lehr- und wanderjahre

Montag, 9. Juli 2007

lektionen, die das leben erteilt - III

streichen sie den satz "ach, mir war langweilig, ich wollt mal wieder abenteuer erleben" am besten komplett aus ihrem aktiv angewandten vokabular, zumindest aber verwenden sie diese phrase niemals in beisein eines lkw-fahrers, der den truck lenkt, den sie schönwetterbeschwingt und gutgelaunt erklommen haben, um günstig zu reisen.

Dienstag, 3. Juli 2007

wunderwelt werbung

(nebenbei bemerkt:

vor der werbeagentur hatte ich eine zeit lang als interior designer gearbeitet, welch bombastisch aufgebauschte berufsbezeichnung, im grunde war ich kaum mehr als eine etwas besser bezahlte putzfrau mit möbelschraub- und productplacementkenntnissen.

man erwartet sich ja vieles von der werbebranche: morgens zur motivation ein bisschen kollektives kokainschnupfen auf der damentoilette, fünf cocktailempfänge pro tag, auf du und du mit dem jet-set, das klingt unheimlich spannend, letztlich waren meine erfahrungen jedoch weniger glamourös. kaffeekochen kann ich seither allerdings prima. überraschenderweise war ich aber nicht oberflächlich genug für eine weiterführende werbekarriere.

ich bin mir immer noch nicht sicher ob "du bist so kreativ, mach doch wieder was in die richtung" nicht eigentlich eine beleidigung darstellt. die hausfrauenrunde, mit der ich keinesfalls in verbindung gebracht werden möchte, die volkshochschulkurse im stil von "spirituelle hinterglasmalerei und ausdruckstanz" belegt, bezeichnet sich selbst ja auch als kreativ. ausserdem, glauben sie mir, nirgendwo bedarf es so wenig kreativität wie beim verfassen von pressetexten für geriatriebedarf, inseratengestaltung für industriepumpen oder den entwurf von schnittbrotverpackungsbeuteln.

verkaufen lassen sich diese erfahrungen aber allemal, man muss nur ein wenig selbst-marketing betreiben, dies gilt insbesondere für die weniger geneideten lebensstationen: unfassbar welch ehrfurchtsvolles staunen ein buisiness-lady-likes "ich bin beruflich drei mal die woche in münchen" hervorruft. den zusatz "als speisewagenkellnerin" sollte man natürlich besser verschweigen, zumindest aber sehr undeutlich aussprechen.)


mein boshaftes kleines herz frohlockt, wenn auf plakaten zeilen wie diese prangen: schlussverkauf: damen, herren, kinder -50%. oh ja, ich amüsiere mich prächtig über teuer bezahlte, ungewollte doppeldeutigkeit.

besonders jedoch ergötze ich mich am werbetechnisch zurückhaltenden umgang mit tabuprodukten.

erinnert sich noch jemand an die tamponwerbung, in der eine frauenhand ein, in blaue demonstrationsflüssigkeit getunktes, watteröllchen umfasste "... nimmt die regel da auf, wo sie passiert - im inneren des körpers." sprach die stimme aus dem off und versetzte minderjährige fernsehkonsumenten jedweden geschlechts in maßlose verwirrung. noch kryptischer, für uneingeweihte kaum dechiffrierbar, wurden die via versandhauskatalog feilgebotenen massagestäbe, illustriert durch eine dame, die sich phallisch geformtes latex an wange oder hals schmiegte, vermarktet.

ein produkt des täglichen bedarfs, das man ebenfalls mit einem tabu belegte, ist klopapier. welchem zwecke es dient, weiß zwar jeder und es würde wohl als ungustiös empfunden werden, würde man allzu direkt darauf hinweisen (der werbebotschaftsempfänger reagiert diesbezüglich nur positiv auf babypopos und kackende zeichentrickbären), aber was mir da heute beim toiletteartikeleinkauf unterkam, ist ein paradebeispiel missverständlicher, gestalterischer diskretion. vorallem nummer zwei, die waldidylle, gedacht wohl eher als hinweis auf die umweltverträglichkeit des produktes, bringt mich immerfort zum lachen. sehen sie was ich sehe, oder geht nur mir die fantasie durch?

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Dienstag, 19. Juni 2007

rechts ist da, wo der daumen links ist

Ich habe einen Knopf im Kopf.

Die Gerlinden nenn ich Regina und die Reginen Gerlinde. Zu den Hermänern sag ich Manfred und zu den Manfreden Herman.

