Jahrelang darauf konditioniert, dass es ja der Arbeitgeber, der vom illegal Angestellten auch noch Rufbereitschaft einfordert, die diensttauschenwollenden Kollegen oder die betrunkene, beste Freundin in Not sein könnten, die einen spätnachts, frühmorgens und halt zu den, subjektiv betrachtet, unmöglichsten Zeiten aus dem Schlaf oder der Freizeit reißen, geht man also gewohnt pflichtschuldig ans Telefon, wenn es Samstag um 6 Uhr morgens klingelt.

Die Rufnummer anonymisiert, was mich im Wachzustand zu trotziger Rufannahmeverweigerung verleitet, doch der Schlaf nimmt noch zuviel Raum im Gehirn ein.

"Hallo, ich bin`s, der P." flüstert eine Stimme in mein linkes Ohr. Der P. klingt aber ganz anders. Ich bin verwirrt. Und warum sollt der P. mich jetzt noch anrufen?

"Vermisst du mich?"
Ich bin ein kleinwenig angeekelt vom vertraulichen Flüsterton des unzuordenbaren Menschen. P.? Welchen P. kenn ich noch? Und welcher der anderen Ps. meint so mit mir sprechen zu müssen?

"Wir haben grad ein bisschen gefeiert, da musste ich an dich denken, ich kann leider grad nicht lauter sprechen. Hörst du mich?"

Das heisere Krächzen, das mir Übelkeit bereitet, erinnert mich an den kehlkopfamputierten Möchtegernzuhälter, dem ich mal in einem Anflug von gutgläubiger Freundlichkeit und euphorischer Beschwipstheit 300 Euro geborgt hab, die natürlich nie retour kamen. Aber der stimmlose Fettsack hieß nicht P.

Die Halbschlafparanoia steigert sich zusehends. Wer um alles in der Welt ist dieser seltsame Mensch, der mir solches Unbehagen bereitet?

"Soll ich mich beschreiben?"

Nein, danke.

Ich lege auf. Es klingelt abermals.

Ja, was gibt´s denn noch?

"Du warst plötzlich weg. Wart´ ich geh in einen anderen Raum, ich ruf dich gleich nochmal an."

Die Pause ist zu kurz um der Verwunderung Herr zu werden, aber neugierig bin ich dennoch.

"Hörst du mich?" flüstert es aus dem Lautsprecher. Der Typ könnte Horrorfilme synchronisieren.

"Vermisst du mich?"

Nein. Ich weiß ja nicht mal wer du bist?

"Soll ich mich beschreiben?"

Langsam dämmert mir, mein Morgengrauen plant wohl ein sexuell gefärbtes Gespräch.

"Weißt du nicht mehr wer ich bin? Ich bin der mit dem Golden Retriever, wir haben die Hunde zusammen laufen lassen."

Ich überlege angestrengt, bevor mir klar wird, dass ich niemals mit einem Golden Retriever Besitzer näheren Kontakt hatte, ich mag die Viecher nicht und die dazugehörenden Menschen schon gar nicht. Und meine Telefonnummer würd ich nicht mal hergeben, wenn ich sie doch mal auswendig wüsste. Aber woher weiß er das mit den Hunden?

"Ich bin jünger als du."

Ich ahne langsam, dass es sich um ein Missverständnis handelt, ein nummerolgisches womöglich?

"Du hast mir erzählt, du wärest geschieden?!
Weißt du noch immer nicht wer ich bin? Soll ich mich beschreiben?."

Ich glaube hier liegt eine Verwechlung vor. Und nein, ich will nicht, dass du dich beschreibst. Lass den Scheiß.

"Na gut, dann lösch ich deine Nummer."

Ja bitte.

Von Kontaktlinsen geträumt, zu Recht:

Aliens gedenken Landung in der Normandie vor 65 Jahren.