche nicht gut auf mich zu sprechen. Es ist ohnehin meine letzte Woche hier.

Ich erzähle niemandem mehr von dem Jungen oder davon, dass ich glaube, seinen Vater gesehen zu haben, einen alten, dicken, schäbigen Mann, mit unzähligen geplatzten Äderchen auf der Nase, wie es bei Säufern oft vorkommt, der das Lokal betrat und mich beobachtete. Er trug den selben Pullover wie Rene.

Die Kollegin erzählt mir später, als ich bereits die Stadt verlassen habe, Rene sei immer wieder an die Bar gekommen und habe nach mir gefragt, anfangs hätte er jedesmal eine Rose dabeigehabt. Irgenwann reisse ich die Brücken hinter mir vollends ab, zuviele Erinnerungen die ich nicht haben möchte.

Es dauert fünf Jahre bis ich zurückkehre, beruflich, kurz nur. Ich spaziere abends am Fluss entlang, als mich ein junger Bursche anspricht. Das Übliche. Ob ich Drogen kaufen möchte. Ich erstarre. „Rene“ sage ich mit einer Bestimmtheit, die mich überrascht, ich hatte nicht gewusst, dass ich nach all den Jahren seinen Namen noch kenne. „Du bist die Puddingfrau!“ antwortet er verwundert, doch ohne Zögern. Nun ist er ehrliche sechzehn.

Ich gehe weiter, betrete das erstbeste Lokal und betrinke mich.

Donnerstag, 31. Mai 2007

deus ex machina

Sie war alleine in diese fremde Stadt gekommen. Ihre Kleidung war durchnässt und sie fror. Ohne genaues Ziel lief sie zwischen den Betonruinen eines ehemaligen Industrieviertels umher, hungrig und müde. Vor ihr eine aufgelassene oder vielleicht nie in Betrieb genommene U-Bahnstation. Sie stieg die Stufen hinab, auf der Suche nach einem trockenen Platz um auszuruhen.

“Bleiben sie stehen!“ Eine Militärpatrouille, etwa zwanzig Mann, die Maschinenpistolen geschultert, versperrte ihr unvermittelt den Weg. Sie wich einen Schritt zurück, spielte kurz mit dem Gedanken davonzulaufen. „Was haben sie hier zu suchen?“ Sie konnte keine Antwort darauf geben, sie wusste nicht einmal, wie sie überhaupt hierher in diese kalte Stadt gelangt war. „Hände an die Wand und Beine breit!“ bellte ein Soldat. Zögernd kam sie dem Befehl nach. Grobschlächtige Hände tasteten unsanft über ihren Körper. Von irgendwoher hörte sie ein anzügliches Lachen. Sie war kein zorniger Mensch, auch nicht besonders leichtsinnig, doch plötzlich stieg Wut in ihr hoch. „Was hab ich denn verbrochen, dass ich hier festgehalten und betatscht werde ?! Ich will sofort wissen wer ihr diensthabender Kommandant ist!“ Die Menge teilte sich und ein untersetzter Mann mit kahlgeschorenem Schädel trat nach vor. In dem Moment wünschte sie, sie hätte nicht auch noch gebrüllt „...ich will zumindest seine verdammte Dienstnummer!“. Der Mann hatte mitten auf seiner Stirn ein Hakenkreuz tätowiert. In seinem Blick lag Wahnsinn. Er musterte sie eingehend, spuckte verächtlich, dann lachte er aus vollem Halse. „Ich habe das Kommando. Nicht nur über diese Einheit, sondern über die ganze Stadt. Über die gesamte Stadt wurde eine Ausgangssperre verhängt. Einen Verstoß dagegegen werde ich nicht dulden.“ Er zog ein zerknittertes Päckchen Zigarretten aus der Brusttasche seiner Uniform, zündete sich eine an, nahm ein paar tiefe Züge bevor er weitersprach: „Natürlich könnte ich dich gleich hier erschießen. Aber wo bleibt da der Spaß für uns? Ich will deiner angsttriefenden Spur folgen, dich jagen bis du um Gnade winselst, bis du dir wünschst, dass ich dir endlich die Pistole an die Schläfe setze und dich von deiner Qual erlöse. Vivere est militare! Also lauf, wir werden uns bald wieder sehen!“.

