blutsbande

Donnerstag, 24. Dezember 2009

generationenkonflikt











"Sie hat schon geweint, als ich gekommen bin. Da waren die Hunde noch im Hof. Und dann hat sie geweint, als sie mich fragte, was ich eigentlich grade so mache und ich ihr keine Antwort geben konnte, die für sie zählt. Dann hab ich eine Kanne mit Blumendünger aufs Fensterbrett gestellt, weil die Hunde versuchten daraus zu trinken und ich verhindern wollte, dass jemand die Kanne aus Versehen umkippt. Was sollen denn da die Leute denken, wenn bei mir eine Plastikkanne am Fenster steht, hat sie gesagt und dass ich nicht mit den Hunden raus auf die Straße soll, damit mich niemand sieht. Und dann hat sie wieder geweint."

"Wir sind halt nicht die fleissigen, tollen Bergers."

"Die sind ja auch zum Arbeiten erzogen worden."

....

"Weißt du", sagt der Bruder. "Weißt du wieviele Leute sagen, sie wären froh, wenn sie solche Eltern hätten wie wir?"

"Schau", sage ich. "Schau, letztlich ist es vermutlich egal, wie man erzogen wird. Hinterher hat man immer etwas daran auszusetzen. Und stell dir mal vor, was für schrecklich biedere Menschen wir hätten werden können."

"Wisst ihr" sagt die Mutter. "Wisst ihr, eigentlich seid ihr so geworden, wie wir uns das gewünscht haben. Naja, meistens. Ihr lebt das Leben, von dem wir immer geträumt haben"

...


"Weißt du" sagt die Mutter. "Weißt du, sie hätte doch nicht kochen müssen. Ich sag ihr das jedes Jahr. Ich muss mich endlich wehren. Aber ich kann sie nicht zu uns einladen. Im Sommer ist es ihr zu heiß, im Herbst ist es ihr zu nass. Sie fühlt sich unwohl bei uns. Sie mag nicht, wie es bei uns aussieht. Sie schämt sich für mich."

"Schau" sage ich. "Schau, sie ist jetzt 78. Sie hat immer in ihrer Bauern- und Dorfwelt gelebt. Sie wird nicht mehr verstehen, dass man auch anders leben kann. Natürlich schimpft sie und beklagt sich. Sie war ihr Leben lang Köchin, wenn sie nicht mal mehr kochen kann, dann hat sie gar nichts mehr. Was sie nach aussen ist, macht sie aus."

"Sie hat ja auch niemanden, mit dem sie reden kann. Sie würde mit niemandem reden. Sie kann sich nur ins Bett legen und die ganze Nacht grübeln. Da muss ihr ja manchmal der Kopf platzen."

...

"Ich warte noch mit dir auf den Zug."

"Es tut mir leid, ich hätte nicht kommen sollen."

"Ich fand es schön, dass du da warst."

"Sag ihr, sie soll sich das nicht zu sehr zu Herzen nehmen. Ich hab ihr erklärt, wie Großmütter funktionieren."

"Ich habe kurz an eine Umarmung gedacht."

"Ich hatte sowas befürchtet. Aber mit dem Schmarrn fang ich in meinem fortgeschrittenen Alter auch nimmer an." Wollen würd ich schon, schließlich bist du der Vater, der mein Vater mir nicht ist. Du bist mein Vater. Aber nur keine Sentimentalitäten. Ich kann nicht hier am Bahnsteig ausheulen, was ich nie ausheulen werde. Das tut keiner von uns. Genetische Disposition.




Samstag, 12. Dezember 2009

in linz beginntz



Monique wühlt im musikalischen Familienalbum.



Oder doch die Los Torpedos hören...
(Auch wenn`s nur Anklänge sind, die Oysters&Wine Teaser lassen sich übrigens ganz famos nebenher und in Endlosschleife hören.)

Tags: Kryptisches

Freitag, 9. November 2007

the fabulous freak brothers* (and sisters and parents)

Den ersten Schnee verflucht, Spekulatius gegessen und die Niederschrift dieses Original-Weihnachtsdialoges 2005 in der Kiste für "Dinge, die die Nachwelt nicht braucht." gefunden. Mich erstaunlich normal gefühlt.

„Wieso seid ihr schon wieder auf dem Heimweg?“

Mutter: „Oma wollte ungestört Weihnachten auf Gut Aiderbichl sehen.“

„Und – was habt ihr ihr diesmal geschenkt? Nachthemd oder Familienkalender?“

Mutter: „Einen Gut Aiderbichl-Kalender mit persönlicher Widmung.“

„Wusste gar nicht dass Oma ein Michael Aufhauser – Groupie is. Apropos, wie war denn eigentlich der Jungbäuerinnenausflug, abgesehen davon, dass keine Jungbäuerinnen dabei waren?“

Mutter: „Gleich nachdem ich aufhörte mit dir zu telefonieren, hat mich ein Schaf angegriffen. Aber die Atmosphäre auf Gut Aiderbichl war so ruhig und besinnlich, da wollte ich nicht mit dem Schaf schimpfen.“

„Jetzt weiß ich endlich woher ich meinen guten Charakter habe, ich find es ausgesprochen löblich, dass meine Mutter nicht mit Schafen schimpft!“

Mutter: „So, ich hör dann zu telefonieren auf, erstens wollen wir uns auch Weihnachten auf Gut Aiderbichl anschauen und wir müssen noch zur Tankstelle, Bruder 1 hat zuviel Kaffee getrunken, er braucht was zur Beruhigung.“

„Du meinst Alkohol?????.... Also, zu früher hätt`s das nicht gegeben. Wenn ich mal sowas gemacht hätt....“

Mutter: „Naja, aber dich haben wir nie so alt gekannt.... Wart, ich geb dir mal die anderen.“

Schwester: „Dagmar Koller und Vicodin (die verblichenen Hausratten) haben ein Soldatenbegräbnis am Truppenübungsplatz Allensteig bekommen. Es gibt Fotos.“

Bruder 2: „...Hallo...“

Bruder 1: „Bonjour!“

„Sag mal, bist du betrunken??? Da verkünd ich großspurig, dass meine Familie zwar nicht normal ist, aber wenigstens zu Weihnachten nicht besoffen...“

Bruder 1: „Ach, vorigäs Jar war isch noch eimlisch betrungän, euär scheiß isch drauf. Schwester ist noch von gestern betrunken, bei den anderen weiß ich`s nicht ganz genau.

