dramen

Samstag, 3. Dezember 2011

on the road again


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Dienstag, 24. August 2010

menschen fischen

ein gestrandeter wal liegt auf dem buckel.
bleiche schenkel, üppig und weich, gespreizt.
ein bermudadreieck aus krausem seetang.

alles, was sie hat, hat sie zur bank getragen. dort im park.

die haut so weiß wie schnee, die würgenmale rot wie blut und innendrin völlig blau.

väterchen trost. väterchen prost. sa sdarovje!

natascha heißt sie, sagt sie, während ich ihr schmutzbesudeltes kleidchen zurecht rücke, aus dem sie an allen enden quillt und aus sich hinaus fließt. die nähte so aufgeplatzt wie ihre wange.

das gewaltdelikt ist ein relikt aus vergangenen tagen, erzählt sie, bevor sich ihre kartoffelwasserblauen augen wieder verschleiern. denn mehr als ihr innerstes hat sie nicht mehr zu verhüllen.

ihr greifbares ich trägt sie in zwei taschen, die ich einsammle und zu ihren achtlos ins gras geworfenen pantoletten stelle.

ich bin so knapp bei kasse, dass ich an der kassa des sparmarktes einen notruf erbitte. und einmal mehr frage ich mich, weshalb es nicht eins-zwei-zwei-poli-zei heißt, sondern feuerwehr.

eine stimme vom amt erhört mein begehr und schickt dem bürgerschreck die bürgerwehr, während passanten darauf passen, was passiert, mit der frau, die keiner sieht, weil sie nicht ins stadtbild passt, ein gefallenes standbild mit filmriss.

sie atmet tief und schwer und feucht. dort auf der bank im park.

der klingelbeutel reißt sie nicht aus ihren wodkaträumen, also stelle ich die verbindung zu einer anderen welt her. bin medium im beziehungsäther.

der onkel sei er, sagt er und sie, ja sie, sie sei eben so.

ich frage, wer sie ist und wo sie hingehört, und er, er hat nicht hin gehört. er erzählt mir seine geschichte mit ihr. meine geschichte mit ihr dringt nicht zu ihm durch.

eine grenzgängerin sei sie, eine handlungsreisende zwischen wahn und wirklichkeit. sie habe in der manie gehandelt, als sie zum wodka griff, anstatt zu den gleich und gültig machenden pillen.

das mündungsfeuer seiner worte schmeckt bitter. entmündigen sagt er, entmündigen.

für sie gibt es keine rettung mehr. "wenn sie besoffen ist, muss die rettung her."

der informierte uniformierte, der ihr verächtlich in das dickicht zwischen ihren haltlosen beinen glotzt und mir anerkennend auf den arsch, sagt: "ach, die kennen wir".

nein, das denke ich nicht.

aber ich denke, sie werden sie dorthin bringen, wo sie all die anderen hingebracht haben, die mir ins netz gingen - ins netzbett der psychiatrie, damit sie wieder auf den rechten pfad zurück finden, und ich bin der fischer, der sie aus dem trüben fischt und in ein neues becken wirft.

was bleibt, ist die gewissheit, dass alles ungewiss bleibt und wer weiß, wann ich in die netze gehe.

sa sdarovje!

Mittwoch, 4. November 2009

die heilige johanna der schlachthöfe

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Eine Hommage an das Alien, das doch anderswo landete.

Sonntag, 22. Februar 2009

blutsturz in semmelweiß

Der gepolsterte Op-Tisch hat die Form eines Kreuzes. Die Anästhesistin knöpft mir das Nachthemd im Nacken auf, während der Chirurg irgendwo zwischen meinen Beinen verschwindet. Sie klebt Elektroden an meine Brust, bedeckt schambewußt sogleich die freigelegte Blöße, als meine Hülle unerwartet etwas tiefer rutscht.

„Ob mir der Busen raushängt, ist in Anbetracht dieser surrealen Situation eigentlich nebensächlich. Ich befinde mich nicht gerade in einer klassischen Position um neue Leute kennenzulernen.“ sage ich. Der Operateur hantiert tief unter meinen gespreizten Schenkeln. Die Op-Schwester grinst unsicher. „Grüß Gott!“ sag ich. Die Anästhesistin kichert.

