Donnerstag, 8. November 2007

elende inkonsequenz in sachen apportierunwilligkeit *

Nun ist es also offiziell, ich zähle zu den etablierten Bloggerinen. Man hat gewissermaßen eine virtuelle Freundschaftsbekundung an mich herangetragen. (Die ersten, längst überfälligen, noch etwas zögerlich vorgetragenen Beischlafanfragen sind nun endlich auch eingetrudelt - wenn das so weitergeht bin ich nächste Woche wömöglich schon A-Blogger).

Eingedenk meiner poesiealbenbedingten Traumata wollte ich dies zuerst stillschweigend ignorieren, jedoch, wann sonst hat man schon die Gelegenheit seine Themen so hübsch portioniert vorgesetzt zu bekommen, ohne sich wochenlang grämen zu müssen, wie man wohl am Besten die Ereignislosigkeit und Tristesse des eigenen Daseins in aufregende Wortmäntelchen kleidet, damit zumindest in den drei sporadischen Mitlesern Neid und Mißgunst aufkeimen, ob der Brillianz der geschickt kaschierten Nichtigkeiten.

Nun denn:

Liest Du gerne?

Die Abwesenheit geschriebener Worte macht mich, im Gegensatz zum gesprochenen Wort, hochgradig nervös. Nicht zu sprechen ist mir im Extremfall bis zu zwei Wochen am Stück möglich **, nicht zu lesen bzw. die mangelnde theoretische Verfügbarkeit von Druckbuchstaben wird mir allerdings bereits nach wenigen Stunden zur Qual.

In Haushalten ohne brauchbares Lesematerial beginne ich in meiner Verzweiflung die Beipacktexte von frei zugänglichen Medikamenten, Zahnpasten, Duschgels und Hautlotionen zu studieren, schlimmstenfalls greife ich sogar auf Frauenzeitschriften zurück.

Aufgrund meiner stark eingeschränkten Konzentrationsfähigkeit lese ich trotz umfangreicher Auswahl auch in meinen eigenen vier Wänden kaum etwas anderes.

Früher, ja früher, da hab ich wirklich viel gelesen. Seit 16 Jahren halte ich den Schulbibliotheksausleihrekord. Ich war in jungen Jahren chronische Akkordleserin. Je nach Schwierigkeitsgrad liefen durchschnittlich ein bis zwei Bücher pro Tag übers geistige Fließband. Bevorzugt Erzählungen aus dem thematischen Umfeld der Artussage.

Konnte ich einst in jeder nur erdenklichen Lebenslage lesen, auch wenn ich etwa auf dem Heimweg von der Schule das eine oder andere Mal aus Versehen gegen einen Baum oder Laternenpfahl lief, vertieft in die Lektüre wie ich war, so ist mir diese Fähigkeit irgendwann abhanden gekommen. (Gegen Laternenmasten oder Bäume laufe ich jedoch immer noch, das gehört anscheinend unweigerlich zur Choreografie einer Traumtänzerin)

Die konsequentesten Leseerfolge, also mehr als fünf zusammenhängende Sätze pro Tag, erziele ich neuerdings auf recht ungewöhnliche Art - auf der ledernen Couch des Bekannten lümmelnd, während der außer Hauses ist, um nichtsahnend seinem Broterwerb nachzugehen. Wenn ich eine um die andere Zigarette am offenen Fenster des feudalen Salons rauche, hinausblicke auf die pulsierende Stadt mit ihren prächtigen Fassaden, mir den Morgenmantel gürte, mich fühle wie die junge Geliebte, die Muse und ein bisschen vom jüdischen Wien um die Jahrhundertwende träume, kommt die Freude am Lesen zurück.

Wenn ja, welches Genre?

In meinen Regalen verstauben Unmengen an Pferdefachliteratur, ein Überbleibsel aus asexuellen Zeiten. Aufbehalten aus sentimentalen Gründen, vorsichtshalber aus dem direkten Blickfeld potentieller Besucher geräumt.

Des weiteren gibt es die Sektion Grafik. Von Mangazeichenanleitungen bis zu ultraschicken, budgetbelastenden Bildbänden. Nicht das ich das alles brauchen würd – schaut aber cool aus.

Überhaupt ist Coolness und Vorführbarkeit, neben dem Preis - den Großteil meiner Schätze beziehe ich aus Abverkaufsramschkisten kleinerer Bücherein - ein ganz wichtiger Faktor bei der Bücherauswahl.

Man muß bedenken, dass es ja durchaus im Bereich des Möglichen wäre, dass sich irgendwann mal jemand in meine Wohnstatt, insbesondere das bücherbergende Schlafgemach, verirrt.

Die Zurschaustellung anspruchsvoller Literatur ist doch, seien wir uns doch ehrlich, in erster Linie reines Imponiergehabe.