„Aha, und was machst nachher?“

Bruder 1: „Ich werd mir von meinem Weihnachtsgeld in einer Bar ein edles Tröpfchen gönnen, eine Zigarre anstecken und Thekenschlampen abschleppen.“

„Liebster Bruder, wie wird`s mir?! Thekenschlampen! Mind your Wortschatz!“

Bruder 1: „Ich bin eben auch nur ein Gentleman mit Bedürfnissen, aber keine Sorge, du bist meine Schwester, ich begehre dich nicht.“

Mutter: „Dein Weihnachtsgeschenk bringen wir dir in den nächsten Wochen mal vorbei, das passt nicht in dein Auto.“

„Krieg ich jetzt endlich ein Pony?“

Vater (schreiend aus dem Hintergrund): „Sag ihr nicht, dass es ein Pony ist, sag ihr es ist rosa und aus Holz!“


* the fabulous furry freak brothers
freaks01

Mittwoch, 7. November 2007

allerseelen - family affairs

Der Onkel Pepi aus Australien ist zu Besuch. Er sieht jünger aus als siebzig. Vor zwei Jahren hat er aufgehört zu rauchen, seither beschwert er sich wenn sich jemand im Gasthaus eine Zigarette anzündet.

Er hat ein Zimmer bei der Tante Marianne. Sie kocht nur noch selten. Seit der Friedl, ihr Mann, letztes Jahr gestorben ist, nimmt sie Beruhigungsmedikamente. Vor ein paar Wochen ist sie in der Küche gestürzt und hat sich den Arm verbrannt. „Zum Glück ist nicht mehr passiert!“, sagt sie, wenn sie die Wunde neu verbindet. Manchmal geht der Onkel Pepi mit ihr ins Wirtshaus oder die Tante Rita kommt vorbei und bringt ihr eine Kleinigkeit mit. Sie hat sich über „Essen auf Rädern“ erkundigt, die Tante Marianne. Das soll ja heutzutage gar nicht so schlecht sein.

Wenn der Onkel Pepi ins Wirtshaus geht, dann geht er immer in das Wirtshaus, das früher der Gusti gehört hat. Wenn es draußen schön ist und die Gusti einen guten Tag hat, dann gehen sie nach dem Essen noch spazieren. Der Pepi und die Gusti, die wären beinah ein Paar geworden, damals nach dem Krieg. Aber dann ist der Pepi ausgewandert, nach Australien und ist Beamter geworden, hat geheiratet und Kinder gezeugt und die Gusti ist dageblieben und Wirtin geworden, hat geheiratet und Kinder geboren. Seit der Pepi in Pension ist, war er dreimal in Österreich. Beim ersten Mal ist er immer mit der Gusti in der der Wirtsstube gesessen und hat Karten gespielt und die Gusti, die hat sich ein gute Partie erhofft, sagen die Tante Marianne und die Tante Rita, die Oma hat das auch gesagt.

Letztes Jahr war er auch in Österreich, aber da hatte er eine Freundin in Kärnten. Die war auch bei ihm in Australien, aber es ist nichts Ernstes daraus geworden. Der Pepi sagt, sie telefonieren noch manchmal, aber das glauben die Marianne und die Rita nicht, die Oma glaubt das auch nicht. „Das war vielleicht eine fürchterliche Person“, sagen die Rita und die Marianne, aber die Oma sagt, dass die Marianne und die Rita beleidigt sind, weil die Mutter von der Susanne, die ja die Tochter von der Rita ist, gesagt hat, die Susanne hat auf der Uni soviel zu tun und muss sich auf eine schwere Prüfung vorbereiten und da hat die Freundin vom Pepi gefragt, was die Susanne denn studiert und dann hat sie gesagt: „Ach, Jus, das ist doch eh nur Auswendiglernerei.“

Aber jetzt, jetzt besucht der Pepi wieder die Gusti. So wie früher. Nur dass die Gusti nicht mehr Karten spielt. Früher, da hat sie auch gerne einen über de Durst getrunken und geraucht wie ein Schlot. Seit dem Schlaganfall ist alles anders.

Der Onkel Pepi überlegt, ob er sein Haus an der Coast verkauft. Ihm fallen oft deutsche Wörter nicht mehr ein, dann redet er in Englisch weiter. Die Oma sagt, sie ist froh, wenn er wieder weg ist und sperrt die Wohnungstür ab. Manchmal, wenn sie darauf vergisst, kommt der Pepi auf einen Sprung und Kaffee und Kuchen vorbei. Die Oma nickt dann immer und sagt jaja. Wann denn die grandchildren wieder kommen, fragt der Pepi oft und die Oma sagt jaja. Und manchmal, wenn die Rita bei der Marianne war, dann kommt die Rita, eh nur auf einen Sprung, auch zur Oma. „Erst das mit dem Friedl und dann noch diese schlimme Geschichte mit der Sabine“, sagt die Rita und seufzt. Danach geht sie auf den Friedhof und zündet eine Kerze an. Die Oma räumt das Kaffeegeschirr weg und sperrt die Wohnungstür wieder zu.

Einmal ist der Pepi mit der Rita mitgegangen auf den Friedhof. Weil ja der Steinmetz die Grabinschrift für die Tante Anni am Familiengrab anbringen musste. Das wollte er sich ansehen.

Die Oma und die Marianne gehen nur alleine auf den Friedhof. Blumen gießen und abgestorbene Blätter wegzupfen. Wenn die Marianne den Steinbottich in der Mitte des Grabes, in den die Oma Vergißmeinnicht gepflanzt hat, wieder verschoben hat, dann rückt die Oma ihn dahin zurück wo er ihrer Meinung nach hingehört.

Früher hat mich die Oma immer mitgenommen auf den Friedhof. Das war mir unheimlich. Dort hat es gestunken und ich hab mir gedacht, das sind die Leichen, die so stinken. Dabei war neben dem Friedhof ein Bauer, der hat Schweine gezüchtet. Ich bin immer vor einem Grab stehen geblieben, da war eine Schwarzweiß-Fotografie von einem kleinen Mädchen drauf. Die Oma hat mir Geburts- und Sterbedatum vorlesen müssen und die Geschichte erzählen, von dem Mädchen, das nur fünf Jahre alt wurde, weil es an einem Luftballon erstickt ist. Dann erst hab ich die Gießkannen aufgefüllt und quer über den Friedhof geschleppt.