Wenn ich müde bin vergesse ich manchmal den Buchstaben S auszusprechen.

Vorm inneren Auge vermengen sich Worte gern zu allerhand neuen Kreationen, so verschmilzt beispielsweise Volkstanzgruppe St. Veit zu Veitstanzgruppe und grammatikalische Irrtümer passieren, wider theoretischen Wissens, andauernd. Ich weiß etwa, dass ich sometimes somethimes falsch schreibe, kann mich aber im Bedarfsfall nie daran erinnern, welches nun die richtige Variante ist.

Dass im Deutschen die Einer vor den Zehnern gesprochen und als Wort ausgeschrieben werden, die Ziffer an sich, sich jedoch genau umgekehrt liest, daran gewöhnte ich mich irgendwann, die Zahlen stürzen nicht mehr so oft wie früher, verheddern sich allerdings immer noch in Synapsen, legen Schaltkreise lahm, man sieht die sprichwörtlichen Zahnräder rotieren, den Kopf rauchen, der schließlich ein Produkt ausspuckt, das mir völlig unmöglich scheint, sich bei elektronischer Endkontrolle aber meist als richtig erweist. Mehr als sieben zweistellige Einzelbeträge kann ich im Kopf nicht addieren (an Subtraktion wage ich erst gar nicht zu denken), ohne einen Systemfehler zu riskieren. Dann befinde ich mich plötzlich in einer mathematischen Endlosschleife, wiederhole stetig die selbe Zahl und komme nicht mehr voran.

Meine Körperhälften sind etwas aus der Balance, die rechte Seite ist ungeschickter und schwerfälliger, obwohl sie die Richtung vorgibt. Ich habe Ewigkeiten gebraucht um zu verstehen, dass es sich nicht um einen schlechten Insiderwitz handelt, sondern dass Rechts tatsächlich da ist, wo der Daumen links ist.

Ich tröste mich damit, dass wohl geschätzte sechzig Prozent der alphabetisierten Welt Satzzeichen noch willkürlicher setzen als ich, dass trotz meiner mathematischen Minderbegabung vermutlich noch ausreichend Restintelligenz vorhanden ist, um davon abzulenken und dass eine zeitweilig undeutliche Aussprache oder Namensverwechslung als liebenswerte Marotte durchgeht.

Einzig die Rechts-Links-Schwäche macht mir wirklich zu schaffen, nicht dass ich nicht wüsste, was es mit links und rechts auf sich hat, es gelingt mir jedoch erst nach längerer Überlegung die korrekte Seite zuzuordnen und so trabe ich über Eselsbrücken durchs Leben. Besonders die Straßenverkehrsordnung betreffend, sind diese mentalen Stützbehelfe von äußerster Wichtigkeit. Ich muss mir Bilder erschaffen, die die fehlenden Begriffe ersetzen. Ohne sie wär ich wohl unrettbar verloren:

Rechts ist die Seite, wo ich für gewöhnlich mehr Platz im Auto habe.
Die ungeregelte Kreuzung, Anwendung der Rechtsregel (Nach ausreichend Imaginationsarbeit nun jederzeit augenblicklich abrufbar): Vorrang hat der, der im Falle einer Karambolage den Beifahrer töten würde.
Ungeregelte Kreuzung mit abbiegendem Gegenverkehr in gleicher Richtung: Vorrang hat der, bei dem der angestrebte Kreuzungsarm näher ist.

Freitag, 15. Juni 2007

bildungsbeitrag, frühkindlicher

Im Nachhinein erklärt es womöglich einiges (was hier allerdings nichts zur Sache tut), dass meine Mutter oft zu sagen pflegte: „Warte, warte nur ein Weilchen, dann kommt Haarmann auch zu dir. Mit dem kleinen Hackebeilchen macht er Hackefleisch aus dir.“ In Hannover an der Leine, Rote Gasse Nummer acht, wohnt der Massenmörder Haarmann, der die Leute umgebracht. Aus den Augen macht er Sülze, aus dem Arsch, da macht er Speck, aus dem Darm, da macht er Würste, und den Rest, den schmeißt er weg. Haarmann hat auch ein' Gehilfen, Grans heißt dieser junge Mann. Und der lockte mit Behagen viele junge Männer an. Warte, warte nur ein Weilchen, dann kommt Haarmann auch zu Dir. Mit dem kleinen Hackebeilchen macht er Hackefleisch aus dir.