Und sie lief. Ohne zurückzublicken hastete sie über Treppen, durch leere Gänge, vorbei an zerborstenen Fensterscheiben, eingestürzten Mauern, durchquerte einen stillgelegten U-Bahnschacht. Der Geruch von Ratten, Fäulnis und Tod lag hier überall in der Luft. Fluoreszierende Schimmelpilze spendeten kaum wahrnehmbares fahles, krankes Licht. Regenwasser sickerte durch unzählige Risse im Stahlbeton. Ihr Puls raste. Sie stolperte und erbrach sauren Schleim. Irgendwann gelangte sie aus dem Tunnelsystem hinaus in die bedrohliche Düsternis der herannahenden Nacht.

Graue Häuserschluchten ringsum. Heerscharen von olivgrünen Gefolgsleuten entrollten stumm Transparente mit SEINEM Bild. Die Straßen wie leergefegt. Der Alltagslärm war dem Prasseln des eisigen Regens und dem Klang schwerer Stiefel im Gleichschritt gewichen. Vereinzelt flackerten Leuchtreklamen und tauchten das Viertel in das Schwarzlicht einer Totendisco.

Ähnlich einem panischen Nagetier mied sie offene Plätze und suchte geduckt Zuflucht in den Schatten baufälliger Häuser. In einer dunklen Seitengasse zwängte sie sich in den Spalt hinter einem Müllcontainer. Der Himmel über der Stadt war erfüllt vom Brummen aberhunderter Rotorblätter. Suchscheinwerfer ließen die Umgebung für kurze Momente taghell erscheinen. Sirenen heulten unentwegt. Sie wusste nicht woher sie kam und wohin sie wollte.

Sie lugte aus ihrem stinkenden Unterschlupf hervor. An einem Gebäude auf der anderen Straßenseite lag eine rosa Neonschrift in den letzten Atemzügen. „GAY SEX SHOP“. Ein unausgereifter Gedanke stieg in ihr hoch und mobilisierte die wenigen verbliebenen Kräfte. Sie rannte.

Die Eingangstür des Shops war unversperrt. Sie tastete nach einem Lichtschalter, hielt dann jedoch inne und durchwühlte ihre Taschen auf der Suche nach Feuer. Die kleine Flamme spendete gerade so viel Licht, dass sie das Chaos ringsumher wahrnahm. So als hätten die Besitzer eilig das Weite gesucht. Einen Rollständer behängt mit Nietengürteln und Ledermasken schob sie hektisch zur Seite. Das Gefährt stieß gegen ein Wandregal und löste ein Dildodominospiel aus - Kartons mit genoppten, eingefärbten oder abnorm großen Kunstschwänzen stürzten donnernd hinter ihr zu Boden, während sie sich den Weg in den rückligenden Teil des Geschäftes bahnte. Dort fand sie wonach sie suchte: Hastig wühlte sie sich durch Polizeiuniformen und Bomberjacken. Die sengende Hitze das Feuerzeuges hatte ihre beiden Daumen in schwelende Fleischklumpen verwandelt. Ihr Griff war unsicher, doch vor Erschöpfung spürte sie keinen Schmerz mehr. Mühsam entzifferte sie im Halbdunkel die Kleidergrößen auf den Ettiketten.

Sie schlüpfte aus ihren schmutztriefenden, nassen Kleidern und begann ein Baumwollhemd in Streifen zu reißen. Sie war zwar nicht besonders groß, aber ihre Schultern waren für eine Frau ungewöhnlich breit, ihr Becken dafür schmal und auch ihre Stimmlage sehr tief. Sie würde also ohne weiteres als junger Mann von kleinem Wuchs durchgehen. Mit den Stoffstreifen bandagierte sie ihren Busen so fest, dass es ihr ins Fleisch schnitt und zog dann eine der Militäruniformen über. Am Kassentisch fand sie ein paar Handschellen und eine Taschenlampe. Die Registrierkasse stand offen, jemand hatte sie in aller Hast geleehrt, in einem unteren Fach lagen allerdings noch einige wenige Geldscheine.

Sie fand nichts mehr das von Nutzen für sie gewesen wäre und verließ den Laden. Ihr Blick fiel auf die trüben Schaufenster in denen sie sich spiegelte. Ihr Äußeres wirkte täuschend männlich, bis auf die strähnigen langen Haare.