Später hab ich manchmal dabei daran gedacht, wie das war, als der Opa gestorben ist. Das war in der Nacht bevor sie ihn aus dem Krankenhaus entlassen hätten. Die Oma hat schon eine Heimhilfe angestellt gehabt. Aber in dieser Nacht hat sich der Opa plötzlich aufgesetzt in seinem Bett und es hat ausgesehen, als würde er nach etwas suchen und dann war er tot. Das hat sein Zimmernachbar erzählt.

Beim Begräbnis ist in der Kirche auf einmal einer von seinen alten Saufkumpanen aufgestanden und hat ein Lied für den Opa gesungen. Die Marianne und die Rita, die waren verlegen und der Oma war das auch unangenehm. Meine Eltern haben gesagt, das war wie in einem Hans Moser Film und das es dem Opa bestimmt gefallen hätte. Der Pepi und die Anni sind nicht gekommen, die waren ja in Australien.

Wir sind von der Kirche zum Friedhof gewandert. Alle haben Blumen und Erde ins offene Grab geschmissen. Ich hab dem Opa ein paar Haare von seinem Hund mit ins Grab geworfen. Den hat er so gern gehabt, den Hund. Also hab ich der „Tussi“ ein Büschel Fell ausgerissen, damit der Opa schöne Erinnerunge hat, da unten, unter der Erde.

Dann sind wir alle ins Gasthaus gegangen, zum Leichenschmaus. Ich bin beim Jan gesessen, in den war ich nämlich ein bisschen verliebt. Der Jan ist ein Jahr später mit dem Moped in einen Lastwagen gekracht. Da waren wir wieder beim Leichenschmaus. Diesmal bin ich bei der Oma gesessen.

Bei wem ich damals gesessen bin, wie die Gerlinde gestorben ist, das weiß ich gar nicht mehr. Die Gerlinde war die Tochter aus Omas erster Ehe. Ich hab sie nicht so gut gekannt. Außerdem hab ich sie nicht leiden können. Zu Weihnachten hat sie mir und meinen Geschwistern gebrauchtes Spielzeug geschenkt und geglaubt, wir merken das nicht.

An einem Sonntag hat die Oma im Radio gehört, dass eine Gerlinde P. aus A. wegen Heroinschmuggels verhaftet worden ist. Da hat sie sofort gewusst, dass das ihre Tochter ist. Das die Gerlinde anschaffen gegangen ist, hat sie nicht gewusst. Nur, dass sie die falschen Freunde hat. Eigentlich haben alle geglaubt, die Gerlinde, die ist die Erste, die`s zu was bringt. Aber dann hat sie sich verliebt in einen Junkie und ist selber Junkie geworden und für ihn auf den Strich gegangen. Ein paar Jahre später ist sie dann gestorben, an Gehirnhautentzündung.

Meine Mutter hat nur ein einziges Mal darüber gesprochen, wie es wirklich war. Da hat sie alleine eine Flasche Wein getrunken gehabt. Dann erst hat sie erzählt, es war AIDS. Das durfte keiner wissen. Vorallem nicht die Rita und die Marianne. Gestorben ist die Gerlinde in einer Abstellkammer im Wagner Jauregg. In der Nervenklinik. Wenn da einer eingeliefert worden ist, haben alle gesagt, der ist jetzt in der Wagner Disco und wissend gegrinst. Weil die Gerlinde Anfang der Neunziger gestorben ist, da hat es noch kaum AIDS-Stationen gegeben in den Krankenhäusern, hat man sie zum Sterben einfach weggestellt, damit sich keiner ansteckt.

Im Haus von der Oma sind zwei kleine Zimmer, die hat sie im Sommer an ein altes Ehepaar vermietet. Das war der Marianne gar nicht recht, die hat ihre Wohnung auf dem selben Gang und lebenslanges Wohnrecht. Wenn die Krylls da waren, mussten sie sich ein Klo teilen. Die Marianne und der Friedl, die hatten schon ihr eigenes Klo, aber sie haben lieber das im Stiegenhaus verwendet, damit es bei ihnen in der Wohnung nicht stinkt.

Herr und Frau Kryll waren trotzdem jeden Sommer da und sind an die Donau gegangen, zum fischen. Hin und wieder haben sie mich mitgenommen. Ich habe die Fische gestreichelt, die der Herr Kryll gefangen hat, oder ihnen ins Maul gefasst. Die hatten ganz schön spitze Zähne. Am Abend hab ich zugesehen, wie der die Fische erschlagen und ausgenommen hat. Einmal hat er einen kleinen Aal gefangen. Den hat er an einen Holzpfosten vom Heustadl, wo der Friedl immer geparkt hat, genagelt und aufgeschnitten. Da hat mir ziemlich gegraust.

Ich bin dann doch lieber mit der Oma und dem Opa mitgefahren, wenn sie Suppenhühner gekauft haben. Im Ort war eine Hühnerfarm. Da hat man sich die altersschwachen Hühner, die nicht mehr für die Legebatterie taugen, kaufen können. Der Opa hat jeweils fünf Stück in eine große Schachtel gepackt, dann sind wir heimgefahren. Im Hof, wo auch der Herr Kryll seine Fische ausgenommen hat, hat die Oma einen Hackstock hingestellt. Ich hab mit dem Opa gewettet, dass sie Hühner bestimmt Eier gelegt haben vor lauter Aufregung.

Wir haben ständig gewettet. Zum Beispiel, wenn ich zu Weihnachten mit meinen Eltern bei Oma und Opa war, dass ich so lange munter bleiben kann, bis wir wieder bei uns zuhause sind. Ich hab die ganze Autofahrt lang gesungen, um nicht einzuschlafen, aber der Opa hat mir nicht geglaubt. Die fünf Schilling Wetteinsatz hat er mir jedenfalls nie gegeben. Einmal haben wir Lotto gespielt, ich hab den Schein ausgefüllt und er hat gezahlt. Wir haben gesagt, wir kaufen uns ein Pferd, wenn wir gewinnen. Leider haben wir nur hundertzweiundreißig Schilling gewonnen, davon wollte der Opa siebzig Prozent. Die hab ich ihm aber nicht gegeben, wie ich den Gewinn von der Trafik abgeholt hab, nur die vierundzwanzig Schilling die er bezahlt hat.