Mir kam die Textzeile heute völlig überraschend in den Sinn. Dass Mutter ebenso gerne die "Moritat von Mackie Messer" vor sich hin trällerte, fiel mir im selben Augenblicke ein und es ward mir gleichzeitig ein wenig nach Weihnachten zumute.

Ich hatte Spekulatius zum Kaffee und Orange mit Zimt zum mexikanischen Destillat verspeist. (Tequilla ist ein Rührseligkeitskatalysator, der definitiv erst ab Ende der Neunziger eine tragende Rolle in meinem Leben spielte und somit der frühadulten Phase zugerechnet wird, dies sei unbedingt angemerkt, weil ich mir doch vorgenommen habe, wieder mehr erwachsene Texte zu schreiben) Allein daher rührt dies jähe Aufwallen freudiger Aufregung, so dachte ich anfangs und fütterte das wintergeschmackkonditionierte, Pavlowsche innere Kind noch ein wenig.

Doch dann wurde mir bewusst, dass dieses seltsam vorfreudige Gefühl schon seit längerer Zeit, vorgestern cirka, meine ansonsten eher düsteren Gedankenketten hell erleuchtete.

Angefangen hat es, so ergab die mentale Recherche, mit dem Erwerb eines Tonträgers. Dave Brubeck stand da drauf in bunten Lettern. Der Name las sich so vertraut, dass ich ihn sogleich käuflich erwarb und neugierig der vermeintlich unbekannten Melodien harrte.

Und siehe, selbst ein stark hörgeschädigtes Wesen wie ich (explicit lyrics, metallische Klänge, aberhunderte Ermahnungen erziehungsberechtigterseits, wovon man halt so taub wird), mit dem Rhythmusgefühl einer Salatgurke, erkannte zweifelsfrei: „Der "Unsquare Dance“, das ist ja die Titelmelodie von Panoptikum“.

Eben jenes "Panoptikum" war gewiss eine meiner liebsten Fernsehsendungen, wenn nicht sogar die Liebste, noch vor dem „hohen Haus“ (Damals, das sei, wenn auch zu meiner Schande, eingestanden, hätte ich den Haider Jörg gewählt - obwohl politisch engagiertes Kleinkind und links der Mitte sozialisiert, allerdings fand ich ihn ungemein attraktiv, er war stets ordentlich gekleidet und kam dem Humorverständnis einer Fünfjährigen sehr entgegen. Ja, ich fand den Haider toll, einen H.C. Strache hätt ich vermutlich sogar noch komischer gefunden. Mittlerweile lass ich mich von Äußerlichkeiten und Rethoriken nicht mehr so stark blenden und bin auch strikt gegen eine Herabsetzung des Wahlalters.)

Doch halt, wo kam ich her, wo wollt ich hin? Achja, Panoptikum und seine Kennung, ein Stück schöner Erinnerung. Während ich also musikalisch und gedanklich einmal mehr im falschen Jahrhundert verweilte, da fragte doch der Kellnerkollege plötzlich, ohne von meiner inneren Retrospektive zu wissen: „Kennst du den Axel Corti?“.

Nun, wie soll ich es beschreiben... Mein Kinderherz juchzte und frohlockte, ich entsann mich all der Stunden vor dem Radiogerät und war vor Freude halb entrückt (Entrückung ist ja zum Beispiel ein Wort von dem heutzutage viel zu selten Gebrauch gemacht wird). Den „Schalldämpfer Vol.1“ hat er, der wunderbare Kollege und Freund im Geiste, mir heute, wie angekündigt, tatsächlich vorbeigebracht und nun kann ich jederzeit dem beruhigenden Klang der Stimme Cortis lauschen, die zu meiner Kindheit gehört wie Weihnachten und Zimt und Mutters schauerliche Gesänge.
Sollte nun jemand aus der mittlerweile tatsächlich vorhandenen Leserschaft im Besitz der leider vergriffenen Volumes 2 und 3 sein, oder jemanden kennen, der jemanden kennt...

Montag, 4. Juni 2007

supermarktimpressionen I

supermarkt

Schon damals als Ferialpraktikantin bei der Post, brachte ich nebenbei eine ganze Menge über die Menschen im Ort in Erfahrung. Ich wusste wer wo auf Urlaub war, welcher Partei jemand angehörte und welchen Vereinen, dass die Frau Meyer ihren Kummer über die Scheidung mit exzessiven Versandhauseinkäufen zu lindern trachtete, dass der Herr Meyer dagegegen neuerdings bei der Frau Bauer lebte, ich wusste sogar wer Schwierigkeiten mit der Finanz und wer mit der Justiz hatte. Ich wahrte stets das Briefgeheimnis, all diese Informationen bezog ich allein aus den Absendern und Adressaten der Postsendungen, die ich täglich in die Briefschlitze warf. Ihr Briefträger weiß mehr über sie, als ihnen vielleicht lieb ist...

