Freitag, 6. April 2007

Inzest

Dem Hollywoodkonzept Liebe habe ich noch nie so recht getraut. Trotzdem hab ich mir in einsamen Stunden eine Vorstellung zusammengebastelt, davon wie ER sein soll. Erlösungsfantasien. Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund. In all den Geschichten über Prinzen auf stolzen Rössern, den Jungmädchenträumen, den Zuckerwattesehnsüchten kommt eines nie vor – was, wenn die Gänsemagd nicht die ist, die sich der Prinz erhofft? Eine weitere zerplatzte Traumblase später, bei der Frage angelangt, die mir nie zuvor in den Sinn gekommen war, hab ich ihn angerufen.

Wir begannen uns wieder regelmäßig zu treffen, auf neutralem Boden, im Schutze der Öffentlichkeit. In Kaffeehäusern, wo jeder Deckung hinter der Speisekarte suchen konnte, belegten nur Eckplätze, ein Stück feste, sichere Mauer im Rücken. Wir belauerten uns, stundenlang.

Als eine Besessene, auf der ewigen Suche, war ich in der fremden Stadt gestrandet. Unter Tags zu erschöpft um aufzustehen, nachts rastlos. Ein altes, muffiges Zimmer, ein schwarz-weiß Fernseher, frühmorgens amerikanische Heile-Welt-Zerrbilder in Möbiusschleifen, tagsüber olympische Konsumgedanken in winterweiß. An Wursttheken Worte wechseln, um das Sprechen nicht zu verlernen, Kondome kaufen, um die Menschen in der Supermarktschlange glauben zu machen, es gäbe noch andere Sozialkontakte, billige Kohlehydrate in mich hineinstopfen für peristaltische Orgasmen über der Kloschüssel – Vomito ergo sum. Irgendwann dann den Autismus in Schnaps auflösen, mich bei Lokaltouren an den Meistbietenden verkaufen. Life is a sexually transmitted disease. Gefangen in einer Verzweiflung die ihresgleichen sucht – dann bin ich über ihn gestolpert.

Er war nie ein Prinz. Er war immer nur Bauer. Fünf Bier und die Angst vorm Leben machten aus uns ein Paar. Zwei Ertrinkende, die sich aneinander klammern und gemeinsam untergehen.

Er, nach dem ich schlug und trat, wenn ich zuviel getrunken hatte, den ich nie küsste, vor dem ich mich ekelte und zu dem ich mich doch hingezogen fühlte, verachtete mich genauso wie ich ihn. Wenn wir unseren dunkelsten Trieben nachgekommen waren, lag er in meinen schweißnassen Armen, zitternd und wimmernd wie ein verwundetes Tier. Wir haben uns gebraucht.

Wir liegen auf seinem Sofa und hören Musik. Seine Springerstiefel teilen den Raum zwischen uns. Mit dem Schlagstock wirbelt er Staub auf. „Oh, eine Penisprothese?!“ sage ich und kichere, weil ich sonst weinen würde. Ich ziehe alles ins Lächerliche, um ihn, der niemals ausgelassen und fröhlich ist, zumindest zum Schmunzeln zu bringen. Verspotte ihn bei jeder Gelegenheit, die sich bietet, weil ich es sonst nicht ertragen würde, bei ihm zu sein. Die Rasierklingen des Damokles schweben über uns. Immer. Die Narben in den Ellenbeugen verbirgt er unter langärmligen T-Shirts, nur ich weiß, dass es sie gibt.

Ich hatte geträumt, er würde mich so fest umarmen bis ich erstickte. Nüchtern betrachtet war es genau so. „Du brauchst eine Mutter, keine Freundin“ sagte ich, nach irgendeinem zehnten Tequilla altklug geworden „Ich kann nicht diese Mutter sein, weil ich daran zugrunde gehe.“ Geblieben bin ich trotzdem. Weil er niemanden sonst hatte und weil meine Angst morgens aufzuwachen und dem Wahnsinn verfallen zu sein, verschwindet, wenn ich nicht alleine bin. Doch die Nächte waren unsicher. Ein zaghaftes Tasten zur anderen Seite, um mich zu vergewissern, ob er noch da war und nicht von mir gegangen. Ständiges Sinnsuchen. Das geschundene Wesen aufrecht halten. Bis zu dem Tag, an dem mich meine Kraft verließ und ich ihn. „Spring von dieser scheiß Brücke!! Bitte spring endlich, aber lass mich in Ruhe!!“ brüllte ich und nahm mir ein Taxi. Das Zittern hatte noch nicht nachgelassen, als sein Anruf kam: „Ich will mich nur verabschieden. Es rinnt schon.“ Dann blieb die Welt stehen.