Sie schlich durch einige Seitenstraßen, immer im Schutz der Mauern, voll der Angst entdeckt zu werden. Alles was sie hörte war Krieg, vereinzelte Maschinengewehrsalven und der höhnische Motorenlärm von kreisenden Helikoptern. Niemand der bei Verstand war, befand sich um diese Zeit hier draußen, selbst die streunenden Hunde und Katzen schienen verschwunden. Nur Ratten und Soldaten.

Vor einem heruntergekommenen Friseursalon machte sie Halt. Die Fenster waren von innen her zugeklebt, kein Laut drang heraus. Dennoch klopfte sie heftig gegen die Scheiben. Sie hörte ein Schaben, als jemand versuchte, die Wellpappe zur Seite zu schieben um herauszuspähen. Ein alter Mann in einer weissen Schürze öffnete vorsichtig die Tür einen Spaltbreit, betrachtete sie lange und ließ sie schließlich ein. Sie folgte ihm. Der langgezogene Geschäftsraum war schäbig und abgenutzt, an der Wand hingen beinahe blinde Spiegel und abgegriffene Schwarz-weiß Fotografien von längst aus der Mode gekommenen Frisurenmodellen. Im hinteren Teil des Raumes standen einige Trockenhauben, Relikte einer vergangenen Zeit. Shampoos und Haartinkturen in dunkelbraunen Glasflaschen stapelten sich an den Wänden und auf einem kleinen Tischchen stand ein Gefäß mit Rasierschaum, Pinsel und Rasiermesser. Erst jetzt bemerkte sie, dass auf den Friseurstühlen einige alte Damen mit ungeheuerlichen Fönfrisuren kauerten. Manche wimmerten, andere wippten beständig auf und ab, als würden sie sich selbst in den Schlaf wiegen. Niemand sprach ein Wort. Im Hintergrund lief ein antikes Fernsehgerät ohne Ton und strahlte Propagandabilder in den Raum. „Sie müssen mir die Haare scheren“ bat sie. Der alte Mann hieß sie Platz nehmen. Mit einer rostigen Schere stutzte er ihre fettigen Locken streichholzkurz, dann schäumte er ihren Kopf ein und kratze ihr bedächtig mit dem Rasiermesser über den Schädel. Mit einem alten Frotteetuch polierte er die Glatze und ein zaghaftes Grinsen huschte über seine eingefallenen Mundwinkel. Ihr Blick glitt hinüber zum Spiegel und sie erschrak, so komplett war die Verwandlung.

„Wir wissen wer sie sind“ sagte er „die Nacht über können sie hier bleiben, doch dann möchte ich dass die verschwinden.“ Er schlurfte hinüber zu einer kleinen Tür, verschwand in einem Hinterzimmer und kam erst einige Zeit später wieder, mit einer Tasse Tee und einem Teller voll Keksen. Dankbar nahm sie die Mahlzeit an, lehnte sich in eine Mauernische und fiel dann in einen unruhigen Schlaf voll nächtlicher Schreckgespenster.

Als sie erwachte, war sie alleine. Jemand hatte sie mit einem Friseurkittel zugedeckt, ihr zuvor noch die Schuhe ausgezogen und mit Zeitungspapier ausgestopft zum Trocknen weggestellt. Neben ihr stand ein Glas Milch, ein neuer Teller mit alten Keksen und ein Zettel mit der ungelenken Aufschrift: „Verlassen Sie sofort die Stadt.“

Sie trank die Milch mit einem gierigen Schluck, steckte die Kekse in eine der Uniformtaschen, schnürte ihre Stiefel und kehrte dem Friseurladen den Rücken zu.

Es war ein grauer Morgen, trüb und traurig, wenige Menschen streiften mit gehetztem, ängstlichem Blick durch die Straßen. An allen Ecken patroullierten Militärstreifen. Manchesmal erbebte der Boden, als würden Panzer ganze Häuserblocks niederwalzen. Der Geruch von Feuer war allgegenwärtig.

