blutsturz in semmelweiß
Der gepolsterte Op-Tisch hat die Form eines Kreuzes. Die Anästhesistin knöpft mir das Nachthemd im Nacken auf, während der Chirurg irgendwo zwischen meinen Beinen verschwindet. Sie klebt Elektroden an meine Brust, bedeckt schambewußt sogleich die freigelegte Blöße, als meine Hülle unerwartet etwas tiefer rutscht.
„Ob mir der Busen raushängt, ist in Anbetracht dieser surrealen Situation eigentlich nebensächlich. Ich befinde mich nicht gerade in einer klassischen Position um neue Leute kennenzulernen.“ sage ich. Der Operateur hantiert tief unter meinen gespreizten Schenkeln. Die Op-Schwester grinst unsicher. „Grüß Gott!“ sag ich. Die Anästhesistin kichert.
Ruhe sickert durch meine Venen und bald ist alles egal. Aber das ist es schon längst.
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„Zeigen sie ihr es doch im Aufwachraum, wenn sie sich daran erinnern kann.“ Die Stimme der Narkoseärztin durchdringt selbst das Nichts.
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Drei Betten stehen in dem Raum, ein Paravent schirmt meine neugierigen Blicke auf die anderen Frauen ab. Am rechten Zeigefinger trage ich eine schwarze Plastikklammer. Von dort aus werden Herzfrequenz und Blutdruck auf den Monitor neben mir übertragen. Ich klemme mir das Ding auf die Nase, vielleicht kann ich so einen Herzstillstand simulieren.
Liegen langweilt mich. Im Schneidersitz trotze ich allem was da noch kommt. „Legen Sie sich wieder hin!“ befiehlt die Schwester. „Ich muß aufs Klo.“ „Sie dürfen noch nicht aufstehen. Kreislauf. Sie haben starke Blutungen. Ich kann ihnen aber einen Nachttopf bringen.“ „Nein, danke. Ich habe wenige Schamgrenzen, aber das ist definitiv eine davon. Haben sie was zu lesen?“
Ich bin eine renitente Patientin. Niemals Opfer sein. Ich trotze weiter.
Ich warte, warte, warte. Auf das Endgültige.
Eine Schwester kommt auf mich zu. Fürsorglich bestimmt. Sie weiß, dass mir das nicht gut tun wird. Dass ich den Anblick nicht ertragen werde. Dass mein Ansinnen keinen Sinn macht. Ich weiß es besser.
Ich habe einen Brief geschrieben. Gestern. Damit sie es mir nicht nehmen können. Eine schriftliche Anweisung, die zu meinen Patientendaten geheftet wird. Einen Wunsch, den sie nicht ignorieren können, nicht übersehen, nicht vergessen in der Hektik des Operationsalltags.
Endlich akzeptiert die Schwester, dass ich nicht umzustimmen bin. Im Gehen sieht man ihr an, was sie von meiner Forderung hält. Wozu ein solcher Aufwand? Für sie ist es Normalität, fünf, zehn, vielleicht sogar mehr. Täglich. Für mich gibt es nur dieses eine. Heute.
Schließlich kehrt sie zurück. Sie trägt es am Arm. In ein Handtuch gehüllt. Um anderen den Anblick zu ersparen.
Es ist der Auffangbehälter des Absauggerätes mit dem man mich alleine lässt. Grobe Gewebefetzen, Blut, Schleim, Spülflüssigkeit. Es lassen sich keine Details ausmachen. Man hat das Kind püriert.
Ich schüttle den Becher, drehe ihn nach allen Seiten, bestaune die Klumpen gestockten Blutes, die gallertige Masse, aus der einmal ein Mensch hätt werden können. Irgendwo darin schwimmen die Reste eines Herzens, das bis vor drei Wochen geschlagen hat.
„Es tut mir leid, aber ihr Kind ist tot.“ hat man mir gesagt, tags zuvor beim Ultraschall. „Keine Herzaktivität mehr. Es ist auch nicht mehr gewachsen in den letzten Tagen.“ Verhaltener Abort. Ich hätt es gern behalten. Trotzdem.
Ich muss mich von dem Kind im Becher trennen, es der Wissenschaft überantworten. Gewebeproben im Labor, danach Entsorgung. Dabei hätt ich es gern begraben und mit ihm das Gefühl, dass das alles irgendwie zu schaffen sei.