Ruhe sickert durch meine Venen und bald ist alles egal. Aber das ist es schon längst.

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„Zeigen sie ihr es doch im Aufwachraum, wenn sie sich daran erinnern kann.“ Die Stimme der Narkoseärztin durchdringt selbst das Nichts.

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Drei Betten stehen in dem Raum, ein Paravent schirmt meine neugierigen Blicke auf die anderen Frauen ab. Am rechten Zeigefinger trage ich eine schwarze Plastikklammer. Von dort aus werden Herzfrequenz und Blutdruck auf den Monitor neben mir übertragen. Ich klemme mir das Ding auf die Nase, vielleicht kann ich so einen Herzstillstand simulieren.

Liegen langweilt mich. Im Schneidersitz trotze ich allem was da noch kommt. „Legen Sie sich wieder hin!“ befiehlt die Schwester. „Ich muß aufs Klo.“ „Sie dürfen noch nicht aufstehen. Kreislauf. Sie haben starke Blutungen. Ich kann ihnen aber einen Nachttopf bringen.“ „Nein, danke. Ich habe wenige Schamgrenzen, aber das ist definitiv eine davon. Haben sie was zu lesen?“
Ich bin eine renitente Patientin. Niemals Opfer sein. Ich trotze weiter.

Ich warte, warte, warte. Auf das Endgültige.

Eine Schwester kommt auf mich zu. Fürsorglich bestimmt. Sie weiß, dass mir das nicht gut tun wird. Dass ich den Anblick nicht ertragen werde. Dass mein Ansinnen keinen Sinn macht. Ich weiß es besser.

Ich habe einen Brief geschrieben. Gestern. Damit sie es mir nicht nehmen können. Eine schriftliche Anweisung, die zu meinen Patientendaten geheftet wird. Einen Wunsch, den sie nicht ignorieren können, nicht übersehen, nicht vergessen in der Hektik des Operationsalltags.

Endlich akzeptiert die Schwester, dass ich nicht umzustimmen bin. Im Gehen sieht man ihr an, was sie von meiner Forderung hält. Wozu ein solcher Aufwand? Für sie ist es Normalität, fünf, zehn, vielleicht sogar mehr. Täglich. Für mich gibt es nur dieses eine. Heute.

Schließlich kehrt sie zurück. Sie trägt es am Arm. In ein Handtuch gehüllt. Um anderen den Anblick zu ersparen.

Es ist der Auffangbehälter des Absauggerätes mit dem man mich alleine lässt. Grobe Gewebefetzen, Blut, Schleim, Spülflüssigkeit. Es lassen sich keine Details ausmachen. Man hat das Kind püriert.

Ich schüttle den Becher, drehe ihn nach allen Seiten, bestaune die Klumpen gestockten Blutes, die gallertige Masse, aus der einmal ein Mensch hätt werden können. Irgendwo darin schwimmen die Reste eines Herzens, das bis vor drei Wochen geschlagen hat.

„Es tut mir leid, aber ihr Kind ist tot.“ hat man mir gesagt, tags zuvor beim Ultraschall. „Keine Herzaktivität mehr. Es ist auch nicht mehr gewachsen in den letzten Tagen.“ Verhaltener Abort. Ich hätt es gern behalten. Trotzdem.

Ich muss mich von dem Kind im Becher trennen, es der Wissenschaft überantworten. Gewebeproben im Labor, danach Entsorgung. Dabei hätt ich es gern begraben und mit ihm das Gefühl, dass das alles irgendwie zu schaffen sei.

Ich sag dem Becher Lebewohl und alles ist wie früher, aber nichts mehr wie es war.

Donnerstag, 29. November 2007

i will start again, a million* miles away...


nine inch nails - hurt
"Oh, du mein Fallada, da du da hangest"
"Oh, du Jungfer Königin die du gangest, wenn das deine Mutter wüßte, das Herz tät ihr zerspringen."