Unter Tags zweifelte sie an ihrer Tarnung. Zwar war sie unter Brüdern aufgewachsen und hatte sich stets bemüht derern Gang zu imitieren, diese Erinnerung stieg unvermittelt aus dem Dunkel ihres Gedächtnises an die Oberfläche, aber nun fühlte sie sich zu ängstlich und allein. Sie versuchte selbstsicher zu marschieren ohne dabei Aufmerksamkeit zu erregen, kratzte sich, wenn sie es für nötig hielt im Schritt und zwang sich nicht bei jeder Gelegenheit ihr Spiegelbild in den Fenstern der toten Stadt zu betrachten. Sie wusste nicht wie sie die Kontrollstützpunkte umgehen sollte um hinaus aufs Land zu gelangen. Verstohlen beobachtete sie die marschierenden Soldaten und die gebückt huschenden Zivilisten.

Sie musste in eines der Zentren des öffentlichen Verkehrs, um hinauszugelangen, dessen war sie sich sicher. In den meisten Städten liegen Bahnhöfe eher ausserhalb des Stadtkerns. Gleichzeitig würden aber dort die Kontrollen am strengsten sein. Sie war zu müde um Pläne zu schmieden, zu verzweifelt um abzuwägen was richtig und was falsch sei. Niemand schenkte ihr - dem jungen Soldaten - Beachtung. Sie lies sich treiben, folgte Straßen deren Verlauf sie nicht kannte und gelangte nach stundenlangem Marsch tatsächlich zum Hauptbahnhof. Dort luden hunderte, vielleicht sogar tausende Soldaten schweres Kriegsgerät von den eintreffenden Zügen, schleppten Kisten mit Munition und Ausrüstung. Die militärische Ordnung die überall sonst herrschte, war hier einem regen, aber nicht immer planmäßigem Treiben gewichen. Sie nutzte die allgemeine Hektik um in einen der entladenen Güterzüge zu klettern. Ihre Angst hatte sich in Wahnwitz verwandelt.

„Was zum Teufel machst du hier, Junge?“ brüllte ein Soldat der den Waggon inspizierte und zwang sie auf die Beine. In diesem Moment wusste sie, sie würde sterben. Oder erst vergewaltigt werden und dann sterben. Mit vorgehaltener Maschinenpistole befahl er ihr, sich an die Wand zu stellen und wollte beginnen sie zu durchsuchen. „Bevor sie anfangen mich zu filzen, möchte ich gleich mal eines klarstellen“ keuchte sie „bei mir werden sie ein paar essentielle Teile nicht finden.“ „Was meinst du mit essentiellen Teilen, du kleiner Klugscheißer?“ keiffte der Soldat und lief vor Wut rot an. Spuckefäden verunstalteten seinen Schnauzbart. „ Ich hatte Hodenkrebs. Wenn sie mich also durchchecken, werden sie bemerken, dass mir da unten einiges fehlt. Verdammt, ich hatte eine Totalamputation. Wissen sie was es heißt, wenn der Spruch „Der hat keine Eier“ plötzlich auf einen zutrifft? Sie können mich gern hier und jetzt erschießen, weil ich nichts mehr hab, was mein Leben lebenswert macht. Ich bin ein schwanzloser Looser!“.

Der Soldat wurde bleich. Er ließ die MP sinken. Mitleid, auch Abscheu lag in seinem Blick, als er kehrtmachte...

seltsam, welche nächtlichen bilder das hirn manchmal ausspuckt. nach diesem traum griff ich vorsichtshalber zum fieberthermometer. heute bin ich mir fast sicher, ich habe damals unsere geschichten vermischt und auch ein stückchen für diesen sehr geschätzten menschen mitgeträumt.

Mittwoch, 23. Mai 2007

something in the way

Ich ertrage sie nicht, diese Spaßgesellschaft. Nicht heute. Dafür bin ich zu nüchtern und ernsthaft. „Bleib doch noch ein bisschen.“ Ich schüttle den Kopf, um meine Gedanken zu entwirren. Der Kloß im Hals drückt auf die Atemwege. Ich muss an die frische Luft. Den Mond anheulen. Später. Daheim dann. Vielleicht.

Wahllos krame ich nach den schillernden Scheiben, die meine Gefühle sind, und schiebe irgendeine in den CD-Player. Ewig nicht mehr gehört. In der Stimme liegt all die Traurigkeit, die Wut, die Müdigkeit und Langeweile, die mich begleiten.

Am Parkplatz liegt ein überfahrener Igel. Er hat gesagt, ich sei niedlich aber stachelig und mich deshalb Igelmädchen genannt.