Ich sag dem Becher Lebewohl und alles ist wie früher, aber nichts mehr wie es war.
„Ob mir der Busen raushängt, ist in Anbetracht dieser surrealen Situation eigentlich nebensächlich. Ich befinde mich nicht gerade in einer klassischen Position um neue Leute kennenzulernen.“ sage ich. Der Operateur hantiert tief unter meinen gespreizten Schenkeln. Die Op-Schwester grinst unsicher. „Grüß Gott!“ sag ich. Die Anästhesistin kichert.
Ruhe sickert durch meine Venen und bald ist alles egal. Aber das ist es schon längst.
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„Zeigen sie ihr es doch im Aufwachraum, wenn sie sich daran erinnern kann.“ Die Stimme der Narkoseärztin durchdringt selbst das Nichts.
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Drei Betten stehen in dem Raum, ein Paravent schirmt meine neugierigen Blicke auf die anderen Frauen ab. Am rechten Zeigefinger trage ich eine schwarze Plastikklammer. Von dort aus werden Herzfrequenz und Blutdruck auf den Monitor neben mir übertragen. Ich klemme mir das Ding auf die Nase, vielleicht kann ich so einen Herzstillstand simulieren.
Liegen langweilt mich. Im Schneidersitz trotze ich allem was da noch kommt. „Legen Sie sich wieder hin!“ befiehlt die Schwester. „Ich muß aufs Klo.“ „Sie dürfen noch nicht aufstehen. Kreislauf. Sie haben starke Blutungen. Ich kann ihnen aber einen Nachttopf bringen.“ „Nein, danke. Ich habe wenige Schamgrenzen, aber das ist definitiv eine davon. Haben sie was zu lesen?“
Ich bin eine renitente Patientin. Niemals Opfer sein. Ich trotze weiter.
Ich warte, warte, warte. Auf das Endgültige.
Eine Schwester kommt auf mich zu. Fürsorglich bestimmt. Sie weiß, dass mir das nicht gut tun wird. Dass ich den Anblick nicht ertragen werde. Dass mein Ansinnen keinen Sinn macht. Ich weiß es besser.
Ich habe einen Brief geschrieben. Gestern. Damit sie es mir nicht nehmen können. Eine schriftliche Anweisung, die zu meinen Patientendaten geheftet wird. Einen Wunsch, den sie nicht ignorieren können, nicht übersehen, nicht vergessen in der Hektik des Operationsalltags.
Endlich akzeptiert die Schwester, dass ich nicht umzustimmen bin. Im Gehen sieht man ihr an, was sie von meiner Forderung hält. Wozu ein solcher Aufwand? Für sie ist es Normalität, fünf, zehn, vielleicht sogar mehr. Täglich. Für mich gibt es nur dieses eine. Heute.
Schließlich kehrt sie zurück. Sie trägt es am Arm. In ein Handtuch gehüllt. Um anderen den Anblick zu ersparen.
Es ist der Auffangbehälter des Absauggerätes mit dem man mich alleine lässt. Grobe Gewebefetzen, Blut, Schleim, Spülflüssigkeit. Es lassen sich keine Details ausmachen. Man hat das Kind püriert.
Ich schüttle den Becher, drehe ihn nach allen Seiten, bestaune die Klumpen gestockten Blutes, die gallertige Masse, aus der einmal ein Mensch hätt werden können. Irgendwo darin schwimmen die Reste eines Herzens, das bis vor drei Wochen geschlagen hat.
„Es tut mir leid, aber ihr Kind ist tot.“ hat man mir gesagt, tags zuvor beim Ultraschall. „Keine Herzaktivität mehr. Es ist auch nicht mehr gewachsen in den letzten Tagen.“ Verhaltener Abort. Ich hätt es gern behalten. Trotzdem.
Ich muss mich von dem Kind im Becher trennen, es der Wissenschaft überantworten. Gewebeproben im Labor, danach Entsorgung. Dabei hätt ich es gern begraben und mit ihm das Gefühl, dass das alles irgendwie zu schaffen sei.
Ich sag dem Becher Lebewohl und alles ist wie früher, aber nichts mehr wie es war.
MoniqueChantalHuber - 22. Feb, 10:42