Wir bestiegen den schwarzen Schönen, damit er uns ein allerletztes Mal hineinträgt ins Nebelloch unserer Erinnerungen. Doch der Schinder wetzt bereits das Beil. Ausgeschlachtet wird er werden, der Edle, den wir nicht mehr zu ernähren vermögen.
Uns wurd`s ganz beklommen ums Herz, als wir vorhin seine dampfende Flanke zum endgültigen Abschied tätschelten.

Der Elfenbeinturm in Schutt und Asche, unsere Existenz in Trümmern - es blieb uns keine Wahl mehr, als die kopflose Flucht. Zumindest jene Prophezeihung wird sich nun jedoch nicht erfüllen:
...ich werde alsdann vom mönchsberg springen, eines meteoriten ebenbürtig, neben der pferdeschwemme einschlagen und einen tiefen krater hinterlassen - nicht nur im japanischen sozialgefüge (eine vorurteilsbehaftete aussage, gewiss).
es wird eine wolke emporsteigen, voll der konzentrierten frustrierten energie. der himmel über salzburg wird sich verfinstern und hell wird`s nimmermehr. fortan wird meine zerplatzte körperlichkeit widerborstig, klebrig umliegenden gemäuern anhaften und saure enttäuschung sich durch den stein fressen. versprengte gedankenpartikel werden die luft verpesten und eine niegekannte düsternis sich in den gehirnen der stadt einnisten.

Fort, fort, nur fort von den Bergen. Sie mögen, aus sicherer Distanz bestaunt, recht dekorativ sein, doch schlug uns diese voralpine Kitschkulisse schon immer auf das Gemüt. In den Häuserschluchten der wirklichen Welt scheint die Fallhöhe geringer - wir sind ja reichlich tragödienübersättigt. Ein Dasein als Gänsemagd ist vielleicht, wenn schon nicht rühmlich, so doch überschaubar, in Hinsicht auf seine Dramenlastigkeit.

Achwas, vermaledeite Schwarzseherei! Wir haben uns doch bislang noch jede Kutsche aus dem Dreck ziehen lassen.

*Naja, 198, 83 Meilen, in Wahrheit

Montag, 26. November 2007

morgen, ja morgen, fang' i a neues Leben an

umzug2
und wenn net morgen, dann übermorgen, oder zumindest irgendwann

Dienstag, 20. November 2007

mögest du in interessanten zeiten leben...

Life is hard, and so am I


(You'd better give me something, so I don't die
Novocaine for the soul
Before I sputter out
Before I sputter out...)

Freitag, 26. Oktober 2007

future partyqueen

in ferner zukunft wird mein gegenwärtiges dilemma dazu nütze sein, ein ungläubiges staunen in die gesichter der unterhaltungssuchend beisammenseienden zu zaubern.

"ach, erzähl doch noch mal die geschichte, wie du wegen eines arbeitskollegen deine wohnung verloren hast" wird es heißen, alkoholschwere schenkel wird man klopfen. "spar auch den teil mit dem polizeieinsatz nicht aus!" werden sie fordern, die vergnügungssüchtigen, und ich werd mein lebensdrama ausschlachten, nicht an pointen und unvorhersehbaren wendungen sparen.

zu guter letzt wird herzlich, wenngleich doch auch ein wenig betreten, gelacht werden. prusten und grunzen werden die skeptiker, deren ablehnung nur mehr geringe schäden am filigranen schutzkorsett der humoristisch durchwebten offenlegung aller schwachstellen hinterlassen, genauso, wie diejenigen, die um die bitterkeit meiner schwänke wissen. ich werde mit ihnen lachen. wie schon zu oft davor.

aber noch steht mir der sinn nicht danach, existenzbedrohendes zur erheiternden anekdote zu erheben. man möge sich bis womöglich ende november gedulden.

und falls jemand jemanden kennt, der eine kleinwohnung in wien zu vermieten hat oder möbeltransporteurs- und speditionsgehilfen mit herz für resignierte frauen oder aber jemand weiß, wo man günstig ein anderes leben (gerne gebraucht, aber bitte nur mit normalen problemen - durchfall, liebeskummer, trauriger kontostand, etc.) herkriegt ...

