wo selbst die kaiserin zu fuß hingeht

Samstag, 7. Januar 2012

eat the pain away




eine portion herzschmerz hat 4500 kcal.

Montag, 16. August 2010

urge overfill



purge overkill



Dienstag, 15. Dezember 2009

wer hat den stier in die küche gelassen?

Das Drecksvieh frisst mich noch arm.

Vereinzelt kommt dieser ungebetene Gast ja immer noch auf Überraschungsbesuch. Meist gelingt es mir, ihn gleich wieder abzuwimmeln oder nach spätestens ein, zwei Tagen rauszuwerfen.

Aber diesmal hockt der mir schon eine ganze Woche im Nacken. Er und seine Danaergastgeschenke. "Nochn Keks? Ach, nimm doch gleich die ganze Packung."

Und dann treffen wir uns in der Porzellanarena zum finalen Willenskampf. 7:0 für den hungrigen Stier.

Freitag, 6. März 2009

modern slavery

Irgendwann erkannt, dass die Vollzeitberufstätigkeit einen auch nicht saniert. Der moderne Sklave arbeitet für € 5,- Stundenlohn in der Gastronomie. Offiziell nur geringfügig beschäftigt, ohne Anspruch auf Urlaubs- oder Weihnachtsgeld. Ohne Krankenversicherung.
Im Kombilohnmodell mit ungerechtfertigtem AMS-Bezug lassen sich chemisch verdrängte, chronische Verrotzungszustände zumindest wieder ärztlich begutachten, ohne zum finanziellen Worst-Case-Szenario auszuwachsen.

Irgendwann erkannt, dass die Perspektive von hinter dem Tresen eine sehr eingschränkte ist. Den alten, schwatzhaften Säufern und sozial degenerierten Kontaktsuchern durch berufsprofessionelle Freundlichkeit hilflos ausgeliefert. Unverblümte Sexualisierung trivialster, möbiusschleifender Gespräche. Das Servierfräulein hat zuzuhören und möglichst viel Ausschnitt zu zeigen, auf dass das Klientel bei Laune bleibt.

Irgendwann bemerkt, dass mich das alles ankotzt, über die Maßen anstrengt und sich weit entfernt hat von der Sozialstudie, als die ich den Job lange betrachtet hab.

Frau Huber war im Gespräch sehr freundlich, bei depressiver Stimmungslage, reduziertem Antrieb und verflachtem Affekt.

Bereits in der Jugend erkrankte sie an einer Essstörung (Bulimie und Magersucht) begeleitet von Angstzuständen und Panikattacken. Derzeit stehen vor allem depressive Symptome im Vordergrund mit sozialem Rückzug (verlässt teilweise die Wohnung tagelang nicht mehr), stark reduziertem Antrieb, hoher Müdigkeit (Schlafdauer bis zu 20 Stunden) und innerer Leere.
...
Aufgrund der derzeitigen Befundlage liegt aus arbeitsmedizinischer Sicht befristet für 12 Monate weder Arbeits- noch Kursfähigkeit vor.
...

Freitag, 24. August 2007

tick, trick, track

oh, der marotten hab ich viele. zähneputzen etwa.

mit ungeschrubbtem mundwerk verlasse ich niemals die wohnung. ansich kein besonders ungewöhnliches verhalten, sondern ausdruck hygienischen empfindens. nur trage ich tag und nacht zahnpaste und -bürste bei mir, um mir im falle des falles, jederzeit und überall gebiss und rachen reinigen zu können, sobald mir unangenehmer geschmack die zunge belegt. als raucherin also andauernd.

ich putze meine zähne im zug, im büro, auf öffentlichen toiletten, über dem waschbecken natürlich, oder wann immer sich mir eine halbwegs brauchbare wasserquelle mit sputumwegschwemmmöglichkeit darbietet.

ein relikt aus vergangener zeit, als es notwendig war vermittels großer mengen flüssigkeit, zur verdünnung von agressiver magensäure, und anschließenden reinigungsprocederes das makellose gebiss zu erhalten. zumindest bin ich, was selten vorkommt, nach zehn jahren exzessiven nahrungsmittelerbrechens, eine der wenigen bulimikerinnen, die keine gravierenden zahnschäden davongetragen hat.

nun, ich bescheinige mir selbst eine überproportionale orale fixierung, nicht zuletzt wohl auch um meinen unmäßigen tabakwarenkonsum zu rechtfertigen.

meine mutter gibt sich bis heute die schuld am stierhunger und vermutet, sie hätte mir die wurzel meiner krankheit in die wiege gelegt, damals, als ich noch in den windeln zappelte und vergebens am fläschchen nuckelte, vor hunger brüllte und weinte, bis sie dahinterkam, dass nicht mein saugreflex zu schwach ausgeprägt war, sondern sie wieder einmal vergessen hatte, das plastikplättchen, welches sich zwischen gewinde und schnuller befindet, um transportverlusten vorzubeugen, zu entfernen.

ach, wenn es sich doch nur an einem einzigen punkt festmachen ließe, meine ursachenforschung hat jedoch deutlich mehr zutage gefördert, wovon hier heute gar nicht die rede sein soll.

zurück also zum mund, hort vieler meiner komplexe und spleens.

