Donnerstag, 24. Dezember 2009

generationenkonflikt











"Sie hat schon geweint, als ich gekommen bin. Da waren die Hunde noch im Hof. Und dann hat sie geweint, als sie mich fragte, was ich eigentlich grade so mache und ich ihr keine Antwort geben konnte, die für sie zählt. Dann hab ich eine Kanne mit Blumendünger aufs Fensterbrett gestellt, weil die Hunde versuchten daraus zu trinken und ich verhindern wollte, dass jemand die Kanne aus Versehen umkippt. Was sollen denn da die Leute denken, wenn bei mir eine Plastikkanne am Fenster steht, hat sie gesagt und dass ich nicht mit den Hunden raus auf die Straße soll, damit mich niemand sieht. Und dann hat sie wieder geweint."

"Wir sind halt nicht die fleissigen, tollen Bergers."

"Die sind ja auch zum Arbeiten erzogen worden."

....

"Weißt du", sagt der Bruder. "Weißt du wieviele Leute sagen, sie wären froh, wenn sie solche Eltern hätten wie wir?"

"Schau", sage ich. "Schau, letztlich ist es vermutlich egal, wie man erzogen wird. Hinterher hat man immer etwas daran auszusetzen. Und stell dir mal vor, was für schrecklich biedere Menschen wir hätten werden können."

"Wisst ihr" sagt die Mutter. "Wisst ihr, eigentlich seid ihr so geworden, wie wir uns das gewünscht haben. Naja, meistens. Ihr lebt das Leben, von dem wir immer geträumt haben"

...


"Weißt du" sagt die Mutter. "Weißt du, sie hätte doch nicht kochen müssen. Ich sag ihr das jedes Jahr. Ich muss mich endlich wehren. Aber ich kann sie nicht zu uns einladen. Im Sommer ist es ihr zu heiß, im Herbst ist es ihr zu nass. Sie fühlt sich unwohl bei uns. Sie mag nicht, wie es bei uns aussieht. Sie schämt sich für mich."

"Schau" sage ich. "Schau, sie ist jetzt 78. Sie hat immer in ihrer Bauern- und Dorfwelt gelebt. Sie wird nicht mehr verstehen, dass man auch anders leben kann. Natürlich schimpft sie und beklagt sich. Sie war ihr Leben lang Köchin, wenn sie nicht mal mehr kochen kann, dann hat sie gar nichts mehr. Was sie nach aussen ist, macht sie aus."

"Sie hat ja auch niemanden, mit dem sie reden kann. Sie würde mit niemandem reden. Sie kann sich nur ins Bett legen und die ganze Nacht grübeln. Da muss ihr ja manchmal der Kopf platzen."

...

"Ich warte noch mit dir auf den Zug."

"Es tut mir leid, ich hätte nicht kommen sollen."

"Ich fand es schön, dass du da warst."

"Sag ihr, sie soll sich das nicht zu sehr zu Herzen nehmen. Ich hab ihr erklärt, wie Großmütter funktionieren."

"Ich habe kurz an eine Umarmung gedacht."

"Ich hatte sowas befürchtet. Aber mit dem Schmarrn fang ich in meinem fortgeschrittenen Alter auch nimmer an." Wollen würd ich schon, schließlich bist du der Vater, der mein Vater mir nicht ist. Du bist mein Vater. Aber nur keine Sentimentalitäten. Ich kann nicht hier am Bahnsteig ausheulen, was ich nie ausheulen werde. Das tut keiner von uns. Genetische Disposition.




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creature - 25. Dez, 00:55

"was werden denn die anderen denken wenn du.....", ist alles was ich noch in erinnerung hab an sätzen die meist so begonnen haben.
daher hab ich bei der ersten gelegenheit die flucht angetreten.