Freitag, 6. Juli 2007

salto mortale

ich schlendere nicht, ich stolziere. wenn andere im regen den den kopf zwischen die schultern ziehen, wie bucklige nagetiere durch die fluten hasten, schreite ich durch das unwetter, trotze den gewalten, bis mir das wasser bis zum hals steht, die fassade aufweicht. dann rudere ich nicht oder klammere mich an strohhalme, stattdessen lasse ich mich ins ungewisse treiben.

haben sie schon einmal eine zukunft sterben sehen? meine hat gequiekt wie eine sau beim abdecker. ich hab sie fassungslos angestarrt, wie sie da so lag und zappelte und fiepte, die zukunft, die mir eben ins auto gerast war, sich vor meinen augen überschlug und dann zu boden krachte. supergau.

einzig die parkwächterin, an deren üppigen busen ich für zehn sekunden meiner panik freien lauf lasse, bevor die coolness as usual wiedereinsetzt, sieht hinter das wesen, das ich mir geschaffen habe. sie tätschelt meine hand, während man die nächsten jahre meines lebens, mein studium in den rettungswagen lädt. mir ist so eiskalt, wie sie mich einschätzen. ich müsste weinen, schluchzen und schreien, nicht haltung bewahren.

ich kann nicht mehr atmen seit diesem tag, nur flach nach luft schnappen.

der polizeibericht ist lückenhaft, die zeugin in ihrem tapsigen bemühen, meine unschuld zu beweisen, unglaubwürdig und die urlaubsvertretung des anwaltes bringt wenig erfahrung und kein auftreten mit.

arrogante lesbische künstlerin, ist die einschätzung derer, die über mich richten, die aussichtsloseste aller schubladen. den stolz wollen sie mir austreiben, weil ich zu aufrecht auf der anklagebank sitze, ich bin ihnen nicht opferlamm genug. "sie sind zu ehrlich" sagt mein verteidiger, der mir dabei zusieht, wie ich mich verteidige. strafrechtlich steht und fällt das urteil mit der stopptafel, einen freispruch gewährt man mir nicht, nur eine mögliche teilschuld. ein männchen ohne rückgrat spricht dinge, deren mangelnder wahrheitsgehalt nicht zur debatte steht.

sein ziviles wehklagen kostet mich meine träume. aus den schmerzen, die er sich selbst damit nicht verdient hat, dass er meine existenz bedroht, schlägt er nun profit.

"wissen sie, dass meine versicherung aussteigt?" raune ich dem krummen würmchen zu, als sein rechtsvertretendes selbstbewusstsein kurz ausstritt. "nicht weil ich betrunken war, oder sonstwie vorschriftswidrig gehandelt hätte, sondern weil der schlimmste alle möglichen und unmöglichen fälle eingetreten ist. meine versicherungsrate war nicht bezahlt. sie bedienen sich nicht an den geldtöpfen einer versicherung, sondern an meiner lebensgrundlage. ich kam von der bank, als der unfall passierte. der lohn noch immer nicht am konto, ein euro fünfzig restvermögen. ich wollte zu einem freund, mir geld borgen..."

für den rest der geschichte wäre er, der jetzt schon schwankt, nicht stark genug.

Mittwoch, 27. Juni 2007

die anfänge

die erste geschichte die ich je schrieb. die ich in allem überschwang über eine veröffentlichung in einem mittelklassigen provinz-onlinejournal, mich fünf minuten der illusion hingebend, etwas von bedeutung geschaffen zu haben, ausgerechnet dem agenturchef zu lesen gab, was mich sein vertrauen (das alte "wo endet dichtung und wo beginnt wahrheit" - problem) und in letzter konsequenz den job kostete. so viel waren diese zeilen definitiv nicht wert. mein themenspektrum hat sich seither nicht großartig verändert und noch immer setzt man gern das beschriebene ich mit dem schreibenden ICH gleich. manchmal berechtigt, manchmal nicht.