lange jahre war es mir unmöglich in gesellschaft zu essen. ich war gezwungen ein doppelleben zu führen, die nahrungsaufnahme allerdings war der bereich, in dem die beiden leben überlappten. nach außen hin die ernährungsbewusste mimend, konnte ein vermeintlich einziger bissen zuviel einen fressflash auslösen, der mich sogleich enttarnt hätte, deshalb mied ich öffentlichkeit und erreichte schließlich einen punkt, an dem essen im beisein anderer völlig ausgeschlossen war. die gabel fiel mir aus den fingern, speichel troff mir aus dem angstverzerrten maul, weil ich zu schlucken vergaß, selbst kauen hätt ich nicht gekonnt.

bei kurzen ausflügen ließen sich ausflüchte finden, ein halber tag ohne essen war leicht zu überstehen, erst längere aufenthalte in der fremde ein problem, dann nämlich wurde augenscheinlich, dass ich jedem mahle fern blieb und verzweifelt ausschau hielt, nach möglickeiten, mir anderweitig den bauch vollzuschlagen. ein stressfaktor, der zwangsläufig in einem fressanfall gipfelte.

erst ein traineeprogramm mit anfang zwanzig, das mich für mehrere monate der eigenen wohnstatt entfernte, der andauernde aufenthalt in hotelzimmern oder ferienunterkünften ohne ordentliche kochgelegenheit, zwang mich dazu, die betriebskantine zu nutzen, zwischen und neben fremden menschen zu essen. anfangs begleitet von schweißausbrüchen und panikattacken, schlußendlich war ich in meinen bemühungen, wieder halbwegs gesellschaftsfähig zu werden, verhältnismäßig erfolgreich.

nur suppe - suppe ist heute noch problematisch. einzig neben menschen, denen ich mich überlegen fühle oder sehr verbunden, kann ich sie verzehren ohne gröbere schäden an tisch-, leibwäsche und stolz zu riskieren.

mittlerweile lege ich tadellose manieren an den tag, speise höchst kultiviert, gänzlich ohne verlust der koordinationsfähigkeit. aber, um mich thematisch wieder dem ausgangspunkt schrulligkeit anzunähern, nur dann, wenn ich mich sehr konzentriere. nicht auf den mund, wie man meinen könnte, sondern auf den ellenbogen, der die hauptbewegung ausführt.

ja, ich kann nur dann coram publico essen, wenn ich an meinen rechten unterarm und das dazugehörige gelenk denke. wehe, es stört mich jemand dabei! sie wissen gar nicht, was ich mit z.b. suppe alles anstellen kann!

Samstag, 9. Juni 2007

alles hat ein ende, nur die wurst hat zwei

es wäre gar nichts mehr beim alten
wenn um die gunst der nachtgestalten
nicht die "heisse kiste" eifert
- bös zum andern ufer geifert -
wo "würstlkönig"s residieren
und gleichfalls heisse wurst servieren

wurst1

nach einer geraumen weile des arbeitszeitbedingten exzessivverzehrs von kebap und sushi, eine alte nahrungsquelle wiederentdeckt: den nachtwürstelstand - einstmals rettung nach durchzechten nächten, vorallem aber trostspender in dunklen stunden.

dem schreckgespenst wacker entgegengetreten. prüfung bestanden.

Mittwoch, 9. Mai 2007

lady, die - flashback

Abnehmwahn allerorts.

Auch bei mir hatte der Verzehr von gaumenschmeichelndem, seelenstreichelndem Konfekt in letzter Zeit maßgeblichen Einfluss auf die Erweiterung meiner Konfektionsgröße. Früher, da hätt´s das nicht gegeben, dass ich mich mit meinen nunmehr fast sechzig Kilo Lebendgewicht auf die Straße traue. Niemals hätte ich es ertragen, dass ein Mann meiner Wahl meinen Bauch küsst. Was einstmals einer Demütigung gleichkam, kann ich nun endlich als Kompliment auffassen: „Ich mag es, dass man sieht, dass du genießen kannst“.

Mir haben Frauen light nie gefallen. Solche die sich kasteien, Salatblätter wiederkäuen, in Kindergrößen verloren gehen und alle Zeichen reifender Haut verbergen, weil sie nicht wollen, dass ihre Gesichter Geschichten erzählen. Ich mag Menschen, denen man anmerkt, dass sie ein Leben führen. (Photoshop halte ich übrigens für ein größeres Übel, als Junk Food und alle Weltreligionen zusammen).
Doch ausgerechnet ich wollte verschwindend gering sein. Weil niemand meinen Hunger nach Nähe stillte und ich mich doch auch nicht sattsehen konnte, an allen anderen. Beinahe zehn Jahre war ich Pendlerin – zwischen Kühlschrank und Klo, getrieben von der irrigen Annahme, man würde nur das lieben, wovon man wenig hat.
Die Bulimie, mein Fels in der Brandung, etwas das nur mir gehörte. Sie war ich und ich war sie. Wer immer mir Vorhaltungen machte, bedrohte sie, mich, uns. Wer sie mir nicht gönnte, der wollte auch mich nicht.

Ich kann wieder in Gesellschaft essen, ohne dass mir Messer und Gabel aus den zittrigen Händen fallen. Ich kann wieder für mich oder andere kochen, ohne hinterher den gesamten Vorratsschrank leerzufressen. Ich kann wieder schmecken und riechen, was ich esse.
Ich kann wieder unter Menschen sein, ohne mich zu hassen. Ich kann wieder alleine sein, ohne zu verzweifeln. Ich kann wieder spüren, ohne mir wehzutun.

Das alles ist mir mittlerweile mehr wert, als die paar Zusatzkilo an meinen Hüften wieder loszuwerden.

