bankette

Samstag, 21. Juli 2007

das glück ist ein schweinsbraten

text mit österreichischsprachigem einschlag

Samstag früh, spätestens um halb sechs, nach einer Nacht voll jugendlichem Partyvolk, werd ich unruhig. Ich will auf den Markt.

Nur die ganz Alten, mit ihren Gehbehelfen, Stöcken, Krücken und ich scharen sich bereits geduldig um die Stände, an denen emsig aufgebaut wird. Ausser mir sind nur ein paar von den Marktfahrern jung, die Bauernkinder oder Enkelkinder, die Samstags mitanpacken müssen.

Karotten mit üppigem Grünzeug dran oder nackt und sauber gebürstet, sattrote Kirschen, Kartoffeln, die noch nach Erde riechen, Kohlrabi, Marillen mit roten Bäckchen, Johanisbeeren, Radieschen, Lauch, süße und saure Äpfel, Zwetschgen, frischer Fenchel in Kisten. Bunt durcheinander. Manchmal kullert ein voreiliges Stück Obst übers Kopfsteinpflaster, mir direkt vor die müden Beine. Marillen und Äpfeln geb ich ein neues Zuhause.

Ich bestaune die Wagen, auf denen sich Käse türmt und ganze Stapel von Schnitzel, gemischten Fleischspießen, schön gemasertem Rindsbraten, Koteletts, Berge von Weißwürsten, Leberknödeln, Hühnerbrüsten, Lammkeulen, den Vorhang aus Geräuchertem und Selchfleisch, das an Haken von der Decke baumelt. Der alte Mann im weißen Fleischerkittel, der den Transporter entlädt, grinst verschmitzt und nickt mir zu. Manchmal, wenn er an der Theke steht, versteckt er mir etwas extra Wurst im Paket.

„Und du kommst grad von der Arbeit?“ meint der Kollege. „Sechsundreissig Jahre hab ich Nachtschicht gemacht.“ erzählt ein verhunzeltes Männchen neben mir. Es rückt sich die Brille zurecht, wischt sich den Mund mit einem karierten Taschentuch ab, nimmt mit trüben Augen den feisten Fleischhauer hinter der Budel ins Visier „Kann ich noch ein Stück kosten.“ In dem Moment sieht der Methusalem aus wie ein kleines Kind und lutscht genüsslich an der großzügigen Portion Leberkäse . „Vierundneunzig bin ich“ erklärt er und wendet sich dabei an mich. „Vierundreissig Jahre Nachtschicht... hab ich die Ripperl schon bezahlt?“

Vorm Marktstand an dem ich den herrlich cremigen Liptauer kaufe, mit groben Zwiebelstückchen darin, gerade mit soviel Paprika gewürzt, dass er nicht bitter schmeckt, packt die greise Dame, deren grellbunte Tuniken in Kombination mit weißen Plastikschlapfen ich jeden Samstag amüsiert bewundere, einen Laib dunkles Bauernbrot in ihr Einkaufswägelchen. „Suchen sie sich`s selber raus“ sagt sie zur Marktfrau und hält ihr die Geldbörse hin. An ihrem rechten Handgelenk trägt sie ein Notrufarmband. Ihren schwarz-weiß-gescheckten Spaniel hat sie heute zuhause gelassen.

„Guten Morgen“ begrüßt mich die Bäuerin „Jetzt wo es endlich abgekühlt hat, möcht man gleich den ganzen Tag schlafen. Kommen sie grad wieder vom Nachtdienst?“. Mir fällt erst heute auf, dass sie alt sein muss, wohl auf die siebzig zugeht. Ein goldenes Kreuz hängt über einem faltigen, sonnengegerbten Dekoletee, ihre Hände sind voller Arbeitsschwielen, die Finger unnatürlich verkrümmt. Kaspressknödel kaufe ich, ein Stückchen Topfenstrudel und eine große Schnitte vom Ziegenhartkäse. Einen Topf voller kross gebratener Fleischstücke steht daneben. „Magst kosten?“ fragt sie mich, sie weiß nie so recht ob sie nun du oder sie sagen soll. „Wir füttern unsere Schweinderl noch selbst. Mit Kukuruz und Gerschtl, net so einem neumodischen Zeug.“ Gerschtl bedeutet wohl Gerste vermute ich, bei uns zuhaus nannte man das, was die Schweine fraßen, die Mischung aus Gemüseabfällen, altem Brot, Getreide und saurer Milch, Sautrog oder Sautrank. Sie reicht mir ein Stückchen kalten Braten mit Kruste. Ein fleischgewordener Traum, der fast auf der Zunge zergeht. Ein Randstück vom Apfelkuchen packt sie noch dazu „Damitst morgen auch was Süßes hast.“. „Pfiat di!“ sag ich zum Abschied, denn wir Leute von Land siezen nur Pfarrer, Doktoren, Lehrer und die feinen Pinkel aus der Stadt.