Bei der Hühnerwette hab ich jedes Mal gewonnen. Weil immer wenn der Opa den Karton aufgemacht hat, hatte mindestens eine Henne ein Ei gelegt. Wenn dann die Oma gekommen ist mit der Axt, musste ich ins Haus. Am Abend hat es Hühnersuppe gegeben, oder Backhendl.

Die Oma war ja früher Köchin, wie sie noch mit ihrem ersten Mann zusammen war, das war bevor er gestorben ist. Und dann hat sie den Opa geheiratet und meine Mutter bekommen und ist Taxifahrerin geworden. Der Opa hatte ein kleines Transportunternehmen. Er hat immer davon geträumt, mit der Pferdkutsche zu fahren, nicht mit dem LKW. Mir hätte das auch viel besser gefallen.

Der Opa und ich, wir waren beide ganz vernarrt in Pferde. Das hatten wir von meinem Uropa. Den hab ich nur mal auf dem Hochzeitsfoto gesehen, das bei der Marianne im Wohnzimmer steht. Damals hat man noch in Schwarz geheiratet, da hab ich geglaubt der Uropa und die Uroma kommen grad von einem Begräbnis, weil in dem Ort wo die Oma wohnt und die Marianne und die Rita, da sind immer Beerdigungen. Die Wohnung von der Oma grenzt direkt an die Straße und jedesmal wenn ich zu Besuch war, ist ein Trauerzug vorbeimarschiert.

Sonst sind nicht viele Fotos herumgestanden, bei der Marianne nicht und auch nicht bei der Oma, außer von den Enkelkindern halt. Bei der Rita daheim war ich nie. Nur das Bild vom ältesten Bruder vom Opa und der Marianne und der Rita, das hängt auch bei der Oma an der Wand. Da trägt er eine Soldatenuniform. Er ist in Russland gefallen. Fritz hat er geheißen und hätte Pfarrer werden sollen.

Der Opa war auch in Russland. In Gefangenschaft. Das hat er mir mal erzählt, als er grad vom Wirtshaus zurückgekommen ist. Magenkrebs hat er gekriegt, weil sie nichts zu fressen hatten, damals, hat er gesagt. Mehr hat er nicht gesagt. Ein Stück vom Magen haben sie ihm amputieren müssen. Seither hatte er keinen richtigen Appetit mehr. Obwohl die Oma Köchin war. Der Opa ist lieber ins Wirtshaus gegangen und hat Rotwein getrunken. Er soll mit dem Trinken aufhören, hat sein Arzt gemeint. Gestorben ist er allerdings an Lungenkrebs.

Der Friedl, der Mann von der Marianne, war nicht auf dem Begräbnis vom Opa. Dafür ist die Oma nicht auf die Beerdigung vom Friedl gegangen. Den hat sie eh nie gemocht. Einmal hat er den Opa die Treppe hinuntergestoßen, wie der Opa grad aus dem Wirtshaus kam. Säufer hat er zu ihm gesagt, hat der Opa hinterher erzählt. Außerdem hat der Friedl nicht gegrüßt, weder den Opa noch die Oma.

Ein alter Nazi war der, sagen meine Eltern. Die haben geglaubt, wenn ihre Partei an die Macht kommt, dann können sie gratis wohnen, behauptet die Oma, weil die Marianne sich einmal erkundigt hat, wie das so ist mit dem betreuten Wohnen. Dabei hat die Oma selber immer die FPÖ gewählt. Dreißig Jahre lang haben sie fünfhundert Schilling bezahlt für die Wohnung, bis die Oma die Miete erhöht hat auf zweihundert Euro. Da haben die Marianne und der Friedl gesagt sie ziehen aus. Das Parteibuch hat aber die ortsüblichen Mieten auch nicht bezahlt, sagt die Oma. Dann hat die Marianne den Rauchfangkehrer angerufen, er soll doch die Jahresabrechnung an sie schicken. Die Oma hat sich gewundert wo die Rechnung bleibt und auch den Rauchfangkehrer angerufen. So ist dann herausgekommen, dass die Marianne glaubt, die Oma schickt ihr getürkte Abrechnungen. Schließlich hat die Oma das Klo am Gang mit einem Vorhängeschloss abgesperrt. Strom und Wasser sind nämlich über ihren Zähler abgerechnet worden. Weil die Frau Kryll nun Sommer wie Winter daheimbleibt, braucht das Klo ja eigentlich keiner mehr.

Der Herr Kryll ist nämlich eines Abends, da sind sie grad vom Fischen heimgekommen, am Sofa eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht. Die Frau Kryll ist noch zur Oma gelaufen und hat dort Sturm geläutet, aber weil die Oma so schlecht hört, hat das lange gedauert und dann ist endlich die Rettung gekommen, aber da war der Herr Kryll schon tot. Auf der Beerdigung vom Herrn Kryll war nur die Oma.

Die Töchter von der Marianne haben mit dem Anwalt gedroht, wegen dem Klo und der Miete. Seither grüßen sich die Marianne und die Oma nicht mal mehr, nur die Rita redet noch mit beiden. Die wohnt ja woanders. Die Töchter von der Marianne grüßen auch nicht mehr, also nur die Henni, weil von der Sabine hat man sowieso nur das Auto gesehen, wenn sie zu Besuch war. Die hat mit keinem von uns geredet. Meine Mutter und sie haben sich ganz schlimm gestritten, als ich noch ganz klein war. Nur in meinem Babyalbum, da sind Fotos von der Sabine und ihren Kindern. Das Totenbild von der Sabine ist aktueller. Kennengelernt hab ich sie nie.

Wie die Sabine gefunden worden ist, da war sie seit sechs Wochen abgängig. Ihr Auto hat die Polizei schon nach einer Woche entdeckt. Ihren Leichnam hat ein Bauer in seiner alten Scheune gefunden. Aufgehängt hat sie sich. Depressionen hat sie gehabt. Einmal, vor einigen Jahren, hat sie Schlaftabletten geschluckt, da hat sie ihr Mann noch rechtzeitig gefunden.