(die folgenden, hochgradig depressiven, Zeilen eines schwerkranken Teenagers, der sich nur über Gewicht definiert, decken sich zum Glück nicht mehr mit der Grundstimmungslage der Autorin und dienen einzig der Veranschaulichung eines Verfalls.)

10.Oktober 199...

Es gilt ein Jubiläum zu „feiern“. Vor genau einem Jahr beschloss ich abzunehmen. Man sieht was daraus geworden ist – ein krankes Nervenbündel. (Soo schlimm ist es ja wohl nicht – naja, doch – ich weiß nicht.)
Hab mir zu diesem Anlass vorgenommen noch etwas abzunehmen. 10 Kilo. Dann kann mich nie mehr der Gedanke quälen ich sei zu fett! 45 Kilo – diesmal schaffe ich es! Ich schaffe es! Magersucht ist mir lieber als kotzen.
R. wird am 14. dreiundzwanzig. Er ist umgezogen, ich werd ihn nie wieder sehen.
E. ... ich weiß nicht... keine Chance.
Bin ich zu hässlich, fett, blöd? Oder was sonst?
Zu fett werde/will ich nie wieder sein, zu häßlich – das ist Ansichtssache, zu dumm – in mancher Hinsicht zu naiv, aber sonst?
Nie wieder will ich kotzen! Hungern ist doch tausendmal angenehmer und nicht so umständlich. Nie wieder will ich darüber nachdenken müssen, ob nicht irgendwo Speckfalten hervorquellen. Nur ich allein muss es tun und kann es schaffen. 45 Kilo!!

20.Oktober ...

Allgemeines ich weiß nicht was. Die Zeit geht vorüber und ich habe keine Ahnung was ich eigentlich mache. Essen, fressen, nicht an eine Diät denken, manchmal erbrechen, gleich darauf wieder viel essen oder gar nicht, kotzen oder schon, lesen, herumsitzen, die herannahende Schularbeit verdrängen, Au-Pair-Pläne schmieden. Ich träume vor mich hin. Mein ganzes Leben ist nur ein traumartiger Trancezustand. Wer bin ich? Was bin ich? Will ich das eigentlich wissen? Möchte gegen Hunger, Rassismus, Umweltverschmutzung kämpfen, die Welt wachrütteln. Alles sofort ändern. Mich und die anderen. Möchte berühmt und beliebt sein. Bücher schreiben. Aber eigentlich will ich gar nichts. Mich töten? - Nein. Wieder versuchen mir die Pulsadern aufschneiden? Zuviel Angst davor.
Am besten langsam im eigenen Stumpfsinn ersticken, bis nichts mehr von meiner Hochmut, Arroganz, meinen kindischen Träumereien übrig ist. Möchte nichts sein, bin nichts. Doch... nein... keine Ahnung... ist mir egal. Lebe ich? Ist alles nur ein Traum? Ich muss mit dem Träumen aufhören. Ist das der Anfang vom Ende? Ich existiere nicht. Für mich selbst bin ich nicht da. Für die anderen? - falls es sie gibt... Mich kann es nicht geben. Ich spüre mich nicht. Habe ich das jemals? Kann ich nicht sagen. Bin ich depressiv? Nein, dazu müsste ich mir selbst bewusst sein. Man kann nur in Selbstmitleid verfallen, wenn man an sich selbst glaubt. Warum kann ich mich sehen, wenn ich mich nicht fühlen kann? In keiner Form – körperlich – geistig – es kümmert mich nicht, oder doch, oder nicht. Wer weiß das schon? Hab heute einen echten „toten“ Schädel angefasst. Konnte mir nie vorstellen, dass die Berührung eines echten, toten, einstmals lebendigen Schädels in dem einmal ein lebendes, echtes Gehirn war, der einfach so auf dem Tisch lag um ihn zu zeichnen, so ein Gefühl hervorruft. Es war entwürdigend. Bin ich tot – innerlich? Bin ich genauso dem allgemeinen Spott, Interesse, einer Nichtachtung menschlicher Würde ausgesetzt wie dieser Schädel? Ich habe ihn entehrt. War mir seines früheren Seins bewusst und habe mich meinem Instinkt widersetzt den Toten, die Tote in einer gewissen Art zu ehren – über das was, wie, warum – das Leben, den Tod nachzudenken. Ich habe ein schlechtes Gewissen einem Knochenhaufen gegenüber. Bin ich übergeschnappt oder als einzige empfindsam? Ich glaube nicht an Gott oder ähnliches und trotzdem. Hab nur ich das gespürt – ich die nicht weiß was sie ist, warum sie verdammt nochmal ist, warum gezeugt, warum geboren? Warum? Warum?
Menschen – Männer – was ist das. Hab ich schon mal geliebt – kann ich denn fühlen – warum nicht mehr? Was geschieht mit mir? Meine Hand schreibt Dinge, die aus dem Nichts kommen. Ich sehe, höre, rieche, schmecke, fühle, denke – nichts? Musik – Schweißgeruch – Rauchgeschmack – kühle Luft und mitten drin – in mir NICHTS. Nicht mal Leere – unendliches NICHTS.

13.Dezember ...

ICH WILL NIE WIEDER ESSEN!!!!!

