Donnerstag, 19. Juli 2007

communication breakdown

telefon


Mein Handy dient als Wecker, Uhr, Kurzmitteilungszentrale und dazu, sporadisch mit Menschen in Verbindung zu treten, bei denen zu große räumliche Distanz ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht nur selten ermöglicht. Eltern werden alle paar Wochen vom Wohlbefinden in Kenntnis gesetzt, Großmütter alle ein bis zwei Monate mit sorgfältig ausgewählten Geschichten ruhig gestellt und Freunde, je nach Intensität der Beziehung, wöchentlich, monatlich, viertel- oder halbjährlich angerufen. Nur akute Verliebtheit bedingt kürzere Anrufintervalle.

Als Anrufinitiatorin trete ich ansonsten nur selten in Aktion und glücklicherweise dringt mein Ruf als launische Mobilfunkteilnehmerin langsam auch zu den Leuten vor, die selbst nach zwei Jahren meines asynchronen Lebenswandels noch immer nicht begriffen haben, dass ich zu handelsüblichen Zeiten weder erreichbar noch willens bin, mich mitzuteilen oder mitgeteilt zu bekommen. Momentan etwa bin ich ausschließlich zwischen 17Uhr 45 und 18Uhr 5 bereit, ans Telefon zu gehen, das sind die einzigen zwanzig Minuten am Tag, an denen ich nicht arbeite, schlafe, esse, lese, schreibe oder auf dem Weg von oder zur Arbeit bin und Anrufe dabei als Belästigung empfinde.

Menschen, die es für nötig halten, innerhalb einer halben Stunde dreimal anzurufen, so als würde andauerndes Geklingel irgendetwas daran ändern, dass ich gerade keine Zeit oder Lust habe, rufe ich aus stillem Protest nicht zurück. Weltbewegendes verpasse ich dabei ganz sicherlich nicht. Ich habe keine bedeutenden Entscheidungen zu treffen, man trägt hauptsächlich variatsionsarme Liebesgeschichten oder besoffene Redseligkeit an mich heran.

Seit ich herausgefunden habe, dass mein Telefon auch als MP3-Abspielgerät nutzbar ist, dienen meine favorisierten Lieder als Klingeltöne und es kann passieren, dass ich, anstatt abzunehmen einfach ein Lied fertighören will, sehr zum Leidwesen des Anrufenden, der anstatt mich nur die Mailbox erreicht. Dort wurde er früher von einem „Das Abhören meiner Mailbox kostet mich wertvolle Lebenszeit, also fassen sie sich bitte kurz.“ empfangen, an die derzeitige Begrüßung kann ich mich nicht mehr erinnern, weil ich die Anrufbeantwortfunktion ohnehin niemals nutze. Nur Rückrufgesuche spricht man auf Band oder dasselbe öde Gequake, bei dem ich auch weggehört hätte, hätte ich mich denn dazu bequemt, den Anruf doch entgegenzunehmen.

Wer mich, wie bereits geschehen, an einem Tag mehr als siebzehn Mal versucht zu erreichen, um mir Fragen zu stellen wie: „Wo warst du denn?“ „Was machst du heute?“ den trifft mein blinder Zorn samt wüstester Beschimpfungen, dabei bin ich ansonsten phlegmatischer veranlagt als ein sediertes Dreizehenfaultier und mit einem enorm gutmütigen Naturell gestraft.

Verstehen sie mich nicht falsch, ich selbst rede manchmal sehr viel und gerne, mein persönlicher Fernsprechrekord liegt bei sieben Stunden, bisweilen kann ich auch aufmerksam und interessiert zuhören, doch wenn der Belanglosigkeitenaustausch überhand nimmt, packt mich plötzlich ein enormer Kommunikationsunwillen. Ich lüge praktisch nur beim Telefonieren. „Wie bitte?... du... der Empfang is so schlecht“, „Ich glaub mein Akku ist bald leer.“ behaupte ich, um mich unliebsamer Monologe über die Banalität des Alltäglichen zu entziehen, während das Gegenüber ungerührt weiterplappert und gar nicht bemerkt, dass ich schon vor einer halben Stunde aufgegeben habe, der Höflichkeit halber zumindest hin und wieder ein „hm“ beizusteuern.