Autopilot. 144. Wer? Was? Wo? Eine rotzerstickte Taxifahrt durch die Nacht. In seiner Wohnung Licht. Haben sie ihn gefunden? Taumeln durch die Dunkelheit. Beim letzten bisschen Verstand bleiben, irgendwie. Ein Krankenhaus. Warten. Im Kreis gehen. Im Kreis drehen. Morgengrauen. Plötzlich steht er vor mir und ich schreie, lauter als jemals zuvor, schreie alles hinaus in die düstere Stadt – die Angst, die Verzweiflung, den Hass.

Die Gefühle von damals sind immer gegenwärtig. „Wir haben uns nichts geschenkt“ sage ich „weder zu Weihnachten noch zum Geburtstag“. Ich grinse und er lacht sein gequältes, trauriges Lachen, nicht dieses diabolische, schallende Wiehern, das mich so abstößt. Er sieht mich an, fasst nach mir, eine zaghafte Geste, die ich abwehre. Ich setze mich wieder auf den grünen Campingstuhl, auf dem ich sonst immer sitze, sicherheitshalber. Die Grenze darf nie mehr überschritten werden. Wir rauchen, reden, die selbe alte Leier: unsere Kindheit, unsere Ängste, unsere Sehnsucht nach Beziehungen. „Ich habe nachgedacht, darüber was du für mich bist. Ich glaube, du bist so etwas wie die große Schwester, die ich nie hatte.“ „Ich seh dich ja mehr als meine Selbsthilfegruppe“ sag ich und weiß, dass er sich eine andere Antwort erhofft hat. Dann lasse ich ihn allein, bis ich ihn wieder brauche. Bevor die Tür ins Sicherheitsschloss fällt, drehe ich mich noch einmal um und tu ihm den Gefallen: „Adieu, kleiner Bruder“. Es klingt ungesund.

sms - balladen, dritter teil

mch vs. mm

Bescheiden sind die Verse die ich schmied
holprig und gar tölpelhaft,
Eure Bekanntschaft die ich stets mied,
ist’s, die mich plötzlich dichten macht,
denn wer nur in dreiteufels Namen
ist in der Lage solcherart
des Menschen Sprache einzurahmen?
Gewitzt, gewaltig und doch zart.
Potzblitz, nie hätte ich gedacht
den Meister je zu finden
der mich schlichtweg staunen macht
und mein Talent entschwinden.
Die Eloquenz, die Euch zueigen,
vor der zieh ich den Hut
und möchte mich verneigen,
verflixt, mein Herr, Ihr dichtet gut.

Bedauerlich und mir nicht klar,
weshalb Ihr mich meiden müsst
doch gleichauf schön und wunderbar,
dass Euch die Verse wach geküsst.
Sei’s drum, wohers kommt. Wertvoll, dass Es ist!
Wessen Meisterschaft s’ nun sei, ein jeder von uns anders misst.
Mögen Herz, das eigen Wesen, eigen Streben,
winden sich und scheuen-
das Wort, es hat sein eignes Leben.
Und ward es zu Papier gebracht, gibt’s nichts mehr zu bereuen.


Zwar seid Ihr mir gewiss recht teuer,
jedoch ein wenig ungeheuer.
Seid vieler Frauen Wangenröter,
ein Parvenü und Schwerenöter,
ein Jäger dem die Ehrfurcht fehlt vorm Wild,
der sammelnd seinen Blutdurst stillt.
Ihr seid ein Schelm und liderlich,
ein eitler Geck und widerlich.
Mich dünkt es ist noch nie gelungen,
dass jemand zu Euch durchgedrungen.
Es scheint als ob es gar nichts gibt,
das Ihr ganz wahrhaftig liebt.
Obgleich all dies nicht rühmlich scheint,
ist mein Bild besser als man meint.
Ja, ich scheue Eure Nähe
(wär lieber Sammler denn Trophäe)
doch bin ich Euch, den ich nicht kenne
und trotzdem einen Lumpen nenne,
in großem Maße zugetan,
was allein vom Geiste kam.
Denn selten findt’ man Menschenwesen,
die wortgewandt und so belesen.