Mich zu Tode hungern.
Ich ertrag es nicht länger. Ewig fressen, manchmal kotzen, oft nicht.
Ständig fetter werden. Fett überall. Ich kann mich nicht mehr im Spiegel ansehen, mich nicht mehr auf die Waage stellen ohne beinah in hysterisches Geschrei auszubrechen. So fett, so häßlich – warum ich?- warum bin ich dick und häßlich? Warum ich?
Unglücklich - unbeliebt - ungeliebt. Mindestens 20 Kilo Übergewicht. Ich wünsch mir den Tod!
Weg von meiner Sucht. Essen ist Sucht. Sucht gehört bekämpft. Ich gehöre bekämpft.
Was bedeutet ICH? Eine Ansammlung von Fettzellen, die sich einreden sich ihrer selbst bewusst zu sein. Fett, Fett, Fett, Fett, Fett, Fett, Fett, Fett – überall. Speck, Öl, Tran, die Welt – meine Welt – nur Fett. Ich will nicht mehr. Meine Ziele, Träume, Wünsche, Hoffnungen schmelzen dahin – nein, ersticken, erstarren in Fett. Hunger – warum kann ich nicht lernen ihn zu lieben? Den einzigen Freund. Einzig, allein Hunger der Ausweg. Fett – ich kann es nicht mehr hören, riechen, schmecken, mit mir herumtragen. Ich bin süchtig. Eine Sucht die mir den Tod bringt – den geistigen. Wenn schon Tod, dann nur einen ehrenhaften.
Ein verbrannter, schwelender Fleischberg.
Die Walfänger lauern überall. Wer fängt schon dünne Wale?
Knochen, Sehnen, Haut – was brauch ich mehr? Kälte, Hunger als Gefährten – meine Begleiter, nicht die Last, die ich mit mir herumschleppe.
Ich bin so schwach. Zu schwach um mir selbst gegenüberzutreten. Die Sucht mich vollzustopfen. Ich bin ekelerregend. Mir graut`s vor mir.
Je weniger man von etwas hat umso mehr lernt man es zu schätzen. Ich möchte mich selbst wieder schätzen können, ohne mir etwas vormachen zu müssen.
Wer sieht das Häufchen Elend inmitten Tonnen von Fetts? - mein Selbstschutz – mein Selbstmord.
Fett, Fett, Fett, Fett, Fett, Fett, Fet
Schmalzlocken, Speckreifen, Speckstreifen.
Magersucht komm und hol mich.

Ich will nie wieder essen!

Ich halt es nicht mehr aus.

Donnerstag, 5. April 2007

vomito ergo sum

"Vomito ergo sum - Ich kotze also bin ich."
Der Babyspeck, das wächst sich schon aus, haben die Erwachsenen gesagt, und "fette Sau" nannten mich die Gleichaltrigen. An jedem Zeitungskiosk hochglänzende Heilsversprechungen: 7 Kilo weniger in drei Tagen, für immer schlank, endlich Wunschgewicht, so werden Sie sexy wie nie. Ich hab daran geglaubt. Erst als Diätnovizin, dann als vollwertiges Mitglied im Orden der Fressschwestern, der nur im Geheimen operiert, an stillen Örtchen. 10 Jahre lang hab ich dem Stierhunger, der alles verschlingenden Göttin Bulimie gehuldigt. Bin vorm Kloaltar gekniet und hab Opfer dargebracht, mein Leben nur nach ihr ausgerichtet. So much for the ten year plan.

(der folgende text entstand ursprünglich als beitrag für das online-jugendmagazin fm5)


Ich war fünfzehn als mein Leben begann.

Auf dem Heimweg von der Schule war es plötzlich da, unaufgefordert und überraschend und seither hat es mich nie wieder losgelassen. Nie zuvor war es in solcher Intensität aufgetreten, das Herzrasen. Mir war schwindlig, ein kleinwenig schlecht und plötzlich wußte ich es in aller Gewissheit : „Ich bin verliebt.“

Das Abendessen war bereits vorbereitet, als ich daheim eintraf und obwohl es ein langer Tag gewesen war, sagte ich meiner Mutter, dass ich erstens keinen Hunger hätte und zweitens mit sofortiger Wirkung eine Diät beginnen würde. Danach hab ich mich in mein Zimmer eingeschlossen und es die nächsten Jahre praktisch nicht mehr verlassen.

Da saß ich also. Pickelig, mit strähnigem Haar, das üppige Doppelkinn notdürftig mit einem Halstuch in Form gehalten und träumte plötzlich nicht mehr nur von Pferden, sondern auch von jungen Männern. Genaugenommen nur von einem. Diese erste Liebe war so unsterblich, dass ich nicht mal mehr weiß wie er hieß. Mir war klar, dass er mich nie wahrnehmen würde, wenn ich nicht schleunigst mein Äußeres änderte, denn abgesehen von der altersüblichen Talgüberproduktion hatte ich auch noch schätzungsweise 25 Kilo zuviel. 80 Kilo aufgeteilt auf 164 cm Mensch. Die Extremitäten zwar durchaus wohlgeformt, der Rumpf jedoch recht fleischig und der Busen angesichts meines Alters angsteinflößend. „Fette Sau“ hatte man mir mehr als einmal nachgerufen. „Da kommt Pamela Anderson mal vier“ war zumindest intellektuell etwas ausgefeilter, aber genauso kränkend. Trotzdem hatte ich mich selbst gemocht und mir das auch mindestens drei mal täglich versichert. Nun aber zeigte sich mir im Spiegel eine Person, die ich abscheulich fand. So wie ich aussah, würde mich niemals jemand gernhaben können.

