zur frau im kleinen schwarzen:
"gehst du schon? dann kann ich ja deinen barhocker haben?"
"klar, nimm nur"
zum gesprächspartner:
"das is mal ne tolle frau!"
"du bist also scharf auf eine, die dich sitzen lässt?!"
moi arbeitet seit neuestem in einer schwulenkneipe. als mann im haus gewissermaßen.
es ereignete sich, dass ein langverflossener auf ein bier vorbeikam und sich sehr über meine neuerworbene fähigkeit, menschen jederzeit und ohne brechreizimitierende geräusche von mir zu geben, mit wangenküssen zu bedenken, wunderte. (ich bin gezwungen mich meiner neuen umgebung anzupassen). er sann so vor sich hin, im scherz, wie ich hoffe, ob es denn zwischen uns nicht doch noch was werden könnte, jetzt wo ich völlig überraschend natürliche menschliche verhaltensweisen entwickle.
"aber nein" kam er zu dem schluss "frauen stehen auf arschlöcher". "ach" säuselte da der tresennachbar "schwule auch."
Grundsätzlich versuche ich mich strikt an die Regel: Don`t fuck the company! zu halten. Auch ist mir nichts mehr zuwider, als zweideutiges Geplänkel am Arbeitsplatz. Meine Libido wird morgens, spätestens nach dem Zähneputzen, weggeschlossen. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.
Wenngleich ich mich selbst gut im Griff habe, mich stets sehr zugeknöpft gebe (denn schließlich liegen meine persönlichen Stärken nicht nur im Brustumfang) und meinen privaten Hang zu Zoten und derben Späßen dort lasse, wo er hingehört, so gilt umgekehrt die Ablehnung aller, selbst nur pseudosexuell motivierter, privater Handlungen am Arbeitsplatz leider nicht für mein gesamtes Umfeld.
Es gab schon immer Kollegen, die mein stark ausgeprägtes Bedürfnis nach größtmöglicher Individualdistanz zu unterwandern suchten, aber wer es wagt mir an den, zugegeben recht adretten, Hintern zu fassen, kann damit rechnen, bösartig angefaucht oder, bei Vorhandensein von Öffentlichkeit, umgehend rückbegrapscht zu werden. Das können die nähesuchenden Grobmotoriker nämlich interessanterweise gar nicht leiden. Noch weniger mögen sie es allerdings „Pupperl“ oder „Prinzessin“ genannt zu werden. Doch auch hier bin ich der Ansicht: gleiches Recht für alle.
Die Verkettung tragischer Umstände und dummer Zufälle bringt es mit sich, dass ich bereits seit geraumer Zeit in der Gastronomie mein Wasser und Brot verdiene. Dort habe ich es einerseits immer wieder mit allerhand urtümlichen Herren des Schöpfers, alles mehr Beta- denn Alphamännchen zu tun, die sich jedoch durch konsequentes Ignorieren ihrer verbalen oder physischen Fehlgriffe in die Schranken weisen lassen, notfalls hilft ein freundliches, aber bestimmtes : „Wenn du das nochmal machst, werf ich dich vor den Zug!“, andererseits muss ich mich mit ganz anderen Kalibern herumzuschlagen, nur metaphorisch, leider. Denn der Gast ist König. Königen wirft man keine vollen Teller ins Gesicht.
Es ist nun beileibe nicht so, dass jeder Gast ein notorischer Grapscher und potentieller Triebtäter wäre. Der Großteil der Mannheit hat sich ganz gut unter Kontrolle. Doch quer durch alle Altersgruppen und Bildungsschichten finden sich immer wieder einige Exemplare, an denen die menschliche Domestikation anscheinend spurlos vorüberging oder die glauben mit den zehn Cent Trinkgeld gleich die ganze Kellnerin gekauft zu haben.
Ein gewisses Maß an weiblicher Koketterie und Charme gehört zwar einerseits zum Spiel - If you want to run a successful cafe, you have to hire the prettiest waitress - dennoch bedeutet meine Freundlichkeit nicht automatisch „ficken!“. Bei einigen Männern ähneln die Ergebnisse, die ihr zwischenmenschliche Übersetzungsprogramm ausspuckt, in ihrer Aussagekraft der Speisekarte des Chinesen ums Eck. Lost in Translation.
Aus Rücksicht auf mein Angestelltenverhältnis habe ich mir bislang immer verkniffen, geifernde, Anzüglichkeiten wispernde Anzugtypen lautstark zur Rede zu stellen „Was soll der Scheiß? Erwarten sie, dass ich mir jetzt brünstig die Kleider vom Leib reiße und stöhne: Ja, Baby, lass uns aufs Klo verschwinden und uns das Hirn rausvögeln?“ (Wobei mich die Reaktionen darauf durchaus interessieren würden).
Ein simples „sexistisches Arschloch“ zeigt selten die gewünschte Wirkung. Zumeist geht dann, sofern der derart Titulierte in Gesellschaft speist, ein Raunen durch die Runde. „Das is sicher ne Lesbe.“ oder „Blöde Zicke“ sind die Worte, mit denen der Abgewiesene seine arg angeschlagene Männlichkeit wiederherzustellen versucht. Es handelt sich ohnehin um vergebliche Liebesmüh einen Menschen, der sich nicht zu benehmen weiß, durch agressive Worte disziplinieren zu wollen.
Für viel effektiver halte ich in einigen Fällen die unterschwellige Erniedrigung: „Sie sind mir intellektuell keinesfalls gewachsen und sie schauen auch nicht so gut aus, als dass ich darüber hinwegsehen könnte“. Dabei empfiehlt es sich gewinnend zu lächeln, hüftschwingend das Feld zu räumen und die Botschaft wirken zu lassen.
Im Praxistest erwies sich jedoch die charmante Abfuhr als die Geeignetste. Ein Klassiker aus dem Arbeitsalltag: „Haben sie noch einen Wunsch?“ „Ja, dich!“... sabber, sabber, schenkelklopf ob des eigenen grandiosen Humors... „Tut mir leid, ich bin unverkäufliche Dekoration, aber sie können gerne noch einen Cappuccino haben...“ Den ekelhaften alten Typen, der mir Sonntag morgens unbedingt ein Gespräch über Sexualpraktiken aufdrängen wollte und mich andauernd fragte, ob ich denn das Wichtigste (höhö) des Tages (sabber, sabber) schon hinter mich gebracht hätte, lies mein ausgeprägt unschuldig katholischer Blick und der Zusatz: „Ach, sie meinen die Sonntagsmesse?!“ verstummen.
In Notfällen bleibt aber oftmals keine andere Wahl, als zu den Waffen einer Frau zu greifen. Stilettos zum Beispiel. Viele große, starke Brüder zu haben ist ebenfalls nicht von Nachteil...