Ich hab eine Karte geschrieben, an die Tante Marianne und die Henni und die Kinder von der Sabine. Vielleicht weil ich die Sabine ein bisschen verstehe. „Wieso haben wir nicht gesehen, dass es ihr so schlecht geht. Mein Gott, was muß das Kind gelitte haben?“ hat die Marianne gesagt, wie ich bei ihr war zum Kondolieren. Als sie so dagesessen ist, zwischen all den Totenbildern von den Urgroßeltern und den Brüdern Fritz und Franzl und dem Friedl und der Sabine, da war sie ganz klein und zerbrechlich. Da hab ich daran denke müssen wie es bei mir war.

Wie meine Mutter plötzlich vor mir gestanden ist, damals im Krankenhaus. Sie hat gesagt, sie will nicht, dass ihre Kinder vor ihr sterben. Dabei hat sie geweint.

Ich hab immer nur Angst gehabt davor, dass die Oma stirbt. Nächtelang hab ich mir vorgestellt, was wäre wenn die Oma plötzlich nicht mehr da ist. Ich hab soviel geweint, dass ich am Vormittag in der Schule noch ganz verschwollen Augen hatte. Ich habe mir natürlich auch vorgestellt was wäre, wenn meine Eltern sterben. Als ich noch ganz klein war, da hat mir das schon Angst gemacht. Später dann hab ich mir gewünscht, dass sie nie mehr nach Hause kommen. Ich habe mir ausgemalt, dass ein Polizist kommt und sagt: „Es tut mir leid, aber deine Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen.“ Dann hätte ich meine kleinen Geschwister alleine großgezogen. Oder ich wäre zu meinem richtigen Papa gegangen. Vielleicht hätte ich meine Geschwister mitgenommen, aber nur wenn sie brav waren. Dass die Oma tot ist, hab ich mir nie gewünscht.

Dass meine Mutter weint wollte ich aber auch nicht. „Reiß dich gefälligst zusammen!“ hätt ich am liebsten geschrien. „Weißt du, wie schlimm es ist, sein eigenes Kind nicht anfassen zu dürfen?“, hat meine Mutter geschluchzt. Natürlich hat sie mir leid getan. Weil sie Angst hat vor dem Fluch. Weil in unserer Familie immer das älteste Kind zuerst gestorben ist. Der Franz, der vom Dach fiel, der Hermann, der einen Autounfall hatte, die Gerlinde, der Jan, die Sabine, alle. „Ich hab mir immer gewünscht ich wär die nächste und nicht die Gerlinde!“, hat meine Mutter mal gesagt. Aber sie ist halt keine Älteste, so wie ich.

Als mein Bruder zur Welt kam, da war er der erste Sohn vom neuen Vater. Damals hat sie sicher auch Angst gehabt. Er ist viel zu früh auf die Welt gekommen. Einen Wasserkopf hat er, haben die Ärzte gesagt. Ganz lang ist er im Brutkasten gelegen. Wir waren jeden Tag im Krankenhaus. Ich hab mir immer Cola kaufen dürfen, am Automaten im Erdgeschoß. „Cola ist doch nichts für kleine Kinder“, haben die Schwestern geschimpft und ab und zu mit mir gespielt, weil meine Eltern mussten ja in die Intensivstation, zu meinem neuen Bruder. Der hat eine Lungenentzündung bekommen und keiner hat geglaubt, dass er überlebt. Ich hab meine Bruder gar nicht so interessant gefunden, das Baby mit der Hasenscharte hat mir wesentlich besser gefallen. Das sah lustig aus.

Mein Bruder ist doch gesund geworden, Wasserkopf hatte er auch keinen und überhaupt keine sichtbaren bleibenden Schäden. Als er daheim war, musste er erstmal einen Entzug machen, wegen der Medikamente. Er ist mein Lieblingsbruder geworden, auch wenn er rückfällig wurde. Das sind alle Kinder geworden, die ich kenne, die zu lange im Krankenhaus waren.

Drogen, sagt er, machen, dass er nicht immer so traurig ist. Die Sache mit dem Heroin gefällt mir aber gar nicht, nicht nur wegen der Gerlinde und weil der Freund von unserer Schwester an einer Überdosis gestorben ist. Wie es unserer Schwester da gegangen ist, das weiß eigentlich niemand, weil darüber redet man nicht. Mein Bruder sagt, dass er wird nicht alt werden wird, dass ihm noch drei Jahre bleiben für einen anständigen Rock&Roll Tod. Unser jüngster Bruder hat auch diese Traurigkeit in sich. „Scheiß laissez faire, die Hippies haben ein ganze Generation ruiniert“ haben wir irgendwann mal festgestellt und fürchterlich gelacht dabei. Meine Mutter glaubt, es liegt an ihr. Genetische Disposition nennt man das.

Ganz so wie ich ist aber keiner von uns geworden. Das eine Geschwisterchen wär mir vielleicht ähnlich gewesen. „Ich war so froh als ich dich hatte. Weil ich wusste für dich kann ich deinen Vater verlassen“, hat meine Mutter gesagt. Sie ist aber trotzdem nochmal schwanger geworden. Gleichzeitig mit der anderen Frau. Und weil die schon mal abgetrieben hatte und sonst womöglich keine Kinder mehr kriegen kann, muss meine Mutter abtreiben, hat mein Vater gesagt. Zumindest hat meine Mutter das so erzählt, an dem Abend, wo sie auch von der Gerlinde gesprochen hat. Sie ist sich sicher, es wäre eine Schwester geworden. Die andere Frau hat nur dieses eine Kind gekriegt. Ich hab es einmal gesehen, da waren wir beide noch ganz klein. Ein Drageeosterei hab ich der Schwester geschenkt. Die wusste gar nicht, dass wir Geschwister sind. Meine Mutter hat geweint, wie sie davon gesprochen hat, sie wäre sicher gerne getröstet und umarmt worden.

Aber ich umarme niemanden. Nur die Oma. Weil sie mir immer den Rücken gekrault hat, wenn ich bei ihr war und nicht schlafen konnte. Die Oma hat schrecklich laut geschnarcht und zwischendurch ganz lange nicht geatmet. Ich habe jedesmal geglaubt sie stirbt. Da hab ich sie dann aufgeweckt und gesagt, sie muß mir denn Rücken kratzen, weil wenn sie sich bewegen kann, dann kann sie ja nicht tot sein. Das hat sie abgelenkt und sie hat wieder regelmäßig geatmet und ich war beruhigt, dass sie noch lebt. Die Oma hat nur mich gekratzt.