Und so hörte ich auf zu essen. Verliebte Euphorie gab mir die nötige Kraft, sowohl dem mütterlichen Pausenbrot, als auch dem Schulbuffet zu entsagen, mittags nur etwas Buttermilch zu schlürfen und abends ohne das geringste Bedauern auf die Nahrungsaufnahme zu verzichten. Ich besorgte ein Maßband und einen Notizblock. Mit Hilfe des Bandes und des letztjährigen Quellekatalogs versuchte ich, meine aktuelle Konfektionsgröße festzustellen, danach notierte ich sowohl Datum, als auch zu mir genommene Kalorienmenge, legte mein Wunschgewicht mit 55 Kilo fest und fühlte mich großartig.

Natürlich war ich mir im Klaren darüber, dass ich auch Sport treiben musste, um dauerhaft abzunehmen. Im Keller stand ein altes Trampolin, dass ich in mein Zimmer schleppte und fortan als Trainingsgerät nutzte. Dank Nirvana`s „Unplugged in New York“ gelang es mir bald 2 Stunden täglich darauf herumzuspringen.

Nach vier Tagen Buttermilchkur hing mir das Zeug zum Hals heraus, aber ich hatte beinahe 2 Kilo abgenommen. Wenn wenig essen schon zu solche Erfolgen führt, würde dann nicht gar nichts essen noch effektiver sein?

Am Dachboden fand ich alte Brigitte-Diät-Bücher und nach der Schule stahl ich Diätratgeber in der örtlichen Buchhandlung. Bereits nach einer Woche war ich zumindest in der Theorie mit sämtlichen je von der Menschheit ersonnenen Ernährungsformen zur Gewichtsreduktion vertraut und kannte den Kaloriengehalt von 500 Lebensmitteln auswendig. Mein Schwarm hatte mich noch immer keines Blickes gewürdigt.

Nichts als Kaffee und Wasser zu sich zu nehmen, hat nun zwar einerseits einen recht beachtlichen Körpermasseverlust zur Folge, allerdings stellt sich spätestens ab Tag zwei ein übler Mundgeruch ein und man wird auch ziemlich unkonzentriert.

Zu Beginn der zweiten Woche war ich zwar physisch erleichtert, jedoch ließ die Motivation bisweilen zu wünschen übrig. Manchesmal stellten sich auch Hungergefühle ein, ab und zu konnte ich nicht widerstehen etwas zu essen. Quasi eine Todsünde. Mir war übel, ich hasste mich selbst und begann zusätzlich zum Trampolintraining Sit-ups zu machen. Dass ich eine Nulldiät auf Dauer nicht durchhalten würde, war mir bewußt und vor allem hatte ich Angst davor magersüchtig zu werden. Aber in einem meiner Diätbücher war ich auf den „Reistag“ gestoßen. 200 Gramm Reis, Trockenmasse, sollte „die Pfunde purzeln lassen“. Ich glaube es gibt im deutschen Sprachraum exakt keine Veröffentlichung zum Thema abnehmen, wo nicht mindestens einmal „die Pfunde purzeln lassen“ vorkommt, ich habe diesen Ausdruck schon immer gehasst.

Zuvor hatte ich immer behauptet „Ich habe Mitleid mit allen Chinesen, weil die so viel Reis essen müssen“ und die klebrigen Körner geschmäht, aber um der Diät willen würgte ich nun exakt abgewogene Mengen davon hinunter. Meine Mutter wollte mir einen Gefallen tun und hatte sogar für mich vorgekocht, weil der Reis nicht ganz so schrecklich schmeckte wie üblich, kam ich dahinter dass sie einige Tropfen Öl und etwas Salz beigefügt hatte. Ich wurde hysterisch, denn erstens hat Öl 900 Kilokalorien pro hundert Gramm und damit den höchstmöglichen Energiegehalt überhaupt und außerdem bindet Salz Wasser im Körper. Ich glaube nicht, dass sie zu diesem Zeitpunkt schon vor hatte meine Diäterfolge zu sabotieren, aber um nicht zuzunehmen, legte ich sicherheitshalber eine Extraschicht am Trampolin ein.

Ich begann aus sämtlichen Zeitschriften Bilder auszuschneiden, von Frauen die meine Traumfigur hatten. Auch notierte ich weiterhin fleißig wieviel ich täglich aß. Ich erstellte Listen mit erlaubten und verbotenen Nahrungsmitteln. Ich ernährte mich fortan von Reis, Äpfeln oder eben gar nichts. Um abends den Hunger im Zaum zu halten, blätterte ich in Kochbüchern, betrachtete stundenlang Bilder von Lebensmitteln in allen Zubereitungsstufen und schlief irgendwann erschöpft und mit knurrendem Magen ein. Zusätzlich zum Trampolintraining und zu den Sit-ups ging ich joggen. Nach einem Monat fingen meine Jeans an zu rutschen, nach eineinhalb Monaten hatte ich kaum mehr was zum anziehen übrig und nach drei Monaten, die Waage zeigte 20 Kilo weniger an, musste ich mich am Kleiderschrank meiner Mutter bedienen.

Anfangs waren meine Eltern stolz auf mich gewesen, hatten mich ermutigt weiterzumachen, doch plötzlich bekamen sie es mit der Angst zu tun, meine Lehrer zogen mich in der Pause zur Seite, um ein ernstes Wort mit mir zu sprechen, ich konnte ihre Sorgen nicht verstehen. Ich war zum ersten Mal in meinem Leben glücklich.