An der Bushaltestelle steht ein PKW. Unbeleuchtet. Einfach so. Ein Mann kauert davor. Ich wende. Ansprechen, berühren, Schmerzreiz zufügen. Wie in der Liebe eigentlich. Er fühlt sich kühl an, zeigt keine Reaktion.
Ich rufe die Rettung. Sein Atem riecht nach Alkohol. Plötzlich sieht er mich an, mit seinen wässrigen, toten Augen. Josef heißt er, sagt er. „Und wer bist du?“ Wenn ich das nur wüsste. „Heute mach ich dem allen ein Ende“ lallt er und schneidet sich mit der Hand die Kehle durch. Seine Beine ragen auf die Fahrbahn. „Ich hab nichts mehr zu verlieren.“

Eine schwarze Katze huscht ins Gebüsch, ein Taxi fährt an uns vorbei.

„Hast du eine Zigarette?“ ist sein letzter Wunsch, bevor er nach hinten sackt. Ich zieh ihn wieder hoch. Er murmelt vor sich hin. Alles Geld hat er verspielt, sagt er und kramt in seinen Taschen, wirft mir zwei Münzen hin. „Die brauch ich nicht mehr“
Mit belanglosem Geplauder halt ich ihn wach, plappere und schnattere gegen die Nacht an.

Den Führerschein haben sie ihm genommen und seinen Saufkumpanen gleich dazu, erzählt er. Ein Rettungsfahrzeug biegt um die Kurve, hält vor uns an. „Kein Fall für euch, wahrscheinlich“ sage ich. „Kommen sie mit?“ schlägt der Sanitäter vor. „Wohin?“ fragt der Mann. „Zum Ausschlafen“ „Nein!“ sagt der Mann.
Ein zufällig vorbeifahrender Streifenwagen zeigt Interesse. „Lasst ihn doch hier. Das Auto ist abgesperrt.“ Man entlässt mich von meiner Bürgerpflicht.

Mein Blick mäandert oder meine Gedanken oder die Straße. Ein Dachs trottet gemächlich neben dem Zebrastreifen.

Ich brauche einen schnellen Kick. Kohlehydrate, Fett, irgendwas das glücklich und vergessen macht. Der Drive-In hat bereits geschlossen. „It's okay to eat fish 'cause they don't have any feelings“ singt die Stimme meiner Jugend.

Wie gern wär ich ein Fisch. Papperlapapp. Gefühlsduselei. Never mind.

Donnerstag, 19. April 2007

reality check

„Welche Medikamente nehmen sie?“ hat man mich zuallererst gefragt. „Aspirin.“ Ich bin ja nicht verrückt. Dabei sind mir die Irren am Liebsten. Da weiß ich woran ich bin.

Man braucht ein wenig Übung um es auf Anhieb zu erkennen, ausser bei denen die schon ganz grau sind. So grau wie die Linoleumböden der Klinik. Wollen nicht auffallen. Mimikry. Insekten, die aufgeschreckt durch die Flure huschen, wenn morgens Kunstlicht ihre vertrauten Schleichwege flutet und der Frühstückscontainer hereingerollt wird. Wer zu lange Zeit hier drin verbringt, bleicht aus. Die Neuen, die, die sich auch in der Welt draussen noch zurecht fanden, erkennt man daran, dass ihre fiebrigen Augen langsam trüb werden. An den Augen erkennt man sie immer. Blinde Spiegel an denen die Wirklichkeit der anderen abprallt. Alice im Wunderland und was Alice hinter den Spiegeln fand.

„Die Schlangen, die Schlangen, sie werden mich töten!“ schreit die Psychose und springt zitternd aus dem Bett, eingewickelt in durchgeschwitzte Decken. „Geh wieder schlafen“, sage ich zum Dürüm, „ich beschütze dich. Wenn sie nochmal kommen, dann ruf mich und ich erschlag die Viecher.“ Nachts kriecht Gewürm aus ihren Träumen und erdrosselt sie, unter Tags sitzt die unsichtbare Freundin ihr im Nacken. „Der will dich doch nicht. Der heiratet dich nicht. Niemals. Du bist viel zu hässlich. Amina koyayim! Amina koyayim! Ach, fick dich doch!“