vielleicht sollte ich mehr über gänseblümchen schreiben, sonnenaufgänge und zuckerwatte, zumindest das schreckstarre "das ist doch autobiografisch, oder?" fiele dann weg. menschen die von blumen und dem wonnegefühl der ersten frühlingssonnenstrahlen, die nackte zehen kitzeln, berichten, vor denen hat man keine angst oder vermutet in jedem satz ein detailgetreues abbild der zerrütteten autorenpsyche.

achwas, selbst bei diesem text meinte kürzlich ein mir ehemals sehr zugetaner mensch "ein wenig gerührt, um nicht zu sagen be-rührt bin ich allerdings auch von der geschichte, da ich die vita der verfasserin kenne und an der einen oder anderen stelle erahne, wie das erlebte in die fabel einfloss." AAAAAAAAAAAAAH!

saisonal deplatziert, andererseits: spätestens nächsten monat gibt es bestimmt schon irgendwo schokonikoläuse zu kaufen


a christmas suicide: eine winterimpression, eine winterdepression

(ich erspare mir und ihnen interpretationsversuche, diesmal ist`s tatsächlich stark autobiografisch, allerdings so vergangen, dass ich`s bereits als fiktion betrachte.)

lebkuchen

Kopfschmerzen. Pochende Kopfschmerzen. Ich lieg im Bett. Allein. Gott sei Dank! - Ich kann also nicht so betrunken gewesen sein. Ich steh auf und suche meine Zigarretten. Lauf aufs Klo und kotze Gallensaft. Erinnerungsfetzen. „Ach du Scheiße!"

Das Telefon klingelt. Reinhard. „Na, du hast ja gestern ordentlich einen sitzen gehabt." Und er erzählt Dinge, die ich nicht glauben will. Ich halt mir die Ohren zu und summe laut vor mich hin. Ich könnt heulen. Vor lauter Scham muß ich gleich nochmal kotzen. Den Rest des Tages verbringe ich in einer Wolke aus Alkoholausdünstungen. Meine Mitbewohnerinnen sehen fern und trinken Bier. Ich hasse mich und trinke Wasser.

Niemand da, der mich festhält. Ich lieg im Dunkeln und warte. Auf nichts Besonderes - nur dass es aufhört - das Pulsieren in meinem Schädel, das sinnlose Besaufen, die Suche nach der wahren Liebe, alles. Ich möchte sterben - ja, sterben wär jetzt genau das Richtige.

Irgendwo in meinem Zimmer liegen noch 2 Packungen Antidepressiva - „Sie sind immer so traurig! Es braucht Ihnen nicht peinlich zu sein. Das hilft Ihnen wieder zu sich selbst zu finden" - 60 Portionen Glück im praktischen Spender. Meine aspiringeeichte Kehle schluckt folgsam und ohne Würgen.

Ich geh in die Küche und hole den Apfelkorn vom Schrank - unser Adventkalender. Feinsäuberlich ist die eineinhalb Liter Flasche mit 24 Strichen markiert und mit lustigen Weihnachtsmotiven beklebt. Ich nehm mir ein Glas, füll es an und trinke es in einem Zug leer, dann noch eins. Nach dem dritten wird mir übel. Vorsichtshalber gieß ich mir nochmal nach. Ich trinke langsamer und starre ins Küchenlicht. Ich warte ab, was passiert.

Sterben ist eigentlich schon Scheiße. Meine Mitbewohnerinnen sitzen im Wohnzimmer und trinken noch immer Bier, ich trink nun direkt aus der Flasche. Ich ruf Reinhard, den Kollegen, an und sag ihm, dass ich morgen nicht zur Arbeit kommen werd, dass ich jetzt wahrscheinlich ins Krankenhaus fahr, dass ich was Dummes gemacht hab. Er wird hysterisch. Ich leg auf und wähl die Nummer vom Notruf. Ich zieh mir die Schuhe an, steck meine Zigarretten ein und geh nach unten.

