bildungsbeitrag, frühkindlicher
Im Nachhinein erklärt es womöglich einiges (was hier allerdings nichts zur Sache tut), dass meine Mutter oft zu sagen pflegte: „Warte, warte nur ein Weilchen, dann kommt Haarmann auch zu dir. Mit dem kleinen Hackebeilchen macht er Hackefleisch aus dir.“ In Hannover an der Leine, Rote Gasse Nummer acht, wohnt der Massenmörder Haarmann, der die Leute umgebracht. Aus den Augen macht er Sülze, aus dem Arsch, da macht er Speck, aus dem Darm, da macht er Würste, und den Rest, den schmeißt er weg. Haarmann hat auch ein' Gehilfen, Grans heißt dieser junge Mann. Und der lockte mit Behagen viele junge Männer an. Warte, warte nur ein Weilchen, dann kommt Haarmann auch zu Dir. Mit dem kleinen Hackebeilchen macht er Hackefleisch aus dir.
Mir kam die Textzeile heute völlig überraschend in den Sinn. Dass Mutter ebenso gerne die "Moritat von Mackie Messer" vor sich hin trällerte, fiel mir im selben Augenblicke ein und es ward mir gleichzeitig ein wenig nach Weihnachten zumute.
Ich hatte Spekulatius zum Kaffee und Orange mit Zimt zum mexikanischen Destillat verspeist. (Tequilla ist ein Rührseligkeitskatalysator, der definitiv erst ab Ende der Neunziger eine tragende Rolle in meinem Leben spielte und somit der frühadulten Phase zugerechnet wird, dies sei unbedingt angemerkt, weil ich mir doch vorgenommen habe, wieder mehr erwachsene Texte zu schreiben) Allein daher rührt dies jähe Aufwallen freudiger Aufregung, so dachte ich anfangs und fütterte das wintergeschmackkonditionierte, Pavlowsche innere Kind noch ein wenig.
Doch dann wurde mir bewusst, dass dieses seltsam vorfreudige Gefühl schon seit längerer Zeit, vorgestern cirka, meine ansonsten eher düsteren Gedankenketten hell erleuchtete.
Angefangen hat es, so ergab die mentale Recherche, mit dem Erwerb eines Tonträgers. Dave Brubeck stand da drauf in bunten Lettern. Der Name las sich so vertraut, dass ich ihn sogleich käuflich erwarb und neugierig der vermeintlich unbekannten Melodien harrte.
Und siehe, selbst ein stark hörgeschädigtes Wesen wie ich (explicit lyrics, metallische Klänge, aberhunderte Ermahnungen erziehungsberechtigterseits, wovon man halt so taub wird), mit dem Rhythmusgefühl einer Salatgurke, erkannte zweifelsfrei: „Der "Unsquare Dance“, das ist ja die Titelmelodie von Panoptikum“.
Eben jenes "Panoptikum" war gewiss eine meiner liebsten Fernsehsendungen, wenn nicht sogar die Liebste, noch vor dem „hohen Haus“ (Damals, das sei, wenn auch zu meiner Schande, eingestanden, hätte ich den Haider Jörg gewählt - obwohl politisch engagiertes Kleinkind und links der Mitte sozialisiert, allerdings fand ich ihn ungemein attraktiv, er war stets ordentlich gekleidet und kam dem Humorverständnis einer Fünfjährigen sehr entgegen. Ja, ich fand den Haider toll, einen H.C. Strache hätt ich vermutlich sogar noch komischer gefunden. Mittlerweile lass ich mich von Äußerlichkeiten und Rethoriken nicht mehr so stark blenden und bin auch strikt gegen eine Herabsetzung des Wahlalters.)
Doch halt, wo kam ich her, wo wollt ich hin? Achja, Panoptikum und seine Kennung, ein Stück schöner Erinnerung. Während ich also musikalisch und gedanklich einmal mehr im falschen Jahrhundert verweilte, da fragte doch der Kellnerkollege plötzlich, ohne von meiner inneren Retrospektive zu wissen: „Kennst du den Axel Corti?“.
Nun, wie soll ich es beschreiben... Mein Kinderherz juchzte und frohlockte, ich entsann mich all der Stunden vor dem Radiogerät und war vor Freude halb entrückt (Entrückung ist ja zum Beispiel ein Wort von dem heutzutage viel zu selten Gebrauch gemacht wird). Den „Schalldämpfer Vol.1“ hat er, der wunderbare Kollege und Freund im Geiste, mir heute, wie angekündigt, tatsächlich vorbeigebracht und nun kann ich jederzeit dem beruhigenden Klang der Stimme Cortis lauschen, die zu meiner Kindheit gehört wie Weihnachten und Zimt und Mutters schauerliche Gesänge.