Der Groschenroman streift die Trachtenjoppe glatt und zupft an imaginären Fäden. Nerven verloren - irgendwo zwischen Stall und Kirche. Schuld und Sühne und Pelargonien. „Dreckige Sau“ sagt sie zu ihrem Abbild und seift ihr Gesicht ein. Ihr Kurschatten ist groß gewachsen, breitschultrig, ein ganzer Kerl. „So wie der Jaques“ seufzt die Gebirgsromantik „Mein Mann wird gleich anrufen, was mach ich nur? Ich muss den Hans nochmal sehen. Ich liebe ihn. Ich liebe ihn. Ich hab auch den Jaques geliebt. Ich bin ein schlechter Mensch. Ein schlechter Mensch. Eine richtige Drecksau!“ Sie wäscht sich rein von allen Sünden bis ihre Lippen bluten.

Die Schwestern und Pfleger sitzen in ihrem Glaskasten, wie Menschenaffen im Zoo. Ich müsste lachen, wenn einer von ihnen Bananen äße. Manchmal verspüre ich den Drang gegen die Scheibe zu klopfen, nur um zu sehen was passiert. Wahrscheinlich würden sie es gar nicht bemerken und unbekümmert weiter Datenblätter ausfüllen, Kaffee trinken oder in Illustrierten blättern. Insanity is a full-time-job. Die alte Matrone hängt an der Infusion, die ihr eine Kollegin gelegt hat. Bandscheiben. Der dürre Schnurrbart spielt Karten mit der kleinen Brünetten. Ausgelatschte Birkenstocksandalen sind unsexy. Manche Phantasien werde ich nie verstehen. Im Schwesternzimmer nichts Neues.

Geier Wally kehrt von ihrem Ausgang zurück. Mit glühenden Wangen, brennenden Schandmalen. Ihr Mann hat vorhin angerufen, ich habe behauptet sie würde schlafen. Er wird es später sicherlich nochmal versuchen, dann muss ich nicht mehr lügen. Mir bleiben genau zwölf Minuten um sie wieder aus der Dusche zu zerren und ihr das Nachthemd überzustreifen, bevor die chemische Keule sie niederstreckt. Die Pfleger haben anderes zu tun.

Noch eine Runde um´s Kukuksnest fliegen. Wer Zigaretten hat, hat Freunde. Sie ernähren sich davon. Und von den bunten Pillen, die die Schwestern verteilen. Portionierte Realität. Morgens, mittags, abends. All that measuring of truth. Dazwischen gesüßter Tee aus stählernen Kanistern.

Die Marienerscheinungen gehen zu ihm oder zu ihr und haben wahrscheinlich Sex. Borderline ist aufgedunsen, ihr Haar schütter und fettig. Sie sitzt in eine Ecke gekauert und saugt an einem Zigarrettenstummel. Ihr linker Arm ist verbunden. Sie hat sich gestern Nacht die Pulsadern aufgeschnitten, diesmal mit einem zerbrochenen Zahnputzbecher. Die scheintote Depression kommt von der Elektroschockbehandlung zurück. Ihr Gesicht ist so vergilbt wie die Wände des Raucherraumes. Für gewöhnlich dauert es eine halbe Stunde bevor sie wieder sprechen kann, bis dahin raucht sie stumm.

Der nette Junge von nebenan bringt mich zum Lachen. „Erst dachte ich, ich könnte Gedanken lesen. Das war cool. Dann haben sie mir gesagt, ich höre Stimmen weil ich schizophren bin.“ Ein scheuer Gnom kauert auf der Bank. In einigen Historienfilmen hat er mitgespielt, sogar einer Hollywoodproduktion, als Statist. Wann immer besonders hässliche Kreaturen gebraucht wurden, haben sie ihn gebucht. Er engagiert sich in der Freichristengemeinde, seine Ehe ist gescheitert. „Du trauriges Männchen. Versager!“ hat seine Frau gesagt, da hat er ihre Schlaftabletten geschluckt. Warum gerade die Verzweifelten so oft religiös werden? Oder verzweifeln die Religiösen?

Die Schlangenfrau durfte über Nacht zu ihren Eltern. Die Depression ist beim Herrn Johann. Borderline war vorgestern dort.