Statt Während meiner Studienzeit arbeitete ich dann zwei Jahre in einem Supermarkt. Eine herkömmliche Kassiererin dringt, ohne dass sie es bemerken, oft in noch viel privatere Bereiche ein, als der Postmann.

Ich wusste wessen Bank bald Probleme macht, weil das Limit des Überziehungsrahmens bereits Mitte des Monats ausgeschöpft war. Ich sah, wer seinen Gästen bloß imponieren wollte, da die Einkäufe wochentags von minderer Qualität waren und Samstags plötzlich der große Feinschmecker hervorgekehrt wurde, der den Prosciutto allerdings im Sektregal sucht. Ich wusste um ihren Familienstand und ihre Gepflogenheiten, welche Zeitungen sie lasen, welches Brot sie aßen. Dies Wissen erhielt ich ganz ohne mein Zutun. Auf meinem Förderband trat ihr Innerstes zutage. Ich wusste sogar über so intime Details bescheid, wie die Hygienartikelvorlieben der Kundinnen .

Ich erkannte die Frisch-oder-gratis-Touristen, also solche Kunden, die gezielt nach verdorbener Ware suchten, um in den Genuss der „Finden sie ein abgelaufenes Produkt, erhalten sie ein gleichwertiges Produkt umsonst“- Garantie zu kommen, bereits auf Anhieb, ihr zielsicherer Scannerblick verriet sie, manchmal fand ich sogar die Verstecke, wo sie Waren, die kurz vor Ablauf des Haltbarkeitsdatums standen, für ihren nächsten Besuch bunkerten, oder ertappte sie dabei, ihr Obst aus Kostengründen falsch abzuwiegen.
(Die alternativen Biotante, die Art Frau, die benutzte Teebeutel in Altpapier, Metall und Biomüll trennt, zählte übrigens neben den bereits genannten, zur ungenaueste Kundenkategorie, was die Deklaration der zu erwerbenden Rohkost betraf. Sie war fast immer in Begleitung eines unartigen, hysterischen Hundes, der angeleint im Eingangsbereich Radau schlug oder kleine Kinder anknurrte. Lästig war an diesem Typus Kundin hauptsächlich, dass sie einen ungemeinen Missionierungseifer an den Tag legte, während sie ihre politisch korrekten, aber falsch abgewogenen Einkäufe ausbreitete, mir Vorträge über gückliche Hühner hielt und den Weltfrieden, beides ansich hehre Ziele, aber am Samstag Nachmittag, bei Vollbetrieb, nichts worüber sich eine Supermarktkassiererin unterhalten will, schon gar nicht wenn bereits drei Kunden weiter eine andere Ökofrau keiffte: „Fräulein, machen sie jetzt endlich eine zweite Kasse auf?!!“ (Yoga und Autogenes Training beherrschten sie, Alltagsgeduld leider selten), während der "Ach, der will nur spielen"Laissez-faire-Hund draussen jaulte, bellte und alte Frauen ansprang. Ein an Tofufrau zwei gerichtetes: „Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man drei Minuten Wartezeit an der Kasse ohne Folgeschäden überlebt. Wissen sie, ich steh am Tag zehn Stunden durchgehend hier.“ lies glücklicherweise meist gleich sämtliche Kunden in der Schlange verstummen, manchmal gab es dann sogar Trinkgeld.)

Wenn sich junge Mädchen, alterslos geschminkt, an meiner Kasse anstellten, dann war mir klar, sie wollten Alkohol kaufen, den sie von Gesetzes wegen noch gar nicht trinken durften. Bei der alten, griesgrämig blickenden Kollegin am anderen laufenden Band hätten sie den auch mühelos erhalten, dass ich in der Hinsicht ziemlich uncool bin, hätten sie mir nicht zugetraut.