Ich war stets das fünfte Rad am Wagen gewesen, die lustige, dicke Freundin, der Kumpel. Nun interessierten sich plötzlich genau die jungen Männer für mich, die mich früher verspottet hatten. Nachdem ich mich äußerlich so radikal verändert hatte, befand ich es für an der Zeit mein Image zu wechseln. Ich wollte nie mehr die graue Maus, die langweilige Besserwisserin sein, also begann ich zu rauchen, das hatte für mich einen zwar betont intellektuellen, aber interessanten Touch. Mit meiner neuen Selbstsicherheit war es nicht weit her, mittels Alkohols konnte ich mir allerdings behelfen. So gut sogar, dass ich bald auf Parties die betrunkenste und enthemmteste Person von allen war.

Irgendwann in dieser Zeit passierte es zum ersten Mal. Meine Selbstdisziplin ließ sich nicht mehr aufrechterhalten und ich stopfte mich derart mit Essen voll, dass ich mich übergeben musste. Ich hatte mechanisch nicht nachgeholfen, also brauchte ich noch keine Angst vor einer Essstörung haben, dachte ich zumindest. Die Fressattacken nahmen allerdings rasch überhand und eines Tages fing ich an, mich verschiedenster Hilfsmittel zu bedienen, um die überschüssigen Kalorien wieder loszuwerden.

Ein durchschnittlicher Fressanfall, meist in zwei bis drei Etappen angelegt, bestand zum Beispiel aus: 8 Kokoskuppeln, 7 Wurst- und Käsesemmeln, 1 Fruchtplunder, 2 Cabanossis, 1 Leberkäsesemmel, 1 Liter Cola, 250 g Erdnüssen, 2 Schokoriegeln, 1 Tüte Gummifröschen, ½ Apfelstrudel (nicht zu verwechseln mit einem halben Stück Apfelstrudel!), Sauerkraut mit Speck, 3 Bratwürsten, 4 großen Bratkartoffeln mit Ketchup, 1 Banane, 4 Toastbroten mit Marmelade + viel Butter, 4 Wurstbroten (die Wurst fingerdick aufgeschnitten, die Brote mindestens ebenso), 1 Dose Ananas, 1 Glas Currysauce.

Ich lernte bald in welcher Reihenfolge ich essen musste, um hinterher leichter erbrechen zu können. Anfangs hatte es genügt, wenn ich mir den Finger in den Hals steckte um den ersehnten Brechreiz auszulösen, bald reichte diese Stimulation nicht mehr aus. Ich steckte mir alle möglichen Gegenstände in den Rachen, zusammengerollte Taschentücher, Zahnbürsten, sogar Tampons. Ich denke, es gibt keinen erbärmlicheren Augenblick im Leben eines Menschen, als den, wenn dir erst ein Schwall Kotze aus der Nase schießt und dir plötzlich die Zahnbürste im Schlund steckt und du verzweifelt um Atem ringst, in der Gewissheit, dass irgendjemand deine Leiche in einer stinkenden Lache aus Erbrochenem finden wird, wenn du das Ding nicht schleunigst irgendwie herausziehen kannst. Noch peinlicher wäre es wahrscheinlich nur, an einem O.B. zu ersticken. Nach jahrelanger Übung kann ich mich übrigens mittlerweile auf Befehl übergeben.

Ich hasste mich für meine Schwäche. Der saure Geruch von Kotze begleitete mich überallhin. Damit meine Eltern keinen Verdacht schöpften, schüttete ich literweise Shampoo in die Toilette um den Gestank zu überdecken. Bei Schulausflügen oder wann immer ich meine gewohnte Umgebung verließ, führte mich mein erster Weg aufs Klo. Ich musste mein Revier abstecken, herausfinden wann ich am besten ungestört kotzen könnte. Ich lernte die Vorteile und Tücken von Flach- und Tiefspülern ebenso kennen, wie die Segnungen einer Bad-WC-Kombination - bei vollaufgedrehter Dusche lassen sich Würggeräusche überdecken und der Wasserdampf hilft gegen den Geruch. Wenn ich, aus welchen Gründen auch immer, nicht kotzen gehen konnte, wurde ich unruhig, reizbar und aggressiv. Für solche Fälle spielte ich mit dem Gedanken, mir Abführmittel zuzulegen. Unter anderem deshalb kenn ich praktisch nur ein italienisches Wort: lassativo - Abführmittel.

Ich wünschte mir nichts mehr, als magersüchtig zu sein, nie mehr essen zu müssen. Ich bewunderte die Willenskraft derer, die sich zu Tode hungern, ich dagegen war schwach und ekelerregend.

Natürlich hatten meine Eltern mitbekommen was mit mir los war, nicht nur weil in unserem Haushalt riesige Mengen an Toilettenpapier, Duschgel, Zahnpasta und Nahrungsmitteln verschwanden. Sie drohten mir, mich ins Krankenhaus einliefern zu lassen. Mein Vater baute eine Speisekammer, zu der ich nur unter Aufsicht Zutritt hatte. Jedoch schaffte ich es immer wieder nachts mit meinen spindeldürren Unterarmen Lebensmittel herauszufischen, oder angelte mit einem aufgeschnittenen Hoola-Hoop-Reifen nach dem Brotkorb. Aus „öffentlich“ zugänglichen Lebensmitteln wie Mehl und Ketchup buk ich frühmorgens Fladenbrot im Toaster, überhaupt kann ich wahrscheinlich aus praktisch allem Essbaren eine kotzbare Mahlzeit zubereiten.