Draußen riecht es nach Schnee. Und Hundescheiße. „Wo ist sie? Haben Sie uns verständigt?" Ich klettere ins Rettungsauto. Meine Sozialversicherungsnummer kann ich auswendig. Die Sanitäterin fülllt ein Datenblatt aus und redet mir gut zu. Ich seh nur mehr verschwommen. An den Milchglasscheiben des Rotkreuzwagens zieht die Stadt vorbei. Bunte Lichter. Ich schlafe ein.

Ich lieg hinter einem grünen Vorhang aufgebahrt. Ich hab die Hände über dem Bauch gefaltet. Vielleicht bin ich jetzt tot? „...sollen wir den Magen auspumpen? ..Aktivkohle... wie alt ist sie?... solange der Kreislauf stabil ist... weiß jemand, was sie genommen hat?...ruf die Vergiftungszentrale an!...” „Ihr Freund möchte sie sehen!” Ich hab doch gar keinen Freund.

Reinhard schiebt den Vorhang zur Seite. „Ich habe behauptet, dass wir zusammen sind, sonst hätten sie mich nicht zu dir gelassen.” „Du und mein Freund? Nur über meine Leiche” sage ich und lache. Ich freu mich, dass ich Besuch hab und schlaf wieder ein.

„2,6 Promille” Ich klettere von meiner Liege. Reinhard ist nicht mehr da. Ich sag, dass ich jetzt eine rauchen geh. Eine Schwester setzt mich in den Rollstuhl, fährt mich auf den Gang hinaus und hilft mir, die Zigarette anzuzünden. Von irgendwoher kommt plötzlich irgendjemand und bringt mich irgendwohin.

Es ist dunkel. Eine Flügeltür zu einer anderen Welt. Stampfen. Pochen. Zischen. Ich bin in einer Maschinenhalle. Ich kann Musik sehen. Man trennt mir den linken Arm ab. Die Musik ist mein Herzschlag, ich beobachte den Monitor. Wenn ich will, kann ich mein Herz stehen lassen. Die Blutdruckmanschette pumpt sich wieder auf. Neben mir liegt etwas. Ein Cyborg. Er schnarcht - nein, das ist kein Schnarchen, er erstickt.

Die alte Frau wird die Nacht nicht überleben. Da stecken ja nur Schläuche drin. „Auf Wiedersehen, alte Frau, ich wünsch dir alles Gute.” Die Alujalousien. Ich zähle die Lamellen. Ich kontrolliere meinen Herzrythmus. Die Bludruckmanschette pumpt sich jede halbe Stunde auf. Drei mal, fünf mal, acht mal, zehn mal. Die Jalousie besteht aus 33 Teilen. 33, 33, 33, 33, 33. Herzrasen. Blutdruck 158 zu 60. Der Monitor macht ein neues Geräusch. Alarm. Ich versuche es nochmal.

Eine Frau kommt, mit Duschhaube, sie steckt dem Cyborg einen neuen Schlauch hinein. Ich will schlafen. SCHLAFEN. Eine Minute, zwei Minuten, achtundzwanzig Minuten, siebenundvierzig Minuten, die Frau mit der Duschhaube kommt wieder - ich glaube, sie mag mich nicht, zweiundfünfzig Minuten, neunundfünfzig Minuten, gleich pumpt sich die Manschette zum siebten Mal auf, dreiunddreißig, dreiunddreißig, hundertundvier Minuten, die alte Frau wird sterben, ich weiß es, hundertsiebzehn Minuten, zweihundertneununddreißig, nullachtfünfzehn, nullneunhundert, siebzehnachtzehn.

Es wird hell. Seit dreiundzwanzig Minuten. Die alte Frau lebt noch. Eine neue Frau mit Duschhaube kommt. Fünfundvierzig Minuten. Eine andere Frau kommt, ohne Duschhaube.