Bei der Oma durfte ich auch fernsehen. Wie der Opa noch gelebt hat, hat er auf der Couch im Wohnzimmer geschlafen. Ich hab gewartet bis er ganz fest eingeschlafen ist, hab den Fernseher wieder eingeschalten und alles angeschaut, was man als Kind gar nicht sehen darf. Wenn im Film jemand umgebracht worden ist, dann hab ich gewusst, das ist ja nur ein Film und gelacht. Bei Tierfilmen hab ich aber jedesmal geweint, wenn einem Tier was passiert ist.

Einmal hab ich eine Film gesehen, da hat ein Bub einen Adler ausgebrütet. Da wollte ich auch probieren ein Ei auszubrüten. Also hab bei der Oma die Hühnereier aus dem Kühlschrank genommen und in meinen Schmusepolster gesteckt. Den hab ich auf den Kachelofen gelegt oder herumgetragen und an den Bauch gedrückt, damit das Ei warm bleibt. Nach ein paar Stunden hab ich mich immer versehentlich draufgesetzt.

Die Tante Marianne hatte einen Käfig mit Zebrafinken im Vorraum stehen. Ich bin zu ihr in den ersten Stock geschlichen und hab die Vögel beobachtet.

Zuhause bin ich in den Wald gegangen. Dort hab ich Bäume gesucht, mit Nestern dran. Wenn es kleine Bäume waren, dann bin ich draufgeklettert und hab die Vogelküken herausgenommen. Die sind aber noch am selben Tag eingegangen. Wenn die Oma und der Opa Suppenhühner kaufen waren, hab ich jedesmal vergeblich darum gebettelt, dass sie eines am Leben lassen und mir schenken. Die Sache mit den Vogelküken hab ich nie jemandem erzählt, aber ich wollte Tierärztin werden, damit ich wieder gutmache, was ich angestellt hab.

Ein Huhn wollte mir der Opa nie kaufen, aber ein Pony. Und nach Australien wollte er mich mitnehmen. Wir wollten zur Tante Anni fliegen, die war nämlich seine Lieblingsschwester. Die Tante Anni hat Karten geschreiben aus Australien und Packerl geschickt, mit Plüschkoalabären.

Dass der Opa mir kein Pony kaufen wird, hab ich gewusst. Ich hab auch gewusst, dass mein richtiger Vater mir kein Pony kaufen wird, obwohl er es versprochen hat. „Wenn du abnimmst, kauf ich dir ein Pony“, hat er gesagt, als es niemand sonst hören konnte.

Dem Opa war egal wie ich aussehe. Ich hab gewusst, dass der Opa sehr krank ist und mir deshalb kein Pony kaufen wird. Mein Vater, der war gesund. Er wär trotzdem nicht mit mir zur Pferdemesse gefahren, der Opa schon. An dem Tag hab ich aber leider was vorgehabt. Im Jahr darauf hat der Opa nicht mehr gelebt.

Nach Australien sind wir auch nicht mehr gekommen. Dafür war die Tante Anni in Österreich und hat den Opa noch ein letztes Mal gesehen.

Nach Australien wär ich schon sehr gern geflogen. Nach dem Krieg sind viele Leute dorthin ausgewandert. Weil das Leben dort besser ist, hat es geheißen. Drum sind auch die Anni under der Pepi fortgegangen. Die anderen Geschwister haben nicht den Mut dazu gehabt oder sie hatten schon ein gutes Leben.

Ich hab mir auch immer ein besseres Leben gewünscht. Ich hätte mir ein Haus gekauft und ein Pferd und dann hätten mich alle Leute besuchen dürfen. Auch Nachts und am Sonntag. Nur meinen Vater hätte ich nie eingeladen. Ich hätt ihm nur eine Postkarte geschickt. Mit einem Kookaburra, einem lachenden Hans drauf. „HA!“, hätte ich geschrieben, „und du hast behauptet ich sei nicht lebensfähig. HA!“ Die viele Sonne wär gut für`s Gemüt, hab ich mir gedacht. Den Mut zu gehen hab ich allerdigs nie gehabt.

Doch selbst sie Tante Anni ist letzten Endes zurückgekommen.

„Was schleppst denn da dauernd rum in dem Plastiksackerl?“ hat die Oma den Onkel Pepi neulich gefragt, weil sie sich für ihn geschämt hat.

Die Urne von der Tante Anni hat er drin in dem Billasackerl, jetzt schämt sich die Oma noch mehr, weil der Pepi so verrückt ist. Dabei nimmt er mit der Anni nur noch mal zu all den Plätzen mit, wo sie früher als Kind gespielt haben und wo es schön war.

Ich wette, irgendwann machen mein Bruder und ich das auch so.

Samstag, 4. August 2007

weddingplaner

ich eine bekannte, die erreicht langsam ein kritisches alter. den verkupplungsversuchen mitleidiger mitmenschen widersetzt sie sich aber vehement.

"wann heiratet denn eure tochter endlich?"
hat neulich ihr onkel gefragt. "kein mann ist es wert, das man ihm nachtrauert" erklärt die eine großmutter, versucht hinterrücks jedoch treffen zu arrangieren, mit jungen männern, die ihr passend erscheinen um die missratene enkelin auf den pfad der tugend zurückzuführen. "halt dich von den männern fern!" predigt die andere oma und hat dabei doch dieses urenkelfiebrige glitzern in den augen. selbst die eltern reden ihr zu, wie einem kleinen kind, das eben ängstlich aus alpträumen hochschreckte. "ich habe gehört, deine letzte liason ist zuende. dann war es nicht der richtige. der kommt schon noch. bald. wirst sehen." sagt der ansonsten emotionslose vater. seine stimme klingt ungewohnt sanft und weich und tröstenwollend.

"Liebe ist kein Problem, ich find sie herrlich und angenehm. Wenn einer hübsch ist, wird er geküßt. Seh`n Sie, wie einfach das ist."
entgegnet sie lachend (der verhärmte unterton nur für geschulte ohren erkenntlich) den schmeißfliegen, die um ihr liebesleben kreisen, die nicht interessiert, was sie tut und wie sie lebt, sondern nur, warum da noch immer kein properer schwiegersohn, ein erfolgreicher, gutaussehender kerl, an der seite der ältesten weilt und ihr babybäuche schmackhaft macht.

nichtsdestotrotz hat sie heute bei "my big fat greek wedding" geheult, aber nur ein bisschen.

romantische wallungen beim anblick von john corbett, dem cirka zweitentzückensten männlichen wesen nach josef hader , werden grad noch mal toleriert, ansonsten distanziere ich mich von diesem text, insbesondere dem letzten absatz, von meiner bekannten sowieso. auch verwehre ich mich jeglicher interpretationansätze.