„Im Himmel und auf Erden, Gottvater soll gepriesen werden.“ hört man den monotonen Singsang des Alten, der tagein, tagaus seine Runden durch die Allee der Klinik dreht, durchs Fenster dringen. Ein klarer Fall. Doch man wird vorsichtig. Norm und Wahn, alle tragen sie Straßenkleidung.

Anfangs dachte ich, der Herr Johann wäre einer von ihnen. Er saß bereits da, als ich das erste Mal den Raucherraum betrat. Darin rotten sich all jene zusammen, die auch nach der Abendmedikation noch lebendig sind. Bis ihn ein Stationspfleger gebeten hat, endlich zu gehen, da wusste ich es plötzlich. Polizist war er, der Herr Johann, Hundestaffel. Er ist groß und üppig und insgesamt imposant.

Wir sind von einer verwandten Art. Es gibt keinen geheimen Gruß, kein verschwörerisches Zwinkern zwischen uns und trotzdem bin ich sicher, dass er es auch weiß.

Der Herr Johann, der ist kein Patient. Er ist wie ich nur auf der Suche. Wir gehören beide nicht hier her. Er nimmt sich die selbstlosen Mädchen mit nach Hause, die, die nicht mehr zu sich finden. Und ich, ich werde noch eine ganze Weile hier drin bleiben und sie beobachten, die Verzweifelten und Gestrandeten. Das rückt meine Sicht der Dinge wieder zurecht - ich nenne das Reality check.

Mittwoch, 11. April 2007

alltagstragödien - don`t worry, be happy

der vater trinkt bier. der sohn limonade. er heißt kurt. der sohn. "ich fahr gern nach graz. an den schwarzlseen da gibt`s nette frauen. mit denen kann man sich wenigstens unterhalten" sagt der vater zu dem typen in der kunstlederjacke, die aussieht wie ein formel 1 rennauto zum anziehen.

"ich wünsch mir halt eine nette. eine mit der man alles teilen kann. du bist auch allein, oder?" die jacke nickt und trinkt bier "na, dann gib mir mal deine nummer, dann fahren wir im sommer gemeinsam hin. grillen oder so." "darf ich mitfahren?" sagt kurt, "das ist nix für kinder" der vater.

kurt schmollt. "don´t worry, be happy" sagt der vater und trinkt bier. "mit meiner ex-frau, das hat ja nicht funktioniert. ich seh den kurt nur am wochenende. eigentlich hätte ich gern das sorgerecht. er will ja gar nie weg von mir. wenn ihn die ex vom bahnhof abholt, dann weint er immer. das hat doch was zu bedeuten!"

der vater trinkt bier. "du willst doch gar nicht zur mama, du wärst doch viel lieber bei mir!" sagt er zu kurt. "don`t worry, be happy" sagt er ausserdem.

"meine eltern sind seit fünfunddreissig jahren glücklich verheiratet." sagt der biervater zu der bierjacke "und deine?". "dreissig jahre, auch glücklich" sagt die jacke und zündet sich eine zigarette an.

"sie ist halt ungarin. sie ist schon sauber und so. er will ja gar nicht zu ihr. er weint dann immer ganz fürchterlich, wenn sie ihn abholt." sagt der vater zur jacke, zu kurt sagt er: "du hast mich viel lieber als die mama, stimmt`s?" "don`t worry, be happy." sagt er ausserdem.

kurt hält sich an seiner limonade fest. "weisst du" sagt der vater zur jacke und trinkt bier "ich bin ganz allein." "ABER DU HAST DOCH MICH!" heult kurt. "das ist was anderes" sagt der vater und "don`t worry, be happy."

er steht auf und hebt das gepäck von der ablage. kurt schluchzt. "er will ja gar nicht zu ihr." sagt er zur jacke, zu kurt sagt er " was sag ich dir immer? don`t worry, be happy!"

kurt schluckt rotz. "papa, was heißt eigentlich: don`t worry, be happy?".

Samstag, 7. April 2007

seelenspiegel

10

„Manchmal“, sagt sie „schneide ich Zwiebel nur um weinen zu können.“ Ein Zigarettenstummel klebt an ihren rauen Lippen. Sie beugt sich über das Waschbecken, zieht den Lidstrich nach, bläst Rauch gegen den Spiegel.