„Willst du etwas zu trinken?” Ich nicke und greife gierig nach dem Glas. Ich verschütte das Wasser auf meinem Bauch. Sie schenkt mir erneut Wasser ein. Diesmal hilft sie mir. Meine Zunge klebt am Gaumen. Die Frau verlässt mich, und ich weine. Es vergehen Minuten, Stunden, Tage, Monate. Sechs Uhr dreißig. Meine Frau kommt wieder. Sie gibt mir noch einmal zu trinken, dann streicht sie mir durchs schweißnasse Haar. „Warum hast du das gemacht? Jetzt so kurz vor Weihnachten. Wissen deine Eltern schon Bescheid?"

Sie schwankt ein bißchen, vielleicht hat sie getrunken. Der ganze Raum hat getrunken. „Warum sollen meine Eltern Bescheid wissen müssen?” sage ich so deutlich wie ich nur kann. Ich muß es dreimal sagen. „Du bist doch noch minderjährig, da müssen wir sie schon verständigen!” Ich bin 22. Die Frau ist mir sympatisch.

Es wird hektisch. Immer mehr Duschhaubenträger platzen herein. Die synchrone Symphonie der Maschinen geht unter in biologischer Geschäftigkeit. Die alte Cyborgfrau wird gewaschen. Ärzte kommen. Sie wollen Antworten. Ich will doch nur schlafen. Ich sage, dass es eine idioische Aktion war und ich nicht genau weiß, warum ich es gemacht habe. Die Frau ohne Duschhaube zieht mich an. Danach entlässt man mich aus der Intensivstation.

Zivildiener kommen, um mich abzuholen. „Hat jemand von euch eine Zigarette?” frage ich die beiden. Einer sieht die ganze Zeit weg. Mir ist es auch peinlich. Wir hatten mal was miteinander. Sein Kollege gibt mir eine Marlboro. Ich kann kaum aufrecht stehen, aber ich will nicht, dass sie mich stützen. Ich rauche hastig. Ein paar Schneeflocken tanzen vom Himmel. „Weiße Weihnachten” denk ich und steige in den Rettungswagen.

privataudienz

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der pöbel unter sich

Ich finde die beamtenhaft...
Ich finde die beamtenhaft anmutende Pause in diesem...
bob (Gast) - 23. Dez, 10:14
Das ist doch unglaublich....
Das ist doch unglaublich. Glaub ich.
textorama (Gast) - 22. Sep, 17:11
Wohl eher ein naturhysterisches...
Wohl eher ein naturhysterisches Diorama. Die beiden...
textorama (Gast) - 22. Sep, 17:10
gemüsehunger, immer zur...
gemüsehunger, immer zur unzeit... längst licht aus...
p. (Gast) - 9. Aug, 04:03
gemüsefach hatte an dem...
gemüsefach hatte an dem tag bereits geschlossen.
MoniqueChantalHuber - 6. Aug, 07:58
auf n sprung ins gemüse?
auf n sprung ins gemüse?
p. (Gast) - 6. Aug, 03:56
klammern halten die großen...
klammern halten die großen scheine einfach besser zusammen.
MoniqueChantalHuber - 3. Aug, 16:08
Klammern anstatt Rettungsschirm,...
Klammern anstatt Rettungsschirm, sehr clever.
mq (Gast) - 2. Aug, 09:08
eine fabelnhafte idee.
eine fabelnhafte idee.
MoniqueChantalHuber - 1. Aug, 22:30
Ich überlege gerade,
ob es nett wäre, wenn sich könig egon ladislaus froschojewsky...
schreiben wie atmen - 1. Aug, 22:18

kundmachung

dieser weblog basiert im wesentlichen auf texten, fotos sowie illustrationen von MoniqueChantalHuber und alter egos. moralisch inakzeptable wortmeldungen, sofern sie nicht der feder ihrer majestät entspringen, werden mitsamt verfasser an den pranger gestellt, gevierteilt oder am scheiterhaufen verbrannt. die zensurgewalt von MCH bezieht sich jedoch bedauerlicherweise nur auf ungehörige kommentare innerhalb ihres hoheitsgebietes. und legasthenie ist lediglich ein schönheitsfehler.

korrespondenz

moniquechantalhuber yahoo.de

adel verpflichtet

Online seit 6233 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09

lookin´ for a prince, horse or castle?