Freitag, 3. August 2007

nikolauserinnerungen

nikolaus? osterhase? ha, ich wusste doch genau, dass es die mutter war, die alle heiligen zeiten irgendwo schokolade versteckte. sie war ein wenig romantisch veranlagt, ein so nüchternes, aufgeklärtes kleinkind war ihr ungeheuer. damit wenigstens bei ihr etwas feiertagsstimmung aufkam, griff sie zu einer list. einer, die letztendlich das ende meiner kindlichen gutgläubigkeit markieren sollte.

der pfarrnikolaus würde vorbeikommen, ein echter mensch aus fleisch und blut und chromosomen. ja, das erzählte sie mir und ich hatte keinen zweifel an der wahrheit ihrer worte. das klang plausibel. ich freute mich auch schon auf all die sachen, die sie gekauft hatte, damit er sie in meine stiefel stecken konnte. doch es war ein kalter tag und der weg zu unserem haus war weit und ich hatte mitleid mit dem mann im mantel.
"der nikolaus bringt allen kindern geschenke, aber wer schenkt ihm was?" war es, was mich beschäftigte. nicht nur, dass ich grübelte, wie ich dem nikolaus eine freude machen könnte, nein, es durfte nicht irgendein geschenk sein, sondern musste von herzen kommen. ich müsste ihm etwas schenken, das zu verschenken mir schwer fiel, weil ich selbst daran hing.

und so packte ich das liebste, das ich hatte, in meine schuhe. ein großes, aufklappbares osterei, pappmaché statt fabergè, mit vielen schönen bildern von hühnern drauf und dazu meinen allergrößten schatz, den blendi-biber, das maskottchen zu meiner erdbeeraromatisierten kinderzahnpasta. es fiel mir nicht leicht mich von diesen dingen zu trennen, doch voller vorfreude wartete ich auf die reaktion des mannes mit dem falschen bart. alle paar minuten schlich ich nach draussen um nachzusehen, ob er sein geschenk schon gefunden hätte. irgendwann, abends, waren plötzlich meine stiefel gefüllt mit allerhand süßigkeiten, ei und biber dafür verschwunden. ich war glückselig und sicher eine gute tat vollbracht zu haben.

einige jahre später fand ich dann das pappmachèei und den biber, denen ich, aller selbstlosigkeit zu trotz, im stillen doch hin und wieder nachgetrauert hatte, in der abstellkammer. wie schuppen fiel es mir von den augen: ES HAT NIE EINEN PFARRNIKOLAUS GEGEBEN!

Freitag, 29. Juni 2007

willkommen im digitalen zeitalter

erinnern sie sich noch an ihre erste e-mail? die erste sms? ich nicht mehr.

es war der 28.6.2007, 16 uhr 56, um genau zu sein, als mutter (von der brut stets K gerufen) die erste elektronische kurznachricht ihres lebens versandte.

mir, als mensch der jahrelang nicht wusste, dass auch die rechte maustaste mit funktionen belegt ist, steht es eigentlich nicht zu, mich darüber lustig zu machen... aber... ist das nicht drollig und herzallerliebst?????


Hallo Monique! Jetzt kann ich`s auch!LiebeGruesse K

willkommen im digitalen zeitalter!

(9 min später)
Du bist schnell

beste mutter, ich kann auch blind tippen.

In zehn Jahr,Lch auch, geh,jetzt einkaufen

Donnerstag, 7. Juni 2007

sweet child o' mine

Schon am Tag meiner Geburt wurde ich erwachsen. „Wie froh war ich, als ich dich hatte, für dich konnte ich endlich deinen Vater verlassen“ sagte unsere Mutter später. Meine Schultern wurden breit von der Verantwortung, die auf ihnen lastete. Andere hatten ihre ersten Haltungsschäden von der schweren Schultasche und ich von fremder Hoffnung und Angst, eine irreparable Druckstelle, eine Delle im Selbst. Keine der Erwartungen habe ich je erfüllt.

„Du hast eine Bringschuld“ sagte unser Vater später, wenn er denn mit mir sprach. „Ich investiere nicht in ein aussichtsloses Unternehmen“ sagte er auch, oder: „Leute wie du sind nicht lebensfähig.“ Und ich setzte alles daran, zumindest diese Prophezeiung wahr werden zu lassen.


Sie mag keine Geschichten die schlecht ausgehen. Nein, nein, nein! Wenn mich eine schlammige Flut trauriger Erinnerungen überrollt, eine Welle von Ängsten meine Zukunft ertränkt, den Mut zum Aufstehen, die Lebensenergie fortspült, dann stampft sie trotzig auf: „Pah, blöde Depressionen.“ Mit verbissenem Eifer versucht sie mich abzulenken, mich mit Albernheiten zum Lachen zu bringen.

„Sich zuhause verkriechen ist total doof und immer traurig sein auch, ich will was unternehmen“ quengelt sie und bettelt solange, bis ich nachgebe. Oft genug gelingt es ihr jedoch nicht, dabei ist sie so mitreißend unbekümmert.

Im Gegensatz zu mir hat sie überhaupt nichts ernsthaftes an sich. Ich bin der melancholische Sauertopf, sie die quirlige Frohnatur. Wenn ich still sitzen und grübeln würde, springt sie herum, summt fröhliche Lieder, treibt allerhand Unfug.

Ich bin die Zurückhaltende, die Herbe, die Kühle, sie dagegen ist ein kleines Showtalent und liebt Publikum.

„Ich weiß eigentlich gar nicht wie lang meine Zunge ist“ sagt sie und steckt sich einen Rollmeter in den Mund. „Weiter als elf Zentimeter komm ich nicht, ohne zu würgen.“ stellt sie fest und lacht.

Oder sie fragt: „Darf ich mal?“ und leckt über seine Hand „Wegen der Elektrolyte.“ sagt sie und grinst schelmisch.

Manchmal geht mir ihr kindlicher Übermut auf die Nerven. Besonders wenn er dabei ist. „Reiß dich mal zusammen!“ schimpf ich sie dann. „Was sollen denn die Leute denken?“ Das ist ihr völlig egal.