Und während meine Einkäufe am Arm schaukeln und ich die letzten Meter durch die noch brachliegende Altstadt schlendere, da weiß ich es ganz bestimmt: Das Glück ist ein Schweinsbraten und all die alten Leute, die den Samstag zum ruhigsten, zufriedensten Tag meiner Woche machen.

Montag, 18. Juni 2007

der ekel

ich habe es wirklich versucht, immer und immer wieder. ich hab sie kalt probiert und zimmerwarm, pur, unter einer dicken senfschicht oder zwischen zwei brothälften verborgen, sogar kren/meerrettich hab ich darauf verteilt, damit die schärfe meine nase von diesem schrecklichen geruch ablenkt. doch ich schaffe es nicht. ich kann beim besten willen keine sülze essen.

erworben hab ich sie nur aus höflichkeit. samstags, am markt. weil die bäuerin mich käse verkosten lies und frisches brot und schinken und mir ein stück kuchen schenkte, weil ich doch so ein netter junger mann bin. jawohl, genau das hat sie gesagt. ich wollt ihr die illusion nicht nehmen, hab ein wenig mit ihr geschäkert und sülze gekauft, verwirrt wie ich war.

nun liegt also sülze im kühlschrank und riecht wie katzenfutter und sieht aus wie katzenfutter in scheiben und schmeckt wie katzenfutter, zumindest wie katzenfutter in meiner fantasie schmeckt.

ich kann gummibären essen oder geleeüberzug bei obsttorten, ohne mich zu ekeln, eigentlich empfinde ich sogar genuss dabei - aber gelatine mit fleisch darin ist noch zu nah am ausgangsprodukt. und sieht zudem unleugbar aus wie gestocktes katzenfutter - die dekadente variante - das genießerschälchen oder der aromaversiegelte frischebeutel mit zarten leckerbissen, herzhaftem ragout in sauce.

obwohl ich nur ganz wenige katzen leiden kann und mir schon gar keine halte, befinde ich mich in besitz eines irdenen futterschälchens. nur zu besonderen anlässen wird es hervorgeholt. wenn ich, was selten vorkommt, gäste in meine bescheidene kemenate lade. dann werden nämlich alle register gezogen und es wird aufgetischt, als gelte es ein ganzes bataillon abzufüttern.

sobald alle faul und träge auf dem sofa lungern, stöhnend und ächzend und satt, dann wird dessert gereicht, kekse und knabbereien. es bereitet mir ein stilles vergnügen, zu sehen, wie sich die wohlig grinsenden, fettriefenden mäuler zu angewiderten fratzen verzerren, wenn der letzte keks, der letzte krümel aus der schale fortgenommen und somit der schriftzug "whiskas" freigelegt wird, sich die schale als futternapf entpuppt.

dies eine wort, an dem noch nie ein tier geleckt hat, dies eine gutgespülte schüsselchen, aus dem nie etwas anderes als backwaren offeriert wurde, genügt vollkommen um bei den anwesenden ekelige assoziationen zu erregen, so als hätt ich eben offenbart, mein rindsgulasch sei in wahrheit aus der katzenfutterdose.

gut, gut, im grunde und ehrlich gesagt, hab ich das erst ein einziges mal ausprobiert (an einem menschen der viel gewohnt ist), aus neugierde, aber seit ich die sülze mit zu mir genommen hab und mich schrecklich davor ekle, denk ich ständig daran, dass das damals eigentlich gar nicht nett war. interessant allerdings schon...

privataudienz

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der pöbel unter sich

Ich finde die beamtenhaft...
Ich finde die beamtenhaft anmutende Pause in diesem...
bob (Gast) - 23. Dez, 10:14
Das ist doch unglaublich....
Das ist doch unglaublich. Glaub ich.
textorama (Gast) - 22. Sep, 17:11
Wohl eher ein naturhysterisches...
Wohl eher ein naturhysterisches Diorama. Die beiden...
textorama (Gast) - 22. Sep, 17:10
gemüsehunger, immer zur...
gemüsehunger, immer zur unzeit... längst licht aus...
p. (Gast) - 9. Aug, 04:03
gemüsefach hatte an dem...
gemüsefach hatte an dem tag bereits geschlossen.
MoniqueChantalHuber - 6. Aug, 07:58
auf n sprung ins gemüse?
auf n sprung ins gemüse?
p. (Gast) - 6. Aug, 03:56
klammern halten die großen...
klammern halten die großen scheine einfach besser zusammen.
MoniqueChantalHuber - 3. Aug, 16:08
Klammern anstatt Rettungsschirm,...
Klammern anstatt Rettungsschirm, sehr clever.
mq (Gast) - 2. Aug, 09:08
eine fabelnhafte idee.
eine fabelnhafte idee.
MoniqueChantalHuber - 1. Aug, 22:30
Ich überlege gerade,
ob es nett wäre, wenn sich könig egon ladislaus froschojewsky...
schreiben wie atmen - 1. Aug, 22:18

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Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09

lookin´ for a prince, horse or castle?