Wenn ich nicht gerade in der Schule saß, ging ich auf Diebestour in Supermärkten oder versuchte zuhause unbemerkt alles Kalorienhaltige an mich zu raffen. Ich konnte an nichts anderes mehr denken, als an Essen. Meine Klogänge daheim wurden streng überwacht, notgedrungen musste ich in den Wald ausweichen. Bald war es mir zur Gewohnheit geworden, mit einer Handtasche voller Taschentücher, einer Zahnbürste, Zigarretten und einer großen Flasche Wasser durch die Wälder zu streifen um bei jeder Wetterlage meinen Mageninhalt loszuwerden. Selbst Aussentemperaturen von minus 20 Grad schreckten mich nicht ab.

Mein Gesicht war aufgedunsen, ich hatte beständig Magenschmerzen, Mundgeruch, Konzentration war ein Fremdwort geworden, eine unendliche Erschöpfung hatte Besitz von mir ergriffen. Es verging kein Tag mehr, ohne dass ich mich im wahrsten Sinne des Wortes besinnungslos fraß um mich hinterher zu übergeben, meist mehrmals täglich. Meine Tagesverfassung war gewichtsabhängig, ein halbes Kilo weniger oder mehr war ausschlaggebend für Hochgefühle oder schwere Depression - die Waage ein Gradmesser meiner Verzweiflung.

Plötzlich begann ich Blut zu erbrechen, anfangs hielt ich es für geschmolzene Schokolade, Blutungen aus dem Magentrakt wirken bräunlich im Gegensatz zu den hellroten Rachenblutungen. Beim ersten Mal wurde ich noch panisch, im Laufe der Zeit gewöhnte ich mich daran. Ich wünschte mir sogar, innerlich zu verbluten, damit dieser unwürdige Zustand endlich ein Ende hätte.

Das Einzige was mich, abgesehen von essen noch aufrecht erhielt, war, so paradox es klingen mag, der dringende Wunsch zu sterben. Nächtelang hielt mich der Gedanke an Selbstmord wach und ich ritzte mir mit Rasierklingen ins Fleisch, zumindest Schmerz konnte ich noch empfinden.

Andere Lebensinhalte hatte ich nicht mehr. Nun, vielleicht noch das Bedürfnis nach menschlicher Nähe. Um dies zu erreichen, betrank ich mich bei jeder Gelegenheit maßlos. So wahnsinnige Angst ich nüchtern vor Sozialkontakten hatte, so zügellos benahm ich mich im Rausch. Was einerseits zu einem sehr zweifelhaften Ruf, andererseits zu einigen Alkoholvergiftungen führte.

Die Schule sah ich nur mehr selten von innen (geschafft habe ich sie dennoch, das Wie ist mir bis heute schleierhaft.). Die erste große Liebe war längst vergessen, unzählige weitere aussichtslose Schwärmereien waren ihr gefolgt. Meine Eltern hasste ich aus tiefstem Herzen, mich selbst allerdings noch viel mehr.

Was es war, dass mich am Leben erhielt, kann ich nicht beurteilen. Nicht die Therapiestunden, nicht die stundenlangen nächtlichen Telefonate mit der Telefonseelsorge, nicht der stationäre Klinikaufenthalt, nicht die Selbsthilfegruppe, nicht der erste Freund, nicht der zweite, mein Elternhaus unter Garantie nicht, auch nicht der nahezu inexistente Bekannten- und Freundeskreis. Möglicherweise gibt es doch so etwas wie einen Lebenswillen, der unter all der Selbstverachtung und dem tiefempfundenen Haß für die eigene Person schlummert.

Mit 19 zog ich von zu Hause aus, um ein neues Leben zu beginnen und endlich Freunde zu finden, Menschen die mir ähneln. Ich fand sie nicht, meine einzige Begleiterin war die Bulimie. Seit Jahren definierte ich mich nur mehr über diese Krankheit, sie war mein Halt, mein Ritual, meine beste Freundin, alles was meine Person ausmacht. Meine Ängste und die Einsamkeit ertränkte ich in Alkohol, oft auch in der Absicht nie wieder aufzuwachen.

Heute bin ich 24 und Teil-Zeit Bulimikerin. Ich habe es satt all meine Energie im Klo hinunter zu spülen. Ich kotze nur mehr alle paar Tage, manchmal sogar wochenlang nicht. Ich habe gelernt meine Fressattacken zu kontrollieren, aber auch, dass zu starker Kontrollzwang das Gegenteil bewirkt. Die Depression ist nach wie vor meine ständige Begleiterin, bisweilen kann ich dem Leben jedoch schon ein paar schöne Momente abgewinnen. Ich lerne nur langsam, wie es ist, wirkliche Freunde zu haben und aus der selbstauferlegten Isolation herauszutreten. Ich würde niemals andere Menschen nach so strengen Maßstäben beurteilen wie mich selbst, doch ich bin meine gnadenloseste Kritikerin. Spiegel sind noch immer meine schlimmsten natürlichen Feinde. Denn egal, ob ich wie zu meinen kränkesten Zeiten 45, oder wie jetzt 55 Kilo auf die Waage bringe, alles was ich sehe ist Fett. An schlechten Tagen wage ich es nicht die Wohnung zu verlassen, weil ich mich fühle wie ein gestrandetes Walross, ein wirklich häßliches noch dazu. Ich habe Angst vor fremden Menschen, Angst davor ausgelacht zu werden. In der Öffentlichkeit zu essen ist purer Stress für mich, auf offener Straße oder in Umkleidekabinen befallen mich hin und wieder Panikattacken und ich fürchte zu ersticken.