Sollte nun jemand aus der mittlerweile tatsächlich vorhandenen Leserschaft im Besitz der leider vergriffenen Volumes 2 und 3 sein, oder jemanden kennen, der jemanden kennt...
Mir kam die Textzeile heute völlig überraschend in den Sinn. Dass Mutter ebenso gerne die "Moritat von Mackie Messer" vor sich hin trällerte, fiel mir im selben Augenblicke ein und es ward mir gleichzeitig ein wenig nach Weihnachten zumute.
Ich hatte Spekulatius zum Kaffee und Orange mit Zimt zum mexikanischen Destillat verspeist. (Tequilla ist ein Rührseligkeitskatalysator, der definitiv erst ab Ende der Neunziger eine tragende Rolle in meinem Leben spielte und somit der frühadulten Phase zugerechnet wird, dies sei unbedingt angemerkt, weil ich mir doch vorgenommen habe, wieder mehr erwachsene Texte zu schreiben) Allein daher rührt dies jähe Aufwallen freudiger Aufregung, so dachte ich anfangs und fütterte das wintergeschmackkonditionierte, Pavlowsche innere Kind noch ein wenig.
Doch dann wurde mir bewusst, dass dieses seltsam vorfreudige Gefühl schon seit längerer Zeit, vorgestern cirka, meine ansonsten eher düsteren Gedankenketten hell erleuchtete.
Angefangen hat es, so ergab die mentale Recherche, mit dem Erwerb eines Tonträgers. Dave Brubeck stand da drauf in bunten Lettern. Der Name las sich so vertraut, dass ich ihn sogleich käuflich erwarb und neugierig der vermeintlich unbekannten Melodien harrte.
Und siehe, selbst ein stark hörgeschädigtes Wesen wie ich (explicit lyrics, metallische Klänge, aberhunderte Ermahnungen erziehungsberechtigterseits, wovon man halt so taub wird), mit dem Rhythmusgefühl einer Salatgurke, erkannte zweifelsfrei: „Der "Unsquare Dance“, das ist ja die Titelmelodie von Panoptikum“.
Eben jenes "Panoptikum" war gewiss eine meiner liebsten Fernsehsendungen, wenn nicht sogar die Liebste, noch vor dem „hohen Haus“ (Damals, das sei, wenn auch zu meiner Schande, eingestanden, hätte ich den Haider Jörg gewählt - obwohl politisch engagiertes Kleinkind und links der Mitte sozialisiert, allerdings fand ich ihn ungemein attraktiv, er war stets ordentlich gekleidet und kam dem Humorverständnis einer Fünfjährigen sehr entgegen. Ja, ich fand den Haider toll, einen H.C. Strache hätt ich vermutlich sogar noch komischer gefunden. Mittlerweile lass ich mich von Äußerlichkeiten und Rethoriken nicht mehr so stark blenden und bin auch strikt gegen eine Herabsetzung des Wahlalters.)
Doch halt, wo kam ich her, wo wollt ich hin? Achja, Panoptikum und seine Kennung, ein Stück schöner Erinnerung. Während ich also musikalisch und gedanklich einmal mehr im falschen Jahrhundert verweilte, da fragte doch der Kellnerkollege plötzlich, ohne von meiner inneren Retrospektive zu wissen: „Kennst du den Axel Corti?“.
Nun, wie soll ich es beschreiben... Mein Kinderherz juchzte und frohlockte, ich entsann mich all der Stunden vor dem Radiogerät und war vor Freude halb entrückt (Entrückung ist ja zum Beispiel ein Wort von dem heutzutage viel zu selten Gebrauch gemacht wird). Den „Schalldämpfer Vol.1“ hat er, der wunderbare Kollege und Freund im Geiste, mir heute, wie angekündigt, tatsächlich vorbeigebracht und nun kann ich jederzeit dem beruhigenden Klang der Stimme Cortis lauschen, die zu meiner Kindheit gehört wie Weihnachten und Zimt und Mutters schauerliche Gesänge.
Sollte nun jemand aus der mittlerweile tatsächlich vorhandenen Leserschaft im Besitz der leider vergriffenen Volumes 2 und 3 sein, oder jemanden kennen, der jemanden kennt...
MoniqueChantalHuber - 15. Jun, 09:24