Nicht zuletzt deshalb finden sich an strategisch wichtigen Stellen meiner Wohnung wie zufällig platzierte Bücherstöße, die Belesenheit signalisieren und auf das favorisierte Klientel aphrodisierend wirken sollen - Ein bisschen Dostojewski hier, ein wenig Tolstoi da, dort ein wenig Goethe und den Kant, ja, den drapiere ich stets so, dass er zwar beeindruckende Wirkung zeigt, mir im Falle eines zu eindringlichen Interesses an meiner (de facto nicht vorhandenen) philosphischen Bildung jedoch die Möglichkeit zu Ausflüchten bliebe: „Ach, den schlepp ich nun schon seit Wochen mit mir rum, aber ehrlich, ich versteh ihn nicht.“ (An dieser Stelle erzeugt der Bildungsposingartikel, der bei für nicht geeignet empfundenen Anwärtern zur Abschreckung eingesetzt wird, den höchst stimulierenden „kleines Mädchen, das sich zumindest bemüht“- Effekt – die sprichwörtlichen zwei Fliegen mit einem Klappdeckel!)

Es finden sich auch einige Fantasy-Bände in meinen Regalen, vornehmlich Vertreter der Klamaukschiene, insbesondere Terry Pratchett hat viel zu meiner Erheiterung beigetragen.

Wörterbücher in unzähligen Sprachen, die ich alle nicht spreche, es allerdings wunderbar fände, sie zu lernen. Auch dienen papiererne Vokabelträger oder medizinische Lexika meinem Zeitverteib, wenn mir der Sinn nach leichter Unterhaltung steht. Es stimmt mich ungemein vergnüglich, ein ums andere detailiert erläuterte Wort zu lesen um es doch absichtlich misszuverstehen oder falsch zu betonen, um neue Bedeutungen zu kreieren.

Ja und sonst. Allerei. Von „Die schönsten Spinnen Europas“ bis „Lexikon der Töpferei und Porzellanerzeugung“ über „Glanz und Elend der Kurtisanen“, den gesammelten Fäusten und Willhelm Buschs Gesamtwerk hin zu recht leichtgängigen Romanen; nur wenig Blutrünstiges, kaum Modernes.

Kriminalromane und Technik sind vermutlich die einzigen Kategorien, die in meiner Sammlung fehlen.

Dein letztes Buch hieß wie?

Ziemlich parallel gelesen:
„Der Schüler Gerber“ von Friedrich Torberg
„Die Tapetentür“ von Marlen Haushofer
„Gefährliche Geliebte“, „Mister Aufziehvogel“ von Haruki Murakami

Würdest Du es weiterempfehlen?

Die „Tante Jolesch“ hat mich schon in Verzückung versetzt. Torbergs erfrischend unspektakulären doch präzisen, pointenreich mäandernden Erzählstil mag ich sehr gerne. Überhaupt bin ich halt einfach viel zu altmodisch veranlagt.
Merke: die Beschreibung heroischer Selbtbeschädigung mit lethalem Ausgang verliert, im semiadulten Stadium betrachtet, immens an ihrer einstmals als Lösungsansatz empfundenen Überzeugungskraft.

Marlen Haushofer hat mich wahrlich überrascht, um nicht zu sagen echt berührt, aber ich hab ja grad so eine sentimetale Phase... Ich hatte spröde Nachkriegsfrauenliteratur in Pastellfarben erwartet und fand stattdessen eine Charakterstudie vor, die aller Tragik zum Trotz, vor Galgenhumor und unerwartet klugen, teils erstaunlich feministischen Gedankengängen und Schilderungen strotzte. Nur, wie in recht vielen anderen Fällen, missfielen mir einige Traumsequenzen. Besonders interessant fand ich, dieses Buch zu lesen und mir zeitgleich mein fremdgeprägtes Bild der späten fünfziger Jahre, in denen die Geschichte spielt, in Erinnerung zu rufen und erstaunt darüber zu sein, wie wenig sich doch die Gefühle und Eindrücke unterscheiden, zwischen damals und heute.

Haruki Murakami dagegen halte ich für absolut überschätzt, miserabel übersetzt oder aber beides zusammen. Aus Enttäuschung über das erste Buch, las ich sogleich ein zweites und fand hierin meine Abneigung erneut bestätigt. Da tauchen Personen auf und verschwinden mitten in der Geschichte ins erzählerische Nirgendwo, ein schriftstellerischer Kniff, der „suspense“ erzeugen soll, letztendlich aber davon zeugt, dass der Herr Murakami einfach nicht weiß, womit er seine vielen Seiten füllen soll. Von wegen Mystery, der kann einfach keine Geschichten erzählen, keine in sich schlüssigen Kapitelgebilde schreiben. Die Hauptakteure beider Bücher, Männer Anfang, Mitte dreißig waren so beziehungsfähig angelegt, derart märchenhafte Weicheier, dass es sogar mich verkappte Romantikerin schauderte - Abgesehen davon hielt sich die Spannung ziemlich in Grenzen.
Ohne Bedauern zugeklappt, weggeräumt, vergessen.