Die unterschiedlichsten Ausprägungen von Alkoholmissbrauch blieben mir überhaupt am eindringlichsten in Erinnerung. Bei Männern trat der Alkoholismus deutlicher in Erscheinung. Die Gelegenheitstrinker sah man öfter verkatert und lallend, samstags meist, als die wirklichen Säufer, die täglich Unmengen Bier in der Blechbüchse oder Wein im Doppelliter kauften. Manche von ihnen waren durchaus noch adrett und gepflegt, der Großteil jedoch auch äußerlich am sozialen Abstieg. Die für mich tragischsten Fälle waren solche, die mir leere Jägermeisterfläschchen hinlegten, die sie bereits am Kassenregal, ursprünglich gedacht als letzte Gelegenheit für konsumsüchtige kleine Kinder, ihre Mütter in den Wahnsinn zu treiben, geleert hatten, um den Pegel zu halten, oder wenn junge Männer vor der Entscheidung standen, ihr letztes Münzgeld wahlweise in eine Dose Bier oder eine Dose Hundefutter für den geliebten Kampfhund zu investieren. Manchmal hab ich das Futter aus eigener Tasche bezahlt, wenn mal wieder zum Bier gegriffen wurde.

Bei den Frauen allerdings verlief der Missbrauch versteckter, sie kamen nie besoffen einkaufen, abgesehen von den Prostituerten oder Junkies, die waren fast immer voll bis obenhin, mehr noch als ihre männlichen Begleiter. Die älteren Damen, Doktorsgattinnen, Unternehmerswitwen im Pelzmantel, trugen Sonnenbrillen, wenn sie am Vorabend die Einsamkeit befallen hatte und lutschten Pfefferminzbonbons gegen den schlechten Atem, wenn sie ein neues Fläschchen Frauentrost erwarben. Frau von Welt betrank sich mit Sherry oder Cognac, gerne auch teurem Rotwein und Sekt. Die gewöhnliche Alkoholikerin dagegen linderte ihren Kummer mit billigem Wein, verteilte die Alkoholeinkäufe über den gesamten Tag und legte nebenher allerlei Alibis in den Warenkorb, um von der oft recht beachtlichen Menge Rebensaftes abzulenken. Bier wurde selten gekauft, wenn, dann eher für den Gatten, auch Schnaps war den Männern vorbehalten.

Dienstag, 29. Mai 2007

me & the gaybar

der chef sprach: "mach doch mal ein bisschen werbung für den frauenabend. erzähl ihnen halt, du würdest nackt arbeiten. dann kommen sicher `n paar vorbei."

"okay, mach ich." (ich bin eine loyale mitarbeiterin. ausserdem lass ich neuerdings mein schamgefühl vorsichtshalber zuhause.)

"sag mal, spinnst du? sag gefälligst nein. wofür haben die gewerkschaften gekämpft?? die emanzipationsbewegung? scheinbar alles total umsonst."

Dienstag, 22. Mai 2007

selbstverteidigungsliteratur

kampftechnisch bin ich ja `n ziemliches mädchen. spucken, haare ausreissen, sowas halt. keine ernstzunehmende gefahr, höchstens versehentlich.

CH-npThrowSand

unlängst entdeckte ich jedoch durch zufall eine höchst effiziente waffe im kampf gegen aufdringliche fummler und andere idoten
- eine achtlos beiseite gelegte ausgabe "jutta menschik - grundlagentexte zur emanzipation der frau" (zur abwechslung mal beauvoir statt bukowski, von dem kriegt man auf dauer mentale leberzirrhose) erregte des lechzenden lustmolchs aufmerksamkeit.
"was liest denn da schönes? die emazi...emanzi.. WAS? bist du eine von DENEN??" manche weltbilder kennen, scheint`s, keine schlimmeren bedrohungsszenarien als linkslinkes emanzenpack - mit der feministenkeule braucht man meist nicht zuschlagen, andeuten genügt.
selbst wenn ich unter nässendem ausschlag, eitrigem schorf, beulenpest oder lepra litte, die abstoßende wirkung wäre keine so endgültige gewesen.

ich glaub, ich pack das buch ab jetzt ins handtäschchen.

Montag, 21. Mai 2007

lektionen, die das leben erteilt - II

wenn sie keinen wert darauf legen, auszusehen wie eine aufgeplatzte fetischknackwurst, dann versuchen sie niemals, sich selbst fast vollständig in klebeband einzuwickeln!

sofern doch oder falls andere gründe sie dazu verleiten, dann verwenden sie abdeckband beziehungsweise ein ähnliches produkt mit geringer klebkraft, es sei denn sie streben eine ganzkörperepilation an.

bedenken sie, dass sich bei entfernung der klebestreifen eine enorme sogwirkung entwickeln kann, die heftige blutergüsse, monströsen knutschflecken sehr ähnlich, verursacht.

bluterguss3

bindegewebsschwachen und geistig gesunden menschen ist von solchen aktionen generell dringend abzuraten!