MoniqueChantalHuber - 25. Dez, 01:02

einerseits verständlich

und dann bleibt mir in meinem falle doch der gedanke: aber das ist alles was sie hat - die fremdwahrnehmung - 78 jahre lang nur darauf getrimmt, einem bestimmten bild zu entsprechen, einen schein zu wahren. ziemlich traurig, irgendwie.
creature - 25. Dez, 01:14

ist es auch.
ich bin dem schicksal sehr, sehr dankbar das ich das frühzeitig sehen konnte und auch den willen aufgebracht, dem zu entkommen.
das leben ist ein anderes.
MoniqueChantalHuber - 25. Dez, 01:37

die räumliche distanz

ist zu groß, als dass ich fliehen müsste. und ich will auch gar nicht. tragischerweise bleibt aber nur die möglichkeit des stark reduzierten kontaktes, obwohl es wohl die einsamkeit ist, die sie so sein lässt.
walhalladada - 25. Dez, 02:40

den schein zu wahren kann durchaus ein lobenswerter vorsatz sein , liebe frau huber, auch wenn die ganze welt das krasse gegenteil behaupten wollte...
in diesem sinne: eine fröhliche weihnacht!

MoniqueChantalHuber - 25. Dez, 11:29

ach, herr doktor

wieso wusste ich, dass sie das sagen werden?

ihnen auch die besten wünsche!
schneck08 - 25. Dez, 09:37

mir hat irgendwann das "verdammt, es ist halt so, wie es ist..." sehr gutgetan. seither kann ich die diversen ablösungsenergien wieder für mich nutzen und sogar liebe ist irgendwie wieder drin, für die mutter. man wird immer kind bleiben, solange man lebt, da kann man sich auf den kopf stellen. familie scheint mir - im weitesten sinn - tatsächlich ein einigermaßen wertvolles gut, auch wenn diese erkenntnis bei mir sehr lange auf sich hat warten lassen. /und übrigens: die bilder sind wunderbar! da wollt' ich sofort urlaub machen!

MoniqueChantalHuber - 25. Dez, 12:10

verflixt

ich bin zu bequem, den verlorenen kommentar zu rekonstruieren.

aber davon geh ich aus, dass es ihnen an diesem ort gefallen würde. da würd ihr restauratorenherz höher schlagen. auch wenn sie, wie ich, vermutlich die umgebenden neumodischen bauten wegsprengen würden, damit die 400 jahre bischöfe, fuhrwerksleute und huber-geschichte denkmalgschützt bleibt
blogger.de:f2v2 - 25. Dez, 13:21

Der Lattenmichel rostet.

MoniqueChantalHuber - 25. Dez, 13:33

bis dato kannte ich nur

den michel aus lönneberga. aber ich freu mich jedes mal aufs neue, wenn ich unbekannte worte kennen lerne.

von wegen rost, das sind wundmale.

hätt ich glatt geschrieben: tja, wer rastet, der rostet - aber dann krieg ich wieder so n schlechtes gewissen wegen geschmacklose dinge lustig findens.
blogger.de:f2v2 - 25. Dez, 14:01

Und ich kriege ein schlechtes Gewissen, wenn ich geschmackvolle Dinge lustig finde.

privataudienz

Du bist nicht angemeldet.

der pöbel unter sich

Ich finde die beamtenhaft...
Ich finde die beamtenhaft anmutende Pause in diesem...
bob (Gast) - 23. Dez, 10:14
Das ist doch unglaublich....
Das ist doch unglaublich. Glaub ich.
textorama (Gast) - 22. Sep, 17:11
Wohl eher ein naturhysterisches...
Wohl eher ein naturhysterisches Diorama. Die beiden...
textorama (Gast) - 22. Sep, 17:10
gemüsehunger, immer zur...
gemüsehunger, immer zur unzeit... längst licht aus...
p. (Gast) - 9. Aug, 04:03
gemüsefach hatte an dem...
gemüsefach hatte an dem tag bereits geschlossen.
MoniqueChantalHuber - 6. Aug, 07:58
auf n sprung ins gemüse?
auf n sprung ins gemüse?
p. (Gast) - 6. Aug, 03:56
klammern halten die großen...
klammern halten die großen scheine einfach besser zusammen.
MoniqueChantalHuber - 3. Aug, 16:08
Klammern anstatt Rettungsschirm,...
Klammern anstatt Rettungsschirm, sehr clever.
mq (Gast) - 2. Aug, 09:08
eine fabelnhafte idee.
eine fabelnhafte idee.
MoniqueChantalHuber - 1. Aug, 22:30
Ich überlege gerade,
ob es nett wäre, wenn sich könig egon ladislaus froschojewsky...
schreiben wie atmen - 1. Aug, 22:18

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