Die Bulimie hat mich neben der Kunst des Verschleierns auch in der hohen Kunst des Fassadenbaus unterwiesen. Meine Umwelt hält mich für selbstsicher, geradezu arrogant. Nach außen hin bin ich eine starke, sehr harte Frau mit recht männlichem Gehabe und morbidem Humor. Innerlich allerdings bin ich leer - wie eine Wursthaut ohne Fülle. Mich bis zum Anschlag mit Essen vollzustopfen, ist meine einzige Möglichkeit mich lebendig zu fühlen.

Ich maße mir nicht an, wirkliche Ratschläge erteilen zu können, jede Bulimieerkrankung hat ihre ganz speziellen Ursachen. Letztlich denke ich jedoch, dass der Auslöser für diese Krankheit aus der Unfähigkeit resultiert, mit bestimmten Emotionen umzugehen.

Ich habe es aufgegeben in meinen Kindheitserinnerungen herumzustochern, natürlich hatte ich eine bulimietypische Familienstruktur: Den biologischen Vater, den Stiefvater, von keinem der beiden wirkliche Anerkennung, die Mutter die irgendwo dazwischen stand, die Befürchtung einmal so zu werden wie sie - unsicher und fremdgesteuert, die Halbgeschwister und das Gefühl nirgendwo dazu zu gehören, die fehlende Geborgenheit,... Dennoch will ich nicht nur in der Vergangenheit leben oder einen „Schuldigen“ finden.

Ich für meinen Teil kotze mir die sprichwörtliche Seele aus dem Leib, weil mich die Sehnsucht nach menschlicher Nähe, Akzeptanz und Gefühlen, aber gleichzeitig die panische Angst davor (denn Nähe zu wollen, bedeutet aus meiner Sicht der Dinge heraus, sich in eine Abhängigkeit zu begeben, was für mich von Schwäche zeugt) innerlich zerreisst.

Von Selbsthilfegruppen und Internet-Bulimie-Foren halte ich persönlich nicht viel. Zu groß ist die Gefahr sich nur gegenseitig die triste Weltsicht zu bestätigen. Mich hat der Aufenthalt dort stets nur noch mehr deprimiert. Therapeutische Hilfe ist in den allermeisten Fällen unumgänglich. Ein stationärer Klinikaufenthalt kann eine gute Möglichkeit sein, aus dem gewohnten Trott auszubrechen, für eine Heilung allerdings reicht die Zeit sicher nicht aus. Für weiterführende Behandlung empfiehlt es sich, sich an einen ausdrücklich auf Essstörungen spezialisierten Psychologen zu wenden. Eine gewisse Skepsis dieser Branche gegenüber, halte ich dennoch für angebracht. Auf der Suche nach einem geeigneten Therapeuten sind mir schon die absurdesten Dinge widerfahren: Die Psychologin, die mich nach der ersten Stunde fragte „Was wollen sie eigentlich hier? Sie wissen doch was ihr Problem ist.“, der Vorwurf ich hätte bei einem psychologischen Computertest geschummelt, der Psychologe der mich bat, mich doch auf einen anderen Stuhl zu setzen, dieser hier sei nämlich sein Platz, der unendlich beleidigt reagierte und eine weitere Zusammenarbeit vorerst verweigerte, als ich ihn scherzhaft fragte, ob er denn platzfixiert sei.

Bulimie ist eine zerstörerische Sucht, die nicht nur die Betroffene / den Betroffenen sowohl nervlich als auch gesundheitlich und finanziell zugrunde richtet, sondern Familien, Partnerschaften und Freundschaften auseinander reissen kann, der Leidensdruck ist auch für Angehörige beinahe unerträglich.

Essstörungen sind zwar mittlerweile als Gesprächsthema salonfähig geworden, dennoch haftet ihnen ein großes Tabu an, die Dunkelziffer der Betroffenen ist enorm. Die wenigsten Bulimikerinnen bekennen sich offen zu ihrer Krankheit, aus der Befürchtung heraus für psychisch abnormal, nicht liebenswert, abstoßend gehalten zu werden. Dabei lebt diese Krankheit gerade von der Heimlichtuerei, darüber sprechen zu können, nimmt ihr viel von ihrem Schrecken.

privataudienz

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der pöbel unter sich

Ich finde die beamtenhaft...
Ich finde die beamtenhaft anmutende Pause in diesem...
bob (Gast) - 23. Dez, 10:14
Das ist doch unglaublich....
Das ist doch unglaublich. Glaub ich.
textorama (Gast) - 22. Sep, 17:11
Wohl eher ein naturhysterisches...
Wohl eher ein naturhysterisches Diorama. Die beiden...
textorama (Gast) - 22. Sep, 17:10
gemüsehunger, immer zur...
gemüsehunger, immer zur unzeit... längst licht aus...
p. (Gast) - 9. Aug, 04:03
gemüsefach hatte an dem...
gemüsefach hatte an dem tag bereits geschlossen.
MoniqueChantalHuber - 6. Aug, 07:58
auf n sprung ins gemüse?
auf n sprung ins gemüse?
p. (Gast) - 6. Aug, 03:56
klammern halten die großen...
klammern halten die großen scheine einfach besser zusammen.
MoniqueChantalHuber - 3. Aug, 16:08
Klammern anstatt Rettungsschirm,...
Klammern anstatt Rettungsschirm, sehr clever.
mq (Gast) - 2. Aug, 09:08
eine fabelnhafte idee.
eine fabelnhafte idee.
MoniqueChantalHuber - 1. Aug, 22:30
Ich überlege gerade,
ob es nett wäre, wenn sich könig egon ladislaus froschojewsky...
schreiben wie atmen - 1. Aug, 22:18

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Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09

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