Freitag, 18. Mai 2007

me & the gaybar: wer hat angst vor virginia woolf?

Triefendnass steh ich vor verschlossener Tür. Der Chef ist wieder mal zu spät. Eine Flyerverteilerin steuert auf mich zu, zieht ein Poster unter ihrem Poncho hervor. „Studentin“ denke ich, wer sich schon in jungen Jahren so schrecklich alternativ kleidet, kann nur was Geisteswissenschaftliches studieren, Psychologie wahrscheinlich. Sie ist mir auf Anhieb unsympatisch, eine stereotypische Reaktion.

„Darf ich bei euch im Lokal Plakate aufhängen?“ fragt sie. Ich sag ihr, sie soll halt eines hier lassen, ich könne ihr aber für nichts garantieren. Sie beschließt zu warten und mustert mich scheu.

„Der Chef, ist der auch von der anderen Seite?“ erkundigt sie sich zögerlich. Ich bin verwirrt. Zwar ist die städtische Trinkmeile durch einen Fluß geteilt, aber wie kommt sie darauf, dass er vom anderen Ufer sei? Das ergäbe keinen Sinn. „Na, bei euch sind doch alle Kellner schwul, oder?“ Achso, DAS andere Ufer. „Nein, nicht alle.“ antworte ich und lache, weil ich manchmal so schwer von Begriff bin. Sie wirkt nervös und zündet sich eine Zigarette an.

„Kann ich Feuer haben?“ erkundige ich mich, denn meines liegt irgendwo in den Tiefen meiner aufgeweichten Handtasche. Sie reicht es mir, dabei streife ich versehentlich ihre Hand. Sie fühlt sich sichtlich unwohl. „Ist ja auch ein blöder Job“ denk ich „den ganzen Tag herumlaufen um Flugblätter an fremde Menschen zu verteilen. Mir wär das auch unangenehm.“

Ich lächle sie an, zur Aufmunterung. Panik flackert in ihrem Blick. Sie sagt, sie würde doch nicht warten, sie müsse weiter, drückt mir ein Plakat in die Hand und verschwindet mit eiligen Schritten, lässt mich irritiert zurück.

Es dauert eine ganze Weile bis ich es begreife: Sie dachte, ich würde mit ihr flirten.

Mich verwundert immer wieder, welches Entsetzen es in Menschen hervorrufen kann, wenn jemand nicht ihrer Vorstellung von Normalität entspricht. Mit welcher Abscheu oder Hysterie auf Fremdes reagiert wird.
Ich selbst bin ja keineswegs frei von Vorurteilen und besitze eine ganze Menge Schubladen und Töpfe in die ich meine Mitmenschen werfe. Doch die Neugierde auf Unbekanntes ist meist stärker, als der Drang, alles was mir vermutlich unlieb ist, aus meiner Welt zu sperren oder davor wegzulaufen.

Es war naheliegend, dass eine Aussenstehende mich, als Kellnerin in einer Schwulenbar, für lesbisch hält. Davon geht ohnehin fast jeder aus. Doch besagte junge Frau (die ich umgekehrt sogleich als Ökotussi mit schweren emotionalen Problemen abstempelte) fürchtete sich vor mir. Nicht etwa, weil ich ein kolossales, grobschlächtiges Mannsweib bin, dass Bierflaschen mit den Zähnen öffnet, sich ständig prügelt und ganz allgemein eine unangenehme Zeitgenossin ist. Nein, sie hatte nur Angst vor meinen womöglichen gleichgeschlechtlichen Vorlieben.

Offen gestanden hatte auch ich anfangs einige Schwierigkeiten damit, von Frauen angebaggert zu werden, denn obwohl ich mich mit Lesben meist besser verstehe, als mit Hetero-Frauen und ich Homosexualität für eine normale biologische Spielart halte, war es ungewohnt, für das eigene Geschlecht sexuell interessant zu sein. Ich hatte diesen Aspekt in meinen Freundschaften stets ausgeblendet.
Meine einzige Befürchtung in dem Zusammenhang ist, dass sich eine Frau in mich verlieben könnte, denn dieses Gefühl könnte ich ihr nicht erwidern, aber so etwas wie Angst habe ich nie empfunden.