Warum hast Du Dir genau dieses Buch zugelegt?

Nr.1 und 2 hab ich im Krankenhaus geklaut, einen Ringelnatz noch dazu, in der vorurtteilsbehafteten, womöglich koketten Annahme, außer mir würd das eh keiner lesen und schätzen, wo doch ausreichend Readers Digest und Groschenromane das schmählich vernachlässigte Bücherregal füllten.

Die Murakamis fielen mir in die Hände als ich wieder mal die Muse mimte.

Welches war das miserabelste Buch, das Du je in der Hand hattest?

"Endlich Nichtraucher", gscheite Methode, aber herausragend katastrophal geschrieben.

Ingvar Kamprads gehirnwäscheorientierte Selbstbeweihräucherung. Pflichtlektüre für jeden Ikeamitarbeiter.

Bist Du ein Bücherquäler? Entsorgst Du z.B. die Schutzumschläge, machst Eselsohren oder besudelst die Seiten?

Ein Buch ohne Gebrauchsspuren kann kein gutes Buch sein. Klinisch sterile, druckfrisch geplättete Seiten und Plastikeinbände machen mir ein Buch zutiefst suspekt.

Schutzumschläge werden, um sie zu schonen, meist beiseite gelegt, ziemlich oft allerdings verloren. Eselsohren entstehen an meinen Büchern allerhöchstens aus Unachtsamkeit, niemals aber um sie Seite zu markieren. Auch die Seitenbesudelung geschieht wenn, dann aus Versehen.

Was machst Du mit den Büchern, wenn Du sie gelesen hast?

Ein Gutteil wird gestapelt, gehortet, bisweilen unter mütterlich liebevollem Seufzen vom Bücherbord genommen, dabei ein bisschen gehätschelt und gestreichelt.

Weniger geliebte werden an ein gutes Plätzchen weitervermittelt (kastriert, geimpft, mit Schutzumschlagvertrag).

Die wirklich schrecklichen werden rücksichtslos an der nächsten Altpapiertonne ausgesetzt.

Von den Einrichtungsbüchern habe ich mich kürzlich gegen Bargeld getrennt. Es lies sich eine signifikante Tendenz in Richtung Landhausstil und Rüschenborten ausmachen, die mich, tiefenpsychologisch betrachtet, enorm ängstigte.

Stöckchen weiterreichen:

Ich alte Spaßbremse stehe der kettenbriefartigen „Stöckchen“-Durchseuchung des Webloguniversum ansich kritisch bis ablehnend gegenüber und somit sind diese Seiten rein aus Prinzip eine Sackgasse in puncto Weiterleitung. Außerdem gönn` ich das Vergnügen, welches mir das willkürliche Ausfüllen von Fragebögen bereitet, keinem anderen.

*kann Spuren von prä-?post-?menstrueller ach, keine Ahnung Boshaftigkeit enthalten.

**Anmerkung der Redaktion: don`t try this at home!

privataudienz

Du bist nicht angemeldet.

der pöbel unter sich

Ich finde die beamtenhaft...
Ich finde die beamtenhaft anmutende Pause in diesem...
bob (Gast) - 23. Dez, 10:14
Das ist doch unglaublich....
Das ist doch unglaublich. Glaub ich.
textorama (Gast) - 22. Sep, 17:11
Wohl eher ein naturhysterisches...
Wohl eher ein naturhysterisches Diorama. Die beiden...
textorama (Gast) - 22. Sep, 17:10
gemüsehunger, immer zur...
gemüsehunger, immer zur unzeit... längst licht aus...
p. (Gast) - 9. Aug, 04:03
gemüsefach hatte an dem...
gemüsefach hatte an dem tag bereits geschlossen.
MoniqueChantalHuber - 6. Aug, 07:58
auf n sprung ins gemüse?
auf n sprung ins gemüse?
p. (Gast) - 6. Aug, 03:56
klammern halten die großen...
klammern halten die großen scheine einfach besser zusammen.
MoniqueChantalHuber - 3. Aug, 16:08
Klammern anstatt Rettungsschirm,...
Klammern anstatt Rettungsschirm, sehr clever.
mq (Gast) - 2. Aug, 09:08
eine fabelnhafte idee.
eine fabelnhafte idee.
MoniqueChantalHuber - 1. Aug, 22:30
Ich überlege gerade,
ob es nett wäre, wenn sich könig egon ladislaus froschojewsky...
schreiben wie atmen - 1. Aug, 22:18

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Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09

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