Sie sieht ein bisschen so aus wie man sich Darstellerinnen in französischen Avantgardefilmen vorstellt. Das schwarze Haar trägt sie kurz. Wenn sie nachdenkt sieht man die die Furche, die quer über ihre Stirn verläuft. Meist wirkt sie ernst, ihr Lachen aufgesetzt. Wenn sie glücklich ist schreckt sie vor mir zurück, dabei ist sie in diesen seltenen Momenten sehr schön. Ihre Augen verändern sich dann, werden bunter.

"Rauchen lässt ihre Haut altern“ sagt sie und blickt auf ihre sehnigen Unterarme, dabei zieht sie die dünne Haut am Handrücken hoch, die Falten glätten sich nur langsam. „Als wär ich schwer dehydriert, obwohl ich drei Liter Wasser am Tag trinke, manchmal fünf. Aus Langeweile oder weil mich halbvolle Gläser nervös machen.“ Noch während sie spricht verdreht sie die Augen, fängt an ruckartig Luft zu schlucken, lässt sie dann lautstark wieder entweichen. „Nur Kumpel machen so was“ sagt sie und grinst verächtlich.

Sie räuspert sich, zieht Rotz in der Nase hoch, spuckt gelben Schleim in das Porzellanbecken. Die sämige Masse bahnt sich den Weg zum Abfluss. Sie steckt einen Finger in den Batzen, spinnt klebrige Fäden daraus. „Zähflüssiger Schmerz“ murmelt sie heiser und spült ihn mit warmem Wasser fort. „Was uns nicht umbringt macht uns nur härter. Und irgendwann bin ich dann so hart, dass ich mich in den Kurven des Lebens nicht mehr biege sondern breche.“ Sie zündet sich eine neue Zigarette an, steht eine Weile einfach nur still da.

Sie streicht über ihr Gesicht, betrachtet sich, dann hält sie inne, tastet nach dem Kajal der auf der kalkfleckigen Ablage liegt. Mit fahrigen Bewegungen malt sie einen Punkt genau zwischen die dunkel umrandeten Augen. „Bewusstsein ist ein Singular dessen Plural wir nicht kennen. Das hat ein Schrödinger gesagt, wahrscheinlich der mit der Katze und ich steh hier wie ein verdammter Affe.“ Sie greift nach einem Reinigungstuch, wischt damit über den Fleck, verschmiert Farbe überall auf der Stirn.

Ihre Hände gleiten über ihre Wangen. „Nur wenn man jemanden wirklich begehrt, dann berührt man ihn im Gesicht, streichelt seinen Nacken, zieht die Körperkonturen mit den Fingern nach. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob mich irgendwann mal jemand so angefasst hat.“ Asche fällt ins Waschbecken. „Sentimentale Scheiße!“ faucht sie plötzlich und wirft eine Zahnbürste nach mir. Wenn ich es könnte, ich würde sie umarmen, die Frau vor dem Spiegel.

privataudienz

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der pöbel unter sich

Ich finde die beamtenhaft...
Ich finde die beamtenhaft anmutende Pause in diesem...
bob (Gast) - 23. Dez, 10:14
Das ist doch unglaublich....
Das ist doch unglaublich. Glaub ich.
textorama (Gast) - 22. Sep, 17:11
Wohl eher ein naturhysterisches...
Wohl eher ein naturhysterisches Diorama. Die beiden...
textorama (Gast) - 22. Sep, 17:10
gemüsehunger, immer zur...
gemüsehunger, immer zur unzeit... längst licht aus...
p. (Gast) - 9. Aug, 04:03
gemüsefach hatte an dem...
gemüsefach hatte an dem tag bereits geschlossen.
MoniqueChantalHuber - 6. Aug, 07:58
auf n sprung ins gemüse?
auf n sprung ins gemüse?
p. (Gast) - 6. Aug, 03:56
klammern halten die großen...
klammern halten die großen scheine einfach besser zusammen.
MoniqueChantalHuber - 3. Aug, 16:08
Klammern anstatt Rettungsschirm,...
Klammern anstatt Rettungsschirm, sehr clever.
mq (Gast) - 2. Aug, 09:08
eine fabelnhafte idee.
eine fabelnhafte idee.
MoniqueChantalHuber - 1. Aug, 22:30
Ich überlege gerade,
ob es nett wäre, wenn sich könig egon ladislaus froschojewsky...
schreiben wie atmen - 1. Aug, 22:18

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Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09

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