Die Furcht vor lesbischen Frauen ist allerdings nicht so tief verwurzelt, wie die Angst vieler Männer vor dem Schwulsein. Man unterstellt Frauen gerne, sie hätten von Natur aus einen Hang zum eigenen Geschlecht. Weibliche Homosexualität wird oft romantisch verklärt gesehen, auf die zarten Küsse zweier Mädchen reduziert, woran sich kaum jemand stört, eher ist das Gegenteil der Fall, ist diese Vorstellung doch fixer Bestandteil vieler männlicher Phantasien. Schwule Homosexualität dagegen wird als abnormal und zutiefst unmännlich abgelehnt. Die Ablehnung schlägt oft genug in Aggression und Hass gegen Schwule über.

(Mein persönlicher Hang zu einem homosexuellen Umfeld kommt sicher auch daher, dass hier die Rollen wechseln, die Grenzen verschwimmen. Ich wollte selbst nie einer bestimmten Rolle entsprechen, Kleider tragen, nur weil ich den dazugehörenden Busen besitze, meine Haare lang wachsen lassen, weil sich das für eine Frau gehört. Manchmal stehe ich im Leben meinen Mann, bin dann wiederum femme fatale oder ein kleines, hilfloses Mädchen. Ich habe weibliche Charakterzüge und männliche, ich mag beide Seiten und will mich nicht für eine entscheiden müssen.)

Ich treffe in der Arbeit täglich auf burschikose Frauen oder sehr weibliche, auf „richtige“ Männer und mädchenhafte. Mir begegnen dicke, dünne, kluge, dumme, schöne, hässliche, junge, alte, interessante, langweilige, fröhliche, traurige, verliebte, alleinstehende, treue, promiskuitive, reiche, arme, normale, verrückte, kranke, gesunde, nüchterne, betrunkene, lesbische oder schwule Menschen. Sie haben die selben Träume, Wünsche und Probleme wie Frauen die Männer und Männer die Frauen lieben.

Ich bemühe mich grundsätzlich vieles nachvollziehen zu können, doch die Angst vor Homosexuellen werd ich nie verstehen.

Samstag, 12. Mai 2007

maid of steel

Ich kann mit der herausgestreckten Zunge, je nach Wetterlage, bis zu fünfzehn Radiosender gleichzeitig empfangen.
(Anfangs musste ich deshalb die Rundfunkgebühren von Österreich, Deutschland, der Schweiz und Kasachstan zahlen, aber da die menschliche Mundhöhle rechtlich gesehen nicht als Empfängergerät gilt, wurde meinen Einsprüchen stattgegeben. Die Gebühren wurden rückerstattet, die Kasachen schickten statt Geld zwei Kisten Wodka an meine Bank. Billiger, selbstgebrauter Fusel. Ich habe nur daran gerochen und war zwei Monate lang blind (weswegen ich meinen neuen Fernseher gleich gar nicht anmeldete). Da ich zu der Zeit arg im Minus war - die Rechtsanwälte hatten mich mein Erspartes und Retourniertes gekostet, der Therapeut, den ich aufsuchen musste, weil ich ja ununterbrochen Stimmen hörte, hatte sich mit meinem letzten Hemd begnügt - war ich gezwungen all mein Hab und Gut, sechzehn Flaschen Methylalkohol also, der Bank zu überschreiben. Nun wird am Weltspartag und vor jedem Kreditabschluss ein Gläschen davon an die Kunden ausgeschenkt. Mein Finanzberater schickt mir seit damals jedes Jahr zum Geburtstag ein Aktienpaket mit Glückwunschkarte. Besonders nett finde ich, dass die Mitarbeiter aller Filialen unterschreiben.)

Bei meinem letzten Krankenhausaufenthalt wurde ein stählerner Operationstisch in meinem Bauch vergessen. Er konnte auch röntgentechnisch nicht mehr lokalisiert werden und wird, da er mir keine weiteren Beschwerden bereitet, in meinem Körper verbleiben.

Versicherungsgesellschaften zahlen mir übrigens Sonderprämien aus, weil der Posten "Blitzschäden" aus sämtlichen Polizzen in vier Bundesländern und einigen grenznahen ausländischen Regionen gestrichen werden konnte.
Die Kinder im Ort, die nach 1999 geboren wurden, kennen das Phänomen "vereinzelter Blitzschlag" nur mehr aus dem Fernsehen.
Sobald ein Gewitter naht, habe ich mich umgehend im eigens errichteten Kraftwerk einzufinden, wo man mich an einen Blitzableiter anschließt. Dabei tanze ich den selbsterfundenen Flashdance. Mit der von mir absorbierten Energie einer gesamten Gewitterfront können zweihundertdreiundneunzigtausend Haushalte ein Jahr lang mit Strom versorgt werden, was den Bau von sieben Atommeilern unnötig machte.
Aus diesem Grund wurde ich im letztes Jahr für den alternativen Nobelpreis vorgeschlagen. Die Nominierung wurde zurückgezogen, als aufkam, dass die Voest Alpine und Böhler Uddeholm mir Großkundenrabbatt gewähren und ihre Produktionsstätten meinetwegen auslagerten.