Im Kaffehaus schnappt sie sich ein Päckchen Zitronensaft, schneidet Grimassen und kichert: „Schau, wie komisch man das Gesicht verzieht, wenn etwas so sauer schmeckt. Willst du auch probieren?“ Mir ist das peinlich und er wirft mir genervte Blicke zu. In solchen Momenten würd ich sie am liebsten zuhause einsperren.

„Kannst du nicht ein bisschen erwachsener sein?“ bittet er sie und ich weiß, wie wichtig ihm das ist. Unsere Symbiose irritiert ihn, wir passen nicht in sein fertiges Leben.

„Wir kommen auch alleine klar“ beruhige ich sie „das haben wir immer geschafft“. Ihn kann ich gehen lassen, weil sie alle gehen werden, unser Vater war der erste. Doch ohne sie kann ich noch nicht sein.

„Du bist die nette, blonde Prinzessin aus dem Märchen, die ich eigentlich immer war und ich bin die dunkle Königin geworden, die unser Vater haben wollte, weil die Bösen die Cooleren sind. Wenn du nicht hier wärst, würde ich fallen und zerbrechen, so kalt und starr wie ich nun bin.“ erkläre ich ihr.

„Apropos“, sagt sie “ ich möchte ein Eis“. Das hat sie sich redlich verdient – denn andere bewahren sich ihr inneres Kind, mich hat mein inneres Kind bewahrt.

Montag, 2. April 2007

EINSKOMMASECHS TONNEN BIER

es trug sich eines tages zu, dass die dunkle prinzessin, ihres zeichens kemenatenmitbewohnerin ihro majestätens missratener nachgeburt, einen anruf der zutiefst erzürnten hausverwaltung entgegenzunehmen hatte. "SIE LAGERN 1,6 TONNEN BIER IN IHRER WOHNUNG!! " brüllte eine stimme in prinzesschens empfindsames hörorgan.

"äh..." entgegnete diese schlagfertig und ein kleinwenig verwundert. "ja, was soll denn das werden. haben sie vor einen illegalen getränkehandel aufzuziehen?? die nachbarn haben angst, dass bald die decke einstürzt. wenn das so weitergeht mit dieser wg, werden wir sie delogieren lassen. das ist ja wohl die höhe!!" die unsanfte stimme erging sich alsdann in garstigen schimpftiraden und wäre wohl nie zu einem ende gekommen, wenn nicht die prinzessin ein wenig von ihrer haltung verloren und mit einem "entschuldigung, wenn ich 1,6 tonnen bier in meiner wohnung lagern würde, dann wüsst ich das, ich bin ja nicht blöd!" die verbindung gekappt hätte. nein, so etwas absurdes hatte sie ihr lebtag noch nicht vernommen.

als nun anderntags prinzesschen und die nachgeburt von ihrer vergnügungsfahrt, lachend ob der haltlosen vorwürfe, heimkehrten, die stufen hinauf zum turm erklommen und das tor geöffnet hatten, da stockte ihnen schier der atem. bier soweit das auge reichte. vom flur zum bad stapelten sich kisten flüssigen goldes und die alten gemäuer ächzten und krachten dass einem angst und bange werden konnte.

schockschwerenot riefen sie und konnten ihr glück nicht fassen - 2400 flaschen bier, noch originalverpackt sozusagen. hinter den türmen jedoch trat der urheber dieses famosen, wenngleich auch beängstigenden anblickes hervor und schien überrascht ob der heimkehr der beiden. hatte er doch ohne ihr wissen einen wohnungsschlüssel geborgt und die gute stube zum zwischenlager für festivitätenverköstigung erkoren.

aus gründen der vernunft trennten sich die jungen edeldamen von dem unerwarteten segen und dem schwitzeden, keuchenden heilsbringer. zurück blieben nur 4 leere pfandflaschen und die frage: wie kommt man auf die idee 120 bierkisten in eine fremde wohnung im dritten stock (ohne lift) zu schleppen und welcher der nachbarn hat dieses schauspiel so gründlich observiert um ziemlich genau den wert von EINSKOMMASECHS TONNEN bier zu errechnen??

privataudienz

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der pöbel unter sich

Ich finde die beamtenhaft...
Ich finde die beamtenhaft anmutende Pause in diesem...
bob (Gast) - 23. Dez, 10:14
Das ist doch unglaublich....
Das ist doch unglaublich. Glaub ich.
textorama (Gast) - 22. Sep, 17:11
Wohl eher ein naturhysterisches...
Wohl eher ein naturhysterisches Diorama. Die beiden...
textorama (Gast) - 22. Sep, 17:10
gemüsehunger, immer zur...
gemüsehunger, immer zur unzeit... längst licht aus...
p. (Gast) - 9. Aug, 04:03
gemüsefach hatte an dem...
gemüsefach hatte an dem tag bereits geschlossen.
MoniqueChantalHuber - 6. Aug, 07:58
auf n sprung ins gemüse?
auf n sprung ins gemüse?
p. (Gast) - 6. Aug, 03:56
klammern halten die großen...
klammern halten die großen scheine einfach besser zusammen.
MoniqueChantalHuber - 3. Aug, 16:08
Klammern anstatt Rettungsschirm,...
Klammern anstatt Rettungsschirm, sehr clever.
mq (Gast) - 2. Aug, 09:08
eine fabelnhafte idee.
eine fabelnhafte idee.
MoniqueChantalHuber - 1. Aug, 22:30
Ich überlege gerade,
ob es nett wäre, wenn sich könig egon ladislaus froschojewsky...
schreiben wie atmen - 1. Aug, 22:18

kundmachung

dieser weblog basiert im wesentlichen auf texten, fotos sowie illustrationen von MoniqueChantalHuber und alter egos. moralisch inakzeptable wortmeldungen, sofern sie nicht der feder ihrer majestät entspringen, werden mitsamt verfasser an den pranger gestellt, gevierteilt oder am scheiterhaufen verbrannt. die zensurgewalt von MCH bezieht sich jedoch bedauerlicherweise nur auf ungehörige kommentare innerhalb ihres hoheitsgebietes. und legasthenie ist lediglich ein schönheitsfehler.

korrespondenz

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adel verpflichtet

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Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09

lookin´ for a prince, horse or castle?