Es bereitet mir zwar noch immer Vergnügen neu aquirierte Sozialkontakte mit den Worten „Dieser Anruf kostet sie einen Euro neunundzeunzig in der Minute. Wollen sie Monique sprechen, drücken sie die Eins.“ zu empfangen, doch davon abgesehen langweilt mich der telefonische Austausch zutiefst.

Meine wohl beste Freundin, mein optisches und charakterliches Gegenstück, beispielsweise, die treibt mich mit ihrer Telefongesprächskultur in den Wahnsinn. Gedankt sei Gott, dass die Schnurlostelefonie mittlerweile Standard ist, denn ansonsten würde sie vermutlich ein von mir im Affekt initiertes mooshammersches Schicksal ereilen. Die Frau besitzt die unfassbare Gabe mir ihren kompletten Tagesablauf minutiös zu schildern, die Farbe des Morgenurins, die Konsistenz der Frühstücksflocken enthält sie mir ebensowenig vor , wie die Geschichte von der Tochter des Onkels dritten Grades, mütterlicherseits, die laut Horoskop undsoweiter aber weil sie nun den Faden verloren hat, beschreibt sie stattdessen, dass sie nach der Arbeit, wenn ihr heute Zeit bleibt, im Reisebüro Kataloge für die Urlaubssaison 2019 abholen wird und erkundigt sich, ob ich denke, dass dies eine Rüschenkleid, das in ihrem Schrank links neben dem weißen Blazer hängt, ihr noch passt, denn das würde sie gerne im Urlaub anziehen, aber zuvor muss sie noch passende Schuhe auftreiben, aber dafür wird sie wohl besser bis zum Sommerschlussverkauf warten............etceteraetceteraetcetera....... Nach einer Stunde fällt mir ein: Eigentlich hab ja ich angerufen, weil... Daran kann ich mich nun beim besten Willen nicht mehr erinnern, aber meine Ohren rauschen und eine Gesichtshälfte hängt unmotiviert nach untern, wie nach einem Gehirnschlag. (Zu ihrer Ehrenrettung sei gesagt, trotz allen Gequassels, dass ich aus reiner Zuneigung erdulde, wann immer ich unter langatmigen Männerbeschwerden leide, zeigt sie sich ebenfalls sehr geduldig.)

„Durchs Reden kommen die Leut zusammen“ heißt es, aber wenn mich einmal noch jemand anruft und mir dabei erklärt, er säße grad am Klo, dann schmeiß ich dieses blöde Handy endgültig weg und werd Eremitin oder gehe in den Untergrund und sprenge Telefonmasten.


cake - no phone

privataudienz

Du bist nicht angemeldet.

der pöbel unter sich

Ich finde die beamtenhaft...
Ich finde die beamtenhaft anmutende Pause in diesem...
bob (Gast) - 23. Dez, 10:14
Das ist doch unglaublich....
Das ist doch unglaublich. Glaub ich.
textorama (Gast) - 22. Sep, 17:11
Wohl eher ein naturhysterisches...
Wohl eher ein naturhysterisches Diorama. Die beiden...
textorama (Gast) - 22. Sep, 17:10
gemüsehunger, immer zur...
gemüsehunger, immer zur unzeit... längst licht aus...
p. (Gast) - 9. Aug, 04:03
gemüsefach hatte an dem...
gemüsefach hatte an dem tag bereits geschlossen.
MoniqueChantalHuber - 6. Aug, 07:58
auf n sprung ins gemüse?
auf n sprung ins gemüse?
p. (Gast) - 6. Aug, 03:56
klammern halten die großen...
klammern halten die großen scheine einfach besser zusammen.
MoniqueChantalHuber - 3. Aug, 16:08
Klammern anstatt Rettungsschirm,...
Klammern anstatt Rettungsschirm, sehr clever.
mq (Gast) - 2. Aug, 09:08
eine fabelnhafte idee.
eine fabelnhafte idee.
MoniqueChantalHuber - 1. Aug, 22:30
Ich überlege gerade,
ob es nett wäre, wenn sich könig egon ladislaus froschojewsky...
schreiben wie atmen - 1. Aug, 22:18

kundmachung

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Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09

lookin´ for a prince, horse or castle?