Eure Worte malten mir ein Lächeln ins Gesicht.
Ihr kennt mich besser, als Ihr denkt,
so undurchdringlich bin ich nicht.
Zumindest nicht für Euren Blick-
Fassaden konnten Euch nicht trügen,
Ihr trugt sie sanft, doch sicher ab,
zu lesen in den tief’ren Zügen.
Und glaubt mir, viele waren nicht,
ob Geist ob Leib, in meiner Nähe.
Drum seid Ihr mir ein guter Stern-
und nie und nimmer die Trophäe.
Zu meinen Kostbarkeiten zähln mit Euch die Augenblicke.
Gedanken die mich leben lassen, wenn auf Reisen ich sie schicke.


Charmeur, grauslicher.

In`s Schwarze!


Mit Frauenherzen zartbesaitet
spielt Ihr eine Melodei
die lieblich klingt, doch stets begleitet
von kummervollem Wehgeschrei
Ihr wisst wie man die Saiten zupft
bringt Herzen schnell zum Schwingen
Ihr gehört geteert und dann gerupft
auf dass sie nie mehr singen
die vielen Maiden die erlagen
des Rattenfängers Spiel
und waidwund nunmehr klagen:
was zu viel ist, ist zu viel!
Ihr seid ein rechter Herzensbrecher,
Hallodri sondergleichen,
ein Minnesänger, Vielversprecher
und niemals zu erreichen.
Elender Teufel, lüstern Lurch
ihr lasst die Mägdlein schmoren
ihr seid böse durch und durch
`s ist Musik in euren Ohren
wenn sie um Euch weinen.
Ihr seid alls woran Ihr denkt,
ja man möcht gar meinen
ihr treibt dies Spiel nur zum Plaisir
ich wollt Euch nicht einmal geschenkt
Ihr seid kein Mann Ihr seid ein Tier.
Da ich dies sogleich begriff
spart Euch die Engelszungen
niemals hält Euer Würgegriff
mich je auch nur umschlungen.
Jedoch mein Herr, dies eine sag ich ehrlich:
ich wollt ich wär nur halb so dreist und ebenso gefährlich.

Geschätzte Maid, darf ich es wagen,
erneut um „senden“ anzufragen?
Denn Eure Worte, wild und wendig
erreichten mich nur unvollständig.
Ein Teufel hat die Reimgewalten
mir knapp zur Hälfte vorenthalten!
Skandal! Nochmal!

Nun wird mir der Prozess gemacht,
Ihr habt den Strick gedreht,
seid Ihr mein Henker, der da lacht,
nebst meinem Scheiterhaufen steht?
Geborst’ne Herzen wiegen schwer,
dagegen werd ich aufgewogen,
Reu zu zeigen nützt nicht mehr
(gut, gut, s’ wär ohnedies gelogen)
Verführer!
Er wird abgeführt.
Spieler!
Hat verspielt.
Gauner!
S’ hat sich ausgetrickst, mein Uhrwerk wird gestillt.
Noch einmal werd der Schelm ich sein
und mich als Frauenheld gebaren:
schenkt Euer schönstes Lächeln mir-
und lasst das Beil dann niederfahren.

der sms - balladen zweiter teil

mm vs. mch

Mich dünkt, heut haben Männerhelden
nichts zu tun und nichts zu melden?
Obschon ich gern die Klinge führe,
heut größre Lust ich gar verspüre,
des Spielmanns Feder schwertgleich schwingen,
statt Lindwurmhäuptern Vers’ darbringen.
Dein amazonengleiches Tun
lässt den Gedankensturm nicht Ruhn’
und erregt die Worte fließen,
aus Lenden, Mund und Fingern schießen!
Meine dunklen Augen sehen
Dich im Bestienblute stehen,
das Meinige zum Kochen bringen,….
moment….trotzdem werd ich nicht singen!
Denn Barden sind, von obn’ bis unten,
strumpfbehoste Männertunten.


Lass er`s doch endlich unterbleiben
die Wörterflut voran zu treiben!
Zwar ist es selten noch geglückt,
dass solcherart mich wer verzückt,
doch anderntags erwartet mich
noch mehr Gewürm, ganz sicherlich.
Auch klebt Monstrenblut mir noch am Leib
und bin ich doch ein reinlich Weib,
ich könnt kein andres mehr erhaschen
ohne mich davor zu waschen.
Das Bett aus Stroh such ich hernach,
dies ist das Letzte, das ich sprach.
Halt, nein, wie unverzeihlich rüde,
seht selbst, ich bin jetzt wirklich müde
und lass Euch ohne Dankwort stehen,
ich wünscht, das wäre nie geschehen.
Ich hoffe Ihr vergebt, verzeiht,
gedankt sei für das Wortgeleit.
Ich wär` durchaus darauf erpicht,
dass man sich einmal wieder spricht.