Ich will mich nicht bedeutender darstellen als ich bin, der wirtschaftliche Aufschwung in Asien etwa, ist nur zu neunundachtzigkommadrei Prozent mir zu verdanken.
(Chinesische Stahlarbeiter salutieren morgens und abends vor Transparenten, die mein Antlitz ziert, und singen dabei die Nationalhymne. Die österreichische. Manche weinen sogar. In jeder Fertigungshalle und von allen Spinden lächle ich den fleißigen Arbeitern aus goldverzierten Rahmen aufmunternd zu. MoniqueChantal ist mittlerweile der zweithäufigste chinesische Vorname für Jungen und Mädchen.)

Flughäfen darf ich mich nur bis auf achthundert Meter nähern, weil ansonsten die Metalldedektoren Terroralarm auslösen. Zur Eröffnung des MoniqueChantalHuber-Stahlwerkes in der Provinz Jiangsu konnte ich also leider nicht persönlich erscheinen, ich habe aber eine Videogrußbotschaft ohne Text gesandt (in der Schule hatte ich nur Anglerlatein als lebende Fremdsprache).

Alle bekannten Geheimdienste halten mich unter ständiger Observation. Die Rüstungsindustrie umgarnt mich. Neulich wurde mir ein eigener Eurofighter für den Privatgebrauch angeboten, dafür, dass ich im Falle eines plötzlichen Ablebens meine Metallvorräte der Republik vermache. Ich habe allerdings bereits andere, verlockendere Angebote erhalten.

Wissenschafter untersuchen gerade meinen Einfluss auf das Magnetfeld der Erde und den Klimawandel.
Ich bin ganz ungelogen das größte natürliche Vorkommen von Chirurgenstahl weltweit, aber manchmal denke ich, dass ich langsam zu alt werde für Piercings.

privataudienz

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der pöbel unter sich

Ich finde die beamtenhaft...
Ich finde die beamtenhaft anmutende Pause in diesem...
bob (Gast) - 23. Dez, 10:14
Das ist doch unglaublich....
Das ist doch unglaublich. Glaub ich.
textorama (Gast) - 22. Sep, 17:11
Wohl eher ein naturhysterisches...
Wohl eher ein naturhysterisches Diorama. Die beiden...
textorama (Gast) - 22. Sep, 17:10
gemüsehunger, immer zur...
gemüsehunger, immer zur unzeit... längst licht aus...
p. (Gast) - 9. Aug, 04:03
gemüsefach hatte an dem...
gemüsefach hatte an dem tag bereits geschlossen.
MoniqueChantalHuber - 6. Aug, 07:58
auf n sprung ins gemüse?
auf n sprung ins gemüse?
p. (Gast) - 6. Aug, 03:56
klammern halten die großen...
klammern halten die großen scheine einfach besser zusammen.
MoniqueChantalHuber - 3. Aug, 16:08
Klammern anstatt Rettungsschirm,...
Klammern anstatt Rettungsschirm, sehr clever.
mq (Gast) - 2. Aug, 09:08
eine fabelnhafte idee.
eine fabelnhafte idee.
MoniqueChantalHuber - 1. Aug, 22:30
Ich überlege gerade,
ob es nett wäre, wenn sich könig egon ladislaus froschojewsky...
schreiben wie atmen - 1. Aug, 22:18

kundmachung

dieser weblog basiert im wesentlichen auf texten, fotos sowie illustrationen von MoniqueChantalHuber und alter egos. moralisch inakzeptable wortmeldungen, sofern sie nicht der feder ihrer majestät entspringen, werden mitsamt verfasser an den pranger gestellt, gevierteilt oder am scheiterhaufen verbrannt. die zensurgewalt von MCH bezieht sich jedoch bedauerlicherweise nur auf ungehörige kommentare innerhalb ihres hoheitsgebietes. und legasthenie ist lediglich ein schönheitsfehler.

korrespondenz

moniquechantalhuber yahoo.de

adel verpflichtet

Online seit 6232 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09

lookin´ for a prince, horse or castle?