So geb ich mir nun rechte Mühe
und dichte schon in aller Frühe,
obgleich die Äuglein halb geschlossen,
füg Wort an Wort ich unverdrossen.
Mich lässt das Reimen nimmer los,
mein Herr, ich frag, was ist das bloß?
Mein Kopf ist voll von Märchenworten,
von Mythen, Sagen, Zauberorten.
Selbst nächtens, als ich arglos schlief,
wurd ich`s nicht los, es sitzt zu tief.
Es träumte mir von Ogern, Zwergen,
von dunklen Wäldern, hohen Bergen.
Alraunen gar und auch von Alben,
die sah ich plötzlich allenthalben,
auch Einhörner, doch ich versteh,
nicht warum grad ich sie seh.
S` heißt man braucht Jungfräulichkeit,
ein reines Wesen, recht viel Zeit.
Doch mangelts mir an allem Diesen
somit wäre ja wohl bewiesen:
Fabelwesen sieht man selten
ausserhalb geträumter Welten.

Wundersam.
Kaum rückgekehrt aus Nächtens Wiege,
wo ich noch schläfrig nieder liege
- doch mein Geist, wie der Geysir,
eruptiert und reimt mit Dir.
Wenig Schlaf hab ich gefunden,
hab panthergleich das Bett geschunden,
hieb Schrammen in die Dunkelheit
mit scharfen Blicken, lange Zeit.
Während Märchen dich umschlungen
ward mein Leib hart und gedrungen,
ich wurde selber zur Chimäre,
die Blut von Alb und Einhorn zehre,
die Deinen Traum wie schwarzer Sand
durchwehte, bis den Schlaf sie fand.
Nun schweb ich zwischen Hier und Dort
und schmiede weiter Wort um Wort.

Fürwahr, mich dünkt Ihr seid Poet
wie er in klugem Buche steht.
Selten traf ich einen Mann
der so herrlich dichten kann.
Die Tränen stehn mir in den Augen,
ich kann es selbst noch gar nicht glauben,
dass es gelang mich zu entzücken,
mit bloßen Worten zu beglücken.
Glückselig bin ich, frohen Mutes-
so tun gewählte Worte Gutes.

Bedenket:
der Quell an Worten ist geflossen,
weil Ihr es wart, die sie erschlossen!
Ihr allein habt es beschworen,
durch Eure Poesie geboren,
allein wärn’ meine Zeilen nur
Geröll – von Leben keine Spur.
Dürft ich Eure Tränen greifen,
Juwelen könnt ich daraus schleifen
und sie in meine Seele fassen…
zu Worten wieder wachsen lassen.
Durch Euch fand dieser Quell ans Licht.
Ich allein vermocht dies nicht.

insekt in sekt

insekt

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Ich finde die beamtenhaft...
Ich finde die beamtenhaft anmutende Pause in diesem...
bob (Gast) - 23. Dez, 10:14
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Das ist doch unglaublich. Glaub ich.
textorama (Gast) - 22. Sep, 17:11
Wohl eher ein naturhysterisches...
Wohl eher ein naturhysterisches Diorama. Die beiden...
textorama (Gast) - 22. Sep, 17:10
gemüsehunger, immer zur...
gemüsehunger, immer zur unzeit... längst licht aus...
p. (Gast) - 9. Aug, 04:03
gemüsefach hatte an dem...
gemüsefach hatte an dem tag bereits geschlossen.
MoniqueChantalHuber - 6. Aug, 07:58
auf n sprung ins gemüse?
auf n sprung ins gemüse?
p. (Gast) - 6. Aug, 03:56
klammern halten die großen...
klammern halten die großen scheine einfach besser zusammen.
MoniqueChantalHuber - 3. Aug, 16:08
Klammern anstatt Rettungsschirm,...
Klammern anstatt Rettungsschirm, sehr clever.
mq (Gast) - 2. Aug, 09:08
eine fabelnhafte idee.
eine fabelnhafte idee.
MoniqueChantalHuber - 1. Aug, 22:30
Ich überlege gerade,
ob es nett wäre, wenn sich könig egon ladislaus froschojewsky...
schreiben wie atmen - 1. Aug